Da kommt ja Freude auf – Polens neuer Präsident und das Erbe der Faust

VonRainer Hofmann

Juni 2, 2025

Von einem Präsidenten darf man Haltung erwarten, Urteilskraft, wenigstens den Anschein von moralischer Integrität. Was aber, wenn stattdessen ein Türsteher einzieht – mit Vorstrafen auf dem Rücken, alten Bekanntschaften in zwielichtigen Kreisen, und dem festen Willen, Europa aus dem Herzen heraus zu blockieren? In Polen hat sich am 1. Juni 2025 genau das zugetragen: Karol Nawrocki, 42 Jahre alt, Ex-Hooligan, Ex-Boxer, Trump-Bewunderer – und ab August Staatsoberhaupt eines EU-Mitgliedstaates.

50,89 Prozent der Stimmen genügten, um den liberalen Herausforderer Rafał Trzaskowski knapp zu schlagen. Seitdem drängt sich nicht nur in Brüssel die Frage auf: Wer ist dieser Mann – und was will er aus Polen machen? Nawrocki ist promovierter Historiker, das immerhin. Seine Karriere begann im Staatsdienst, in der Aufarbeitungskommission für kommunistische und nationalsozialistische Verbrechen. Als Museumsdirektor in Danzig verpasste er der Geschichte einen neuen Rahmen – national, polnisch, wenig europäisch. Er sieht sich als Verteidiger des wahren Erbes Polens – und meint damit: keine EU-Überformung, keine Migration, keine Genderpädagogik. „Polen zuerst, die Polen zuerst!“ rief er auf einer Bühne in Koszalin. Der Sound: Donald Trump, übersetzt in polnische Leidensrhetorik.

Nawrocki will den europäischen Migrationspakt umgehend kündigen, den Green Deal der EU torpedieren und in der Bildungspolitik zurück zu klaren Geschlechterrollen. „Keine Ideologie in unseren Wäldern“, sagte er. Ja, so wortgewaltig kann man in Polen auch dem Klimaschutz widersprechen. Überhaupt sei Brüssel ein Problem, Berlin eine Gefahr – und Deutschland, natürlich, weiterhin in der Schuld der Geschichte. Von Reparationen will Nawrocki nicht lassen. Wenn Donald Tusk sich beim Besuch von Friedrich Merz verneigt habe, dann sei das die „Haltung eines Butlers“. Nawrocki hingegen will ein „stolzes, über tausend Jahre altes Polen“, das nicht auf Paris oder Berlin hört, sondern auf sich selbst – und auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Oder präziser: auf Donald Trump. Der neue Präsident Polens war bereits zu Besuch im Weißen Haus. Die Symbolik war deutlich, die politische Nähe auch. Nawrocki wünscht sich eine enge Zusammenarbeit mit der US-Regierung, lehnt aber gleichzeitig eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine entschieden ab. Ein entsprechendes Abkommen würde er nicht ratifizieren. Auch innenpolitisch bleibt der Kurs konservativ bis reaktionär. Abtreibungen? Allenfalls bei Lebensgefahr oder nach Vergewaltigung. „Ich bin für das Leben, vom Beginn bis zum natürlichen Tod“, sagte Nawrocki. Und wie man mit Leben umgeht, das ihm nicht passt, hat er offenbar früh trainiert: als junger Hooligan von Lechia Danzig, auf Wiesen und in Hinterhöfen.

Im Gespräch mit dem rechtspopulistischen Politiker Sławomir Mentzen schilderte Nawrocki offen, dass er als junger Mann regelmäßig an Hooligan-Kämpfen teilnahm. „Männlicher Nahkampf“, nannte er das. Auch seine Zeit als Türsteher in einem Luxushotel an der Ostsee ist dokumentiert – inklusive des Vorwurfs, Prostituierte an Hotelgäste vermittelt zu haben. Dass er für einen bekannten Rechtsextremen gebürgt haben soll, erscheint da fast als Nebensatz. Die Liste der Skandale ist lang: Da wäre noch die Geschichte um eine Wohnung eines älteren Mannes, deren Übergabe an Nawrocki mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Doch all das hat ihn nicht gestoppt. Im Gegenteil – es scheint sogar Teil seines politischen Mythos zu sein: Der Mann aus dem Milieu, der die Straße kennt, der keiner ist von diesen arroganten Eliten. Dass genau dieser Anti-Elitismus nun das höchste Amt des Landes erreicht hat, ist ein Spiegel der Zeit. Ein Spiegel, in dem man sich nur ungern erkennt.

Derweil überlegt man in Brüssel, was die nächsten fünf Jahre bedeuten: Ein polnisches Veto gegen alles, was europäisch klingt. Ein Bündnis mit Trump, das Europas Einigkeit spaltet. Und ein Präsident, der mit der Faust besser umgehen kann als mit der Verfassung. Willkommen im neuen Polen – da kommt ja Freude auf.

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Thomas Böhm
Thomas Böhm
3 Monate zuvor

Um in Europa handlungsfähig zu bleiben, muss asap das Einstimmigkeitsprinzip fallen.

Katharina Hofmann
Admin
3 Monate zuvor
Reply to  Thomas Böhm

absolut richtig !!!!

ClaraSieger
ClaraSieger
3 Monate zuvor

Bitter. So schlimm. Überall Rückschritte.

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