Der große Umverteilungsbetrug

VonRainer Hofmann

Mai 22, 2025

Wie Trumps Republikaner den Armen nehmen, um den Milliardären zu geben.

Es ist ein altes Spiel – und doch wirkt es unter Donald Trump perfider als je zuvor: Reichtum wird nicht mehr erwirtschaftet, er wird umgeschichtet. Von unten nach oben. Vom Teller der Alten zum Aktienportfolio der Superreichen. Vom Krankenkassenkonto einer Mutter zum Weltraumprojekt eines Milliardärs. Und nun liegt der Beleg schwarz auf weiß vor: Das Congressional Budget Office hat bestätigt, dass Trumps jüngstes Haushaltsgesetz ein gigantisches Geschenk an die Reichen ist – bezahlt von den Schwächsten.

Laut CBO wird das Gesetz bis 2027 den ärmsten zehn Prozent der US-Haushalte rund zwei Prozent ihres Einkommens kosten, bis 2033 sogar vier Prozent. Nicht durch neue Steuern, sondern durch die stille Aushöhlung dessen, was ihnen bislang Schutz bot: Medicaid, Medicare, SNAP – die Gesundheitsversorgung, die Essenshilfe, die minimale staatliche Fürsorge. Gleichzeitig winken den obersten zehn Prozent satte Steuererleichterungen – vier Prozent mehr Einkommen bis 2027, zwei Prozent bis 2033. Das ist keine Wirtschaftspolitik. Das ist kalte Klassenpolitik.

Und als wäre das nicht genug, türmt das Gesetz weitere 3,8 Billionen Dollar an Schulden auf – Schulden, die nicht Elon Musk oder Rupert Murdoch tragen werden, sondern die Steuerzahler von morgen. Die Alleinerziehende in Kansas. Der Veteran in Ohio. Das Kind in Detroit.

Hakeem Jeffries, der demokratische Senatsführer, brachte es auf den Punkt: „Der GOP-Steuerscam wird arbeitende Familien am härtesten treffen – und gleichzeitig Milliardären wie Elon Musk gigantische Vorteile verschaffen.“ Und er sagte auch: Wer etwas anderes behauptet, „täuscht bewusst“.

Genau das tut der republikanische Kongressabgeordnete Andy Barr, der bei CNN behauptete, das CBO habe sich „wieder einmal verrechnet“. Das CBO – jene unparteiische Behörde, auf deren Daten sich beide Parteien stützen, wenn es passt. Wenn nicht, wird es kurzerhand delegitimiert. Typisch Trumpismus: Wenn die Fakten nicht zur Ideologie passen, sind die Fakten falsch.

Doch Barrs Argumentation ist nicht nur falsch, sondern auch zynisch. Er verweist ausgerechnet auf Trumps Steuergesetz von 2017 – jenes Gesetz, das den Reichen Milliarden brachte, während das Haushaltsloch wuchs und das Versprechen der Selbstfinanzierung nie eingelöst wurde. Es war damals eine Lüge. Heute ist es dieselbe Lüge – in neuem Gewand.

Was diese Entwicklung so gefährlich macht, ist nicht nur die materielle Verarmung weiter Teile der Bevölkerung. Es ist das politische Prinzip dahinter: die systematische Demontage des Sozialstaats, kaschiert als Wirtschaftsförderung. Die Umdeutung von Elitenförderung zur angeblichen Rettung der Mittelklasse. Und die perfide Logik, den Menschen erst die Hilfe zu nehmen – um ihnen dann zu sagen, der Staat könne ihnen nicht mehr helfen.

Diese Politik hat Methode. Sie ist kein Ausrutscher, kein Versehen. Sie ist das bewusste Aushöhlen von Solidarität zugunsten eines hyperkapitalistischen Weltbilds, in dem Armut als Versagen gilt und Reichtum als gottgegeben. Sie ist der Beweis, dass Trump die Fehler der Vergangenheit nicht korrigiert, sondern zur Maxime erhoben hat. Und sie zeigt, dass seine Vision von Amerika ein Land ist, das nur noch dem dient, der ohnehin schon alles hat.

Wer wissen will, wohin diese Reise führt, muss nicht in die Ferne blicken. Es genügt ein Blick in die eigenen Städte, in die überfüllten Notaufnahmen, die Schulcafeterien mit Hungernden, die Pflegeeinrichtungen ohne Personal. Sie sind das Echo dieser Gesetzgebung – und die Vorboten eines Systems, das die Schwachen vergisst und die Reichen feiert.

Der große Umverteilungsbetrug ist kein Betriebsunfall. Er ist das Kernstück der republikanischen Agenda. Und Donald Trump ist ihr Architekt. Wer das verschweigt, macht sich mitschuldig. Wer es verteidigt, gibt seine Menschlichkeit auf. Und wer es hinnimmt, darf sich nicht wundern, wenn am Ende nur noch eine Wahrheit bleibt: dass Gerechtigkeit in diesem Amerika nicht mehr vorgesehen ist.

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