Der Ballsaal der Abhängigkeiten – Wenn Medienkonzerne ihren Präsidenten mitfinanzieren

VonRainer Hofmann

November 3, 2025

Donald Trumps Umbau des Weißen Hauses ist längst mehr als ein Bauprojekt. Es ist ein Spiegel seiner Machtarchitektur – gebaut aus Beton, Eitelkeit und Abhängigkeiten. Der Abriss des East Wing, um Platz für einen privaten Ballsaal zu schaffen, wäre kaum erwähnenswert, wenn nicht ein ganzer Kreis aus Amerikas mächtigsten Unternehmen und Milliardären hinter den Spenden stünde. Auf der offiziellen Liste der Geldgeber finden sich Namen, die das Fundament der US-Wirtschaft bilden – und nun auch das Fundament von Trumps Prestigeprojekt. Amazon, Apple, Google und Microsoft gehören ebenso dazu wie Meta Platforms, HP, Caterpillar, Palantir Technologies, Coinbase, Ripple, Micron Technology, NextEra Energy, T-Mobile, Lockheed Martin, Booz Allen Hamilton, Hard Rock International, Altria Group, Reynolds American und die Comcast Corporation, also der Mutterkonzern von NBC und MSNBC. Hinzu kommen Eisenbahnriesen wie Union Pacific Railroad, Energie- und Tabaklobbys, Tech- und Datenkonzerne – ein Querschnitt jener Machtelite, die seit Jahrzehnten politische Entscheidungen beeinflusst.

Doch die Liste endet nicht bei den Konzernen. Auch die Familien und Einzelpersonen, die das Projekt mitfinanzieren, lesen sich wie ein Kapitel aus dem Handbuch amerikanischer Einflussnahme: die Adelson Family Foundation, die Betty Wold Johnson Foundation, die Laura & Isaac Perlmutter Foundation, die Lutnick Family, Charles und Marissa Cascarilla, Edward und Shari Glazer, der Ölunternehmer Harold Hamm, der Fleischmagnat Benjamin Leon Jr., der Investor Stefan E. Brodie, Hedgefonds-Größe Stephen A. Schwarzmann, die Politikerin Kelly Loeffler und ihr Ehemann Jeff Sprecher, Paolo Tiramani, Konstantin Sokolov sowie die Krypto-Brüder Cameron und Tyler Winklevoss. Selbst J. Pepe und Emilia Fanjul, bekannt aus den Zuckerimperien Floridas, sind unter den Spendern.

Die Frage ist nicht, warum Trump ihr Geld annimmt – sondern warum sie es geben. Comcast wollte sich dazu nicht äußern, Amazon schwieg, Google bestätigte indirekt eine Spende von 22 Millionen Dollar in einem Gerichtsdokument. MSNBC-Moderatorin Stephanie Ruhle sagte, kein Unternehmen schreibe Schecks „aus purer Nächstenliebe“. Rachel Maddow warnte, solche Zahlungen seien ein Angriff auf den öffentlichen Anstand: „Wer einem autoritären Präsidenten hilft, sich selbst ein Denkmal zu errichten, gefährdet die Demokratie – nicht symbolisch, sondern real.“ NBC News bemühte sich um Distanz, berichtete sachlich über den Abriss, erwähnte den eigenen Konzern im Nebensatz. Doch das Dilemma war sichtbar: Reporter berichten über ein Projekt, das ihre Eigentümer mitfinanzieren. Chuck Todd nannte es ein Glaubwürdigkeitsproblem – nicht, weil er Manipulation vermutete, sondern weil schon der Anschein von Abhängigkeit Vertrauen zerstöre.

Die Washington Post, im Besitz von Jeff Bezos, verteidigte Trumps Projekt in einem Leitartikel, der „starke Führer“ lobte, die „keine Erstarrung dulden“. Erst nach öffentlicher Kritik fügte die Redaktion einen Hinweis hinzu, dass Bezos selbst auf der Spenderliste steht – ein nachträgliches Schuldeingeständnis, das nichts mehr reparieren konnte. Karoline Leavitt, Trumps Pressesprecherin, lobte den Artikel auf Truth Social als „die erste vernünftige Stimme aus der Mainstream-Presse“. Dasselbe Blatt, das einst vor der Aushöhlung demokratischer Normen warnte, war plötzlich Kronzeuge einer Architektur der Eitelkeit. Und während die Kameras die Ruine des East Wing filmten, wuchs im Hintergrund ein Netzwerk der Interessen: Google, das nach jahrelangen Anhörungen über Marktmacht und Datenschutz auf politische Gunst angewiesen ist; Comcast, das neue Fusionen plant; Lockheed Martin, das von Trumps Rüstungsetats profitiert; NextEra Energy, das staatliche Förderungen will; Palantir, das Regierungsaufträge sucht; und Meta, das im neuen Medienumfeld überleben muss. Es sind dieselben Akteure, die die öffentliche Meinung prägen, die Regulierung beeinflussen – und nun ganz buchstäblich an den Wänden der Macht mitbauen.

Der neue Ballsaal wird bald fertig sein. Marmor, Kristall, vergoldete Türen. Vielleicht wird dort eines Tages ein Empfang für jene stattfinden, die ihn ermöglicht haben – Apple neben Lockheed, Comcast neben Google, Bezos unter den Kronleuchtern. Der Präsident wird sich feiern lassen, die Kameras werden laufen, und in irgendeiner Ecke wird ein kleines Schild hängen: Spenden ermöglicht durch Amerikas erfolgreichste Unternehmen. Dann wird die Grenze zwischen Journalismus, Macht und Geld nicht mehr verschwimmen. Sie wird Teil der Architektur sein, die nach Korruption nur so bettelt.

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Dagmar Schatz
Dagmar Schatz
10 Stunden zuvor

Wenn jedes Unternehmen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich spendet – kommen da nicht deutlich mehr als 350 Millionen zustande?

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