Das vergessene Protokoll – Wie James Comey schon 2016 wusste, was Amerika bis heute leugnet

VonRainer Hofmann

November 4, 2025

Washington – Es ist ein unscheinbares Blatt Papier, kaum mehr als ein paar Zeilen, hastig notiert, fast beiläufig. Doch in diesen Zeilen steckt eine politische Detonation. Das Justizministerium der Vereinigten Staaten kam nicht mehr daran vorbei, eine handschriftliche Notiz des damaligen FBI-Direktors James Comey zu veröffentlichen, datiert auf den 26. September 2016 – sechs Wochen vor der Wahl, die Donald Trump ins Weiße Haus brachte. Das Dokument, jetzt als „Government Exhibit 13“ in einem laufenden Verfahren am 3. November 2025 eingereicht, zeigt, dass die US-Behörden schon damals Hinweise auf zwei explosive Tatsachen hatten: mögliche finanzielle Verbindungen Trumps nach Moskau – und koordinierte russische Angriffe auf amerikanische Wählerdatenbanken.

JB – Wir haben CID (vermutlich die Abteilung für Gegenspionage)
– Unsicherheit bei Hillary Clinton
– Auftragnehmer haben Zugang zum System
– Hillary Clinton plant, Trump anzugreifen
– Clintons Gesundheit

Kerry – Trump-Finanzen
– Schulden in Moskau

JB – Journalist(en) sagen, sie arbeiten mit Trump
Ich erwähnte die New York Times – Russland

Durbin – Das Justizministerium soll ein Muster bei den Eindringversuchen und Scans in staatliche Wählerdatenbanken untersuchen

Comey schrieb mit Kugelschreiber, was heute wie ein Schattenriss der Wahrheit wirkt. Darin steht: „Kerry – Trump-Finanzen – Schulden in Moskau.“ John Kerry, damals Außenminister, soll das Thema angesprochen haben: Trumps Finanzen, seine möglichen Verpflichtungen in Russland. In denselben Notizen vermerkt Comey außerdem, dass das Justizministerium aufgefordert wurde, „ein Muster bei den Eindringversuchen und Scans in staatliche Wählerdatenbanken“ zu untersuchen. In derselben Sitzung, so geht aus der Aufzeichnung hervor, war auch von „Journalisten, die mit Trump zusammenarbeiten“ die Rede – mit direkter Erwähnung der New York Times und Russland.

Diese Worte stehen nun schwarz auf weiß im Archiv der Regierung – und sie belegen, dass die Führung des FBI im Herbst 2016 längst wusste, dass sich eine ausländische Macht in die amerikanische Demokratie einmischt. Die Notiz stammt aus einer Phase, in der das FBI noch offiziell zwei Ermittlungen führte: eine gegen Hillary Clinton wegen ihrer privaten E-Mails, die andere verdeckt gegen russische Einflussoperationen.

James Comey

Der Satz über „Trumps Finanzen – Schulden in Moskau“ ist eine Zeitbombe, die neun Jahre lang im Dunkel lag. Wenn sich bestätigt, dass das FBI bereits 2016 über Hinweise auf russische Geldflüsse an Trump oder seine Unternehmen verfügte, wäre das eine der schwersten Enthüllungen seit Beginn der Russlandaffäre – und ein Schlag gegen die Legende, die Trump seither aufgebaut hat: dass alles eine „Hexenjagd“ gewesen sei.

Ebenso brisant ist der Abschnitt über die Wählerdatenbanken. Schon im Sommer 2016 hatten IT-Sicherheitsbehörden verdächtige Zugriffe auf die Server mehrerer Bundesstaaten festgestellt. Offiziell hieß es später, die Bedrohung sei begrenzt gewesen. Doch Comeys Notiz belegt, dass das FBI damals längst von einem systematischen Muster sprach. Senator Dick Durbin, dessen Name in der Notiz auftaucht, forderte schon damals eine Untersuchung dieser Angriffe – und wurde abgewiesen. Dass die Notiz außerdem Clintons Gesundheitszustand und ihre geplante Strategie gegen Trump erwähnt, zeigt, wie eng Politik und Sicherheitslage miteinander verknüpft waren. Während die Welt über Clintons Husten spekulierte, verzeichnete das FBI Angriffe auf demokratische Institutionen – und Informationen über Trumps mögliche Schulden in Moskau.

Juli 1987, Moskau, UdSSR – Trump, 41 Jahre alt, fliegt auf Einladung des sowjetischen Botschafters in den USA, Juri Dubinin, nach Moskau

Seit Jahren war James Comey Trumps persönliches Feindbild – der Mann, der ihn 2017 ins Zentrum der Russlandaffäre rückte, der sich weigerte, Loyalität zu schwören, und schließlich in einem Akt offener Verachtung gefeuert wurde. Acht Jahre später, am 25. September 2025, kam die Retourkutsche: Eine Grand Jury im Eastern District of Virginia erhob Anklage gegen Comey – wegen Falschaussage vor dem Kongress und Behinderung eines Untersuchungsverfahrens. Trump feierte das Ergebnis als späte Gerechtigkeit, sprach von der „Wiederherstellung des Rechtsstaats“ und von „Rache an den Verrätern“. Doch hinter der juristischen Fassade steckt politische Absicht. Die Vorwürfe gegen Comey stützen sich auf Aussagen aus einer Senatsanhörung von 2020, die nie strafrechtlich relevant gewesen waren und ohne jede Substanz sind. – bis Trumps Justizministerium sie plötzlich wieder ausgrub. Es war weniger ein Verfahren als ein Symbol: Der Präsident wollte den Mann, der ihn einst über Russland befragte, endlich zu einem Angeklagten machen. Seine Verbündeten, darunter Justizministerin Pam Bondi, sprachen offen davon, „alte Rechnungen zu begleichen“. Für Trump war die Anklage gegen Comey kein juristischer Vorgang – sie war ein persönlicher Triumph, die Erfüllung eines Versprechens, das er seit Jahren vor sich hertrug: „Er wird zahlen.“

Neun Jahre später steht Amerika wieder an einem Punkt, an dem sich Geschichte wiederholt: ein Präsident im Weißen Haus, der seine Macht missbraucht, und eine Bürokratie, die zu lange schweigt. Comeys Notiz zeigt, dass der Bruch zwischen Wahrheit und Politik schon damals begann – und dass er nie geheilt wurde. Es ist eine Erinnerung daran, dass Demokratie nicht an einem Tag zerstört wird, sondern in Momenten des Wegsehens. In einem Satz, einer Zeile, einem Meeting, das niemand mehr erinnern will. Und manchmal reicht ein Blatt Papier, um das ganze Schweigen der Macht hörbar zu machen.

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Frank
Frank
49 Minuten zuvor

Seit 2015 gibt es in Twitter viele belastbare Fundstellen über die finanziellen Verbindungen von Trump mit Putin.

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