Washington – Es ist eine dieser Entscheidungen, die in die Geschichte der amerikanischen Gewaltenteilung eingehen werden. John J. McConnell Jr., Oberster Bundesrichter des U.S.-Bezirksgerichts für den Bundesstaat Rhode Island, hat die Trump-Regierung in einer scharf formulierten Verfügung dazu verpflichtet, sämtliche ausstehenden Lebensmittelmarken (SNAP) bis spätestens Freitag vollständig auszuzahlen. Und er machte unmissverständlich klar, dass er im Fall weiterer Missachtung keine Zurückhaltung mehr üben werde. „Wenn die Anordnung nicht befolgt wird, wird das Gericht nicht zögern, die Befolgung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen“, erklärte McConnell.
Die Auseinandersetzung zwischen Justiz und Exekutive entzündete sich an einer Weigerung des Landwirtschaftsministeriums (USDA), die monatlichen Unterstützungsleistungen für Millionen Amerikaner auszuzahlen. Offiziell begründete die Behörde das mit fehlenden Mitteln infolge des Regierungsstillstands. Doch McConnell stellte fest, dass diese Begründung nicht nur unzureichend, sondern rechtswidrig sei. „Die Beklagten haben es versäumt, die praktischen Folgen ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, SNAP nur teilweise zu finanzieren. Sie wussten, dass es dadurch zu erheblichen Verzögerungen bei der Auszahlung kommen würde, und sie haben die Schäden, die den Menschen entstehen, die auf diese Leistungen angewiesen sind, nicht in Betracht gezogen.“
Der Richter erinnerte daran, dass die Regierung gesetzlich verpflichtet sei, die vom Kongress genehmigten Rücklagen zu nutzen, um den Betrieb des Programms aufrechtzuerhalten. „Es besteht kein Zweifel, dass die vom Kongress genehmigten Rücklagen jetzt verwendet werden müssen – gerade wegen des Regierungsstillstands. Tatsächlich hat der Präsident während seiner ersten Amtszeit selbst eine Richtlinie erlassen, in der festgehalten wurde, dass diese Rücklagen genutzt werden dürfen, wenn SNAP-Mittel infolge eines Shutdowns auslaufen.“

Besonders scharf reagierte das Gericht auf einen Post, den Donald Trump am 4. November auf seiner Plattform Truth Social veröffentlicht hatte. Darin schrieb der Präsident: „SNAP-Leistungen, die sich während der katastrophalen Amtszeit des betrügerischen Joe Biden um Milliarden und Abermilliarden (um ein Vielfaches!) erhöht haben, werden erst dann ausgezahlt, wenn die radikal-linken Demokraten die Regierung wieder öffnen – was sie problemlos tun könnten – und nicht vorher!“ Für McConnell war das keine politische Meinungsäußerung, sondern ein Eingeständnis vorsätzlicher Missachtung. „Der Präsident selbst hat in einem öffentlichen Beitrag erklärt, dass SNAP-Zahlungen erst erfolgen werden, wenn der Kongress die Regierung wieder öffnet. Dieses Statement ist ein Eingeständnis der Absicht, der gerichtlichen Anordnung nicht nachzukommen.“ Wörtlich bezeichnete der Richter den Post als „Eingeständnis der Absicht, die gerichtliche Anordnung zu missachten“.
„SNAP sei ein riesiger Betrug. Abschaffen“
Damit war Trumps Äußerung nicht nur beiläufige Randnotiz, sondern Beweisgrundlage für die richterliche Entscheidung. Das Landwirtschaftsministerium wurde unter Androhung von Zwangsmaßnahmen verpflichtet, sämtliche Leistungen bis Freitag vollständig auszuzahlen. McConnell ließ keinen Zweifel daran, dass das Gericht über weitreichende Mittel verfügt, um Gehorsam zu erzwingen.
Adressatin möglicher Sanktionen ist die amtierende Landwirtschaftsministerin Brooke Rollins, die in ihrer Funktion als Beklagte genannt ist. Sollte sie oder ihre Behörde der Verfügung nicht nachkommen, drohen empfindliche Strafen. Nach US-Bundesrecht (§ 401 Title 18 U.S.C. und Rule 70 Federal Rules of Civil Procedure) kann das Gericht täglich steigende Zwangsgelder verhängen, bis die Anordnung vollständig erfüllt ist. McConnell könnte außerdem eine kommissarische Vollstreckung anordnen – etwa durch einen U.S. Marshal oder eine unabhängige Person, die die Auszahlung der Leistungen direkt durchsetzt. In besonders schweren Fällen wäre auch persönliche Haftung oder Beugehaft denkbar, falls eine namentlich genannte Person – etwa Rollins – vorsätzlich gegen die Anordnung verstößt.

Der Richter machte deutlich, dass die Missachtung einer gerichtlichen Verfügung kein politischer Akt, sondern eine offene Verletzung rechtsstaatlicher Ordnung sei. Er sprach von einem „klaren Fall zivilrechtlicher Missachtung“, der bei fortgesetzter Weigerung in ein Verfahren wegen „civil contempt of court“ münden könne – mit allen Konsequenzen. Seine Worte waren ungewöhnlich scharf für einen Bundesrichter: „Ohne SNAP-Finanzierung für den Monat November sind 16 Millionen Kinder unmittelbar vom Hunger bedroht. So etwas darf in den Vereinigten Staaten von Amerika niemals geschehen. In Wahrheit, so ist anzunehmen, hungern SNAP-Empfänger in diesem Moment, während wir hier sitzen.“

Die Entscheidung im Verfahren 1:25-cv-00569-JJM-AEM steht exemplarisch für den zunehmenden Konflikt zwischen den Bundesgerichten und der Trump-Regierung in Fragen der Haushalts- und Sozialpolitik. Das Gericht stellte fest, dass das Vorgehen der Exekutive nicht nur gegen frühere Richtlinien, sondern auch gegen die grundlegende Pflicht verstoße, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden. Für die USA bedeutet das Urteil mehr als eine juristische Korrektur. Es ist eine Mahnung an eine Regierung, die glaubt, sie könne sich über Gerichtsbeschlüsse hinwegsetzen. Und es ist ein Zeichen, dass die Justiz – selbst in Zeiten massiver politischer Polarisierung – bereit ist, das Fundament des Rechtsstaates zu verteidigen. Ob das Landwirtschaftsministerium der Anordnung bis morgen nachkommt, wird zur Bewährungsprobe. Denn diesmal steht nicht nur ein Sozialprogramm auf dem Spiel, sondern die Autorität eines Gerichts, das den Mut hatte, einem Präsidenten die Grenzen des Gesetzes in Erinnerung zu rufen.
Investigativer Journalismus braucht Mut, Haltung und auch Deine Unterstützung.
Stärken bitte auch Sie unseren journalistischen Kampf gegen Rechtspopulismus und Menschenrechtsverstöße. Wir möchten uns nicht über eine Bezahlschranke finanzieren, damit jeder unsere Recherchen lesen kann – unabhängig von Einkommen oder Herkunft. Vielen Dank!

Die Hoffnung stirbt zuletzt.
…das stimmt
Alle wichtigen Medien der demokratischen Welt sollten es auf der Titelseite bringen:
Hungersnot in den USA! Kinder verhungern!
Würde gerne sehen, wie das dem Kotzbrocken schmeckt.
…ja, das könnte uns sehr gefallen 🙂
Na, das sind doch mal wunderbar klare hochrichterliche Worte. Ein bisschen funktioniert die Justiz doch noch. Mögen Taten folgen. Am besten durch Befolgen der richterlichen Entscheidung. Denn das würde bedeuten, dass Bedürftige wieder die ihnen zustehenden Lebensmittel bekommen. Zu erwarten ist das zwar nicht. aber dann erfolgt hoffentlich das angekündigte Durchgreifen in aller Härte. Und es könnte ein Fanal sein, der anderen Gerichten Mut macht, sich dem Irrsinn entgegen zu stellen.
Kompliment für Eure fundierte und gut geschriebene Berichterstattung.
…bis auf dem Supreme und ein paar falsch gelaufene Richter, hassen die Trump