Das Gedächtnis vergisst nicht – und das Internet schon gar nicht – Trump verteidigte Mike Tyson

VonRainer Hofmann

August 10, 2025

Manchmal dauert es Jahrzehnte, bis ein Satz zurückkehrt, um seinen Urheber einzuholen. Donald Trump erlebt diese Woche genau diesen Moment. Ausgerechnet jetzt, da die Debatte über seine Nähe zu Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell wieder aufflammt, ploppt ein Fernsehclip aus dem Jahr 1992 auf – und verbreitet sich im Netz wie ein schlecht gehütetes Staatsgeheimnis. Damals, zu Gast bei Late Night with David Letterman, sprach der damalige Immobilienmogul über den verurteilten Boxweltmeister Mike Tyson. Der war wenige Monate zuvor wegen der Vergewaltigung der 18-jährigen Schönheitskönigin Desiree Washington zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Trump jedoch winkte ab – das sei „zu viel“, ließ er den Gastgeber und Millionen Zuschauer wissen. Mit anderen Worten: Das Gericht, die Geschworenen, das Opfer – alle hätten es wohl übertrieben. Der Subtext war unüberhörbar: Es sei doch Tyson, der hier bedauert werden müsse.

Dass dieser Auftritt nun wieder in den Vordergrund rückt, hat weniger mit nostalgischer TV-Archäologie zu tun als mit einer politischen Gemengelage, die an eine Mischung aus Schmierentheater und griechischer Tragödie erinnert. Trump steht unter massivem Druck: Der Präsident sieht sich mit neuen Spekulationen konfrontiert, er könne seiner alten Bekannten Ghislaine Maxwell – der Frau, die gemeinsam mit Epstein minderjährige Mädchen rekrutiert haben soll – einen präsidialen Rettungsring in Form eines Begnadigungsschreibens zuwerfen. Ironie des Augenblicks: In einem politischen Klima, in dem jeder Halbsatz seziert und jeder Fehltritt sofort in Endlosschleife wiederholt wird, ist es dieser 33 Jahre alte TV-Moment, der das kollektive Gedächtnis befeuert. Die Parallele springt ins Auge – ein mächtiger Mann, der einem anderen mächtigen Mann vorwirft, zu hart für ein Sexualdelikt bestraft worden zu sein, während gleichzeitig Fragen zu seinem eigenen moralischen Koordinatensystem lauter werden.

In den sozialen Medien formt sich aus dem alten Videomaterial und den aktuellen Maxwell-Gerüchten eine unheilvolle Collage. User schneiden Tysons Fall, Epsteins Netzwerk und Trumps öffentliche Äußerungen zusammen – heraus kommt ein Bild, das dem Weißen Haus kaum gefallen dürfte. Es ist die Art von viraler Wahrnehmung, die sich nicht mit ein paar Tweets oder einem Pressestatement wegradieren lässt. Trump selbst hat – zumindest bislang – nicht auf die wiederaufgetauchten Aufnahmen reagiert. Das mag daran liegen, dass in seinem Universum eine Entschuldigung ungefähr so wahrscheinlich ist wie eine Klimakonferenz in Mar-a-Lago. Doch gerade diese Mischung aus Trotz und Geschichtsvergessenheit ist es, die seinen Gegnern den Stoff liefert, aus dem Wahlkampfspots gemacht werden. Und so steht am Ende ein Präsident, der in einer alten Fernsehsendung für ein verurteiltes Sexualdelikt Verständnis zeigte – und sich heute mit Gerüchten über eine mögliche Begnadigung einer mutmaßlichen Mittäterin im wohl bekanntesten Sexhandelsfall der jüngeren US-Geschichte herumschlägt. Das ist kein politischer Zufall, sondern eine bittere Pointe, die sich das Leben nicht besser hätte ausdenken können.

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Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Gut, dass Ihr das ans Licht bringt.

Ein Sexualstraftäter unterstützt den Anderen. Warum wundert mich das jetzt nicht?

Carolina
2 Monate zuvor

Unglaublich und trotzdem sitzt Trump fest im Sattel. Wo sind denn die Demos, die mir Anfangs so viel Mut gemacht haben? Die heben ständig den moralischen Zeigefinger und sind selbst die größten Verbrecher. Trump müsste sich eigentlich selbst abschieben, Kind von Einwanderern und auch noch Straftäter. Was sagt denn eigentlich Melania? Muss sie eigentlich auch Angst vor Abschiebung haben?

Sorry für meine frustriert anmutenden Sätze.

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor
Antwort an  Carolina

Im Zweifel würden Trump und auch Vance wohl ihre Frauen fallen lassen, wie heiße Kartoffeln.
Wenn es Ihnen nutzt.
Sicher vor dem Wahn ist Keiner.
Hat man ja im 3. Reich gesehen…. haben sich einige „angedient“ und dann waren sie doch im Lager.

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