Der große Kahlschlag – Wie die Trump-Regierung reihenweise Einwanderungsrichter feuert

VonRainer Hofmann

Juli 16, 2025

Es war ein Wochenende der Entlassungen – still, abrupt, folgenreich. Ohne Angabe von Gründen wurden innerhalb weniger Tage siebzehn Richterinnen und Richter an US-Einwanderungsgerichten ihres Amtes enthoben. Die Maßnahme trifft nicht irgendwen. Sie trifft ein Rückgrat des amerikanischen Rechtssystems – mitten in dem Moment, in dem die Einwanderungsgerichte zum zentralen Schauplatz der Abschiebepolitik von Präsident Trump geworden sind.

Laut der zuständigen Gewerkschaft, der International Federation of Professional and Technical Engineers, geschahen die ersten fünfzehn Entlassungen bereits am Freitag, zwei weitere folgten am Montag. Betroffen sind Richter aus zehn Bundesstaaten – darunter Kalifornien, Texas, New York, Illinois und Virginia. Die Mitteilung der Gewerkschaft spricht von Entlassungen „ohne jeden ersichtlichen Grund“ – und stellt sie in scharfen Kontrast zur Politik des Kongresses, der jüngst grünes Licht für insgesamt 800 Richterstellen gegeben hat. „Es ist empörend und gegen das öffentliche Interesse, dass wir Richter entlassen, während wir gleichzeitig deren Zahl aufstocken sollen“, sagte Gewerkschaftspräsident Matt Biggs. „Das ist schlichtweg widersinnig. Wir sollten aufhören zu feuern und endlich anfangen zu rekrutieren.“ Hinter den Entlassungen steht jedoch weit mehr als Personalpolitik. Seit Monaten häufen sich Berichte über gezielte ICE-Verhaftungen direkt vor Gerichtssälen – über Abschiebungen, die nicht nach rechtlicher Klärung, sondern nach Sichtung erfolgen. Es ist ein neuer Rhythmus der Repression, dem die Gerichte folgen müssen – oder an dem sie zerschellen. In vielen Fällen wird das Verfahren während der Anhörung eingestellt – doch kaum tritt der oder die Betroffene aus dem Saal, warten ICE-Beamte bereits im Flur, um die sofortige Abschiebung einzuleiten. Es ist ein kafkaeskes Schauspiel: Der Richterspruch endet das Verfahren – aber nicht die Verfolgung. Ein weiterer Skandal bahnt sich an: Senator Dick Durbin aus Illinois, Vorsitzender des Justizausschusses im Senat, wirft dem Justizministerium vor, eine Richterin gezielt bestraft zu haben, weil sie ihm bei einem Besuch im Chicagoer Einwanderungsgericht offen Auskunft über ihre Arbeit gegeben hatte. Kurz darauf habe sie eine offizielle Mitteilung erhalten, wonach jegliche Kommunikation mit Abgeordneten künftig nur noch über das Hauptquartier in Washington erfolgen dürfe – wenig später war sie ihren Posten los. Für Durbin ein klarer Fall von Einschüchterung und Amtsmissbrauch: „Diese abrupte Entlassung ist ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz – und ein Versuch, eine unpolitische Richterin dafür zu bestrafen, dass sie schlicht ihre Arbeit gemacht hat.“

Gleichzeitig fließt Geld in nie dagewesener Höhe. Das neue Gesetz zur Durchsetzung der Einwanderungspolitik sieht Mittel in Höhe von 170 Milliarden Dollar vor – allein 3,3 Milliarden davon sollen in die Gerichte fließen. Der Plan: bis zu 800 Richter und entsprechendes Personal. Doch was auf dem Papier nach Ausbau klingt, ist in der Realität ein systematischer Umbau – nach politischen Loyalitätskriterien. Seit Trumps Amtsantritt, so die Gewerkschaft, hätten bereits über 100 Richterinnen und Richter das Amt verlassen – freiwillig oder durch sogenannte „Fork in the Road“-Angebote, bei denen ein geordneter Rückzug nahegelegt wurde. Viele dieser Abgänge seien mit politischen Säuberungen vergleichbar. Die Folge: Die ohnehin chronisch überlasteten Gerichte stehen vor einem Kollaps. Mit über 3,5 Millionen unbearbeiteten Fällen ist der Rückstau historisch. Anhörungen werden teils auf Jahre hinaus terminiert. Betroffene, die sich keinen Anwalt leisten können, müssen sich allein verteidigen – oft mit Dolmetschern, mit unklarem Rechtsstatus und kaum Aussicht auf Gerechtigkeit. Dass ausgerechnet jetzt, mitten in dieser Überlastung, erfahrene Richter entlassen werden, ist mehr als nur ein verwaltungstechnischer Vorgang. Es ist ein Signal – an Richter, die auf Rechtsstaatlichkeit bestehen. An Anwälte, die sich querstellen. Und an die Betroffenen, deren Schicksale nun in den Händen eines Systems liegen, das zunehmend weniger unabhängig, dafür aber umso effizienter gegen sie arbeitet. In den Fluren amerikanischer Einwanderungsgerichte zeigt sich derzeit, was es heißt, wenn Gewaltenteilung zur Kulisse wird. Wenn Urteile gefällt, aber im selben Moment ausgehebelt werden. Und wenn eine Liste von Entlassungen das demokratische Gefüge weit nachhaltiger erschüttert, als es ein einzelner Gesetzesbruch je könnte.

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Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Wie soll das noch aufgehalten werden?
Wie?

Richter werden durch loyale Trumpisten ersetzt, das Gesetz ist dann erst recht nur noch eine Farce.
Denn dann zählt nur noch Trumps Wille.
Unaufhaltsam.
Wahrscheinlich unumkehrbar

Anna-Maria Wetzel
Anna-Maria Wetzel
3 Monate zuvor

 😥 Das ist eine gesetzlose Zeit, hat mit demokratischen Gepflogenheiten nicht mehr zu tun.

Andy71
Andy71
3 Monate zuvor

😡

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