Chanukka unter Beschuss – Der Anschlag von Bondi Beach und das Versagen der Warnungen

VonRainer Hofmann

Dezember 14, 2025

Es war früher Abend des 14. Dezember 2025, als sich der Strand von Bondi mit Familien füllte. Kinder spielten im Sand, Musik lief, Seifenblasen trieben über die Wiese. Es war die erste Nacht von Chanukka, ein Fest, das für Licht, Gemeinschaft und Freude steht. Gegen 18:45 Uhr zerbrach diese Szenerie innerhalb von Sekunden. Schüsse hallten über den Strand, Menschen schrien, rannten, suchten Schutz. Was folgte, war einer der schwersten antisemitischen Gewalttaten in der Geschichte Australiens.

Nach Angaben der Polizei wurden mindestens 16 Menschen getötet. (Stand 20:30 Uhr MEZ) – Mehr als zwei Dutzend weitere Personen wurden verletzt, darunter zwei Polizisten. Zwei Schützen sollen beteiligt gewesen sein. Einer von ihnen, der 50 jährige Sajid Akram, wurde noch am Tatort getötet, der andere, sein Sohn Naveed Akram, 24, schwer verletzt festgenommen und befindet sich in Gewahrsam. Die Behörden sprechen übereinstimmend von einem terroristischen Angriff, gezielt gegen die jüdische Gemeinschaft gerichtet. Augenzeugen berichten, die Täter seien aus einem kleinen silbernen Wagen ausgestiegen, der nahe einer Fußgängerbrücke am Strand geparkt war. Von dort aus eröffneten sie das Feuer auf die Menschen, die sich zur Chanukka-Feier versammelt hatten. Ein jugendlicher Zeuge sagte später, sie hätten nicht wahllos geschossen, sondern gezielt auf Teilnehmer der Feier. Videos zeigen zwei Männer in dunkler Kleidung, die von erhöhter Position aus schossen. Minutenlang dauerte der Angriff. Für die Menschen am Strand fühlte sich diese Zeit endlos an.

Ebonny Munro war mit ihrem 17 Monate alten Kind dort, zufällig, ohne Teil der Feier zu sein. Als sie die Schüsse hörte, warf sie sich unter einen Metallgrill. Ein fremder Mann suchte dort ebenfalls Schutz. Munro berichtet, sie habe das Klirren der Kugeln gehört, den Geruch von Schießpulver wahrgenommen. Zehn Minuten lang verharrten sie dort. Sie sah mindestens eine Person getroffen zu Boden gehen. Später wurden sie in ein nahegelegenes Rettungsgebäude gebracht, ihre Knie blutig, ihr Kind unverletzt. Andere rannten vom Wasser aus über den Strand, noch tropfnass, panisch, ohne zu wissen, wohin. Finn Foster, ein 18-jähriger Rucksackreisender aus Kanada, hielt die ersten Knalle für Feuerwerk. Dann sah er Menschen über Autos springen, Kinder hinter sich herziehen, Mauern überwinden. Fünfzehn, zwanzig Schüsse, sagte er später. Dann Stille, unterbrochen von Sirenen.

Inmitten dieses Chaos griff ein Mann ein. Auf Aufnahmen ist zu sehen, wie er einen der Angreifer von hinten anspringt, zu Boden bringt und ihm die Waffe entreißt. Der Premierminister von New South Wales, Chris Minns, sagte später, dieser Mann habe mit großer Wahrscheinlichkeit vielen Menschen das Leben gerettet. Es war eine einzelne Tat von Mut in einer Lage, die außer Kontrolle geraten war.

Polizeikommissar Mal Lanyon erklärte am Abend, dass in einem Fahrzeug, das dem getöteten Täter zugeordnet wird, mehrere mutmaßliche selbstgebaute Sprengsätze gefunden worden seien. Entschärfer rückten an. Was genau dort entdeckt wurde, wie weit die Planungen reichten und ob diese Sprengkörper einsatzbereit waren, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Klar ist jedoch: Der Angriff beschränkte sich nicht nur auf Schusswaffen. Die Polizei prüft zudem, ob es einen weiteren Beteiligten gegeben haben könnte. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass die Ermittler von einem komplexeren Tatgeschehen ausgehen. Premierminister Anthony Albanese wandte sich noch am selben Abend an die Nation. Er sprach von einem gezielten Angriff auf jüdische Australier am ersten Tag von Chanukka, einem Tag, der Freude bringen sollte. Ein Angriff auf jüdische Australier sei ein Angriff auf alle Australier. Deutlicher hätte die politische Einordnung kaum ausfallen können. Australiens Sicherheitsbehörden erklärten offiziell, es handele sich um Terror.

Besonders schwer wiegt die Aussage, dass einer der Täter den Behörden bereits bekannt war. Der nationale Geheimdienstchef Mike Burgess sagte, diese Person, der Pakistani Naveed Akram, sei auf dem Radar gewesen, allerdings nicht als unmittelbare Bedrohung. Dieser Satz wirft Fragen auf, die weit über diesen Abend hinausgehen. Einige Journalisten hatten immer wieder vor ihm gewarnt. Wie wurden diese Hinweise bewertet? Und warum reichten sie nicht aus, um ein solches Blutbad zu verhindern? Der Name des zweiten Täters ist noch nicht bestätigt, daher werden wir uns nicht an Spekulationen beteiligen.

Das Chanukka-Fest am Strand war nach Angaben aus der jüdischen Gemeinschaft von der Chabad-Gemeinde in Bondi organisiert worden. Chabad ist eine weltweit aktive jüdische Bewegung, die gerade an Feiertagen offene Veranstaltungen anbietet, um Menschen zusammenzubringen. Unter den Toten ist nach Angaben von Chabad ein Rabbiner der Gemeinde, Eli Schlanger. Die Polizei hat die Namen der übrigen Opfer bislang nicht veröffentlicht.

Der Anschlag trifft eine Gemeinschaft, die seit Monaten unter Druck steht. In Australien hat die Zahl antisemitischer Vorfälle deutlich zugenommen. Synagogen und jüdische Geschäfte wurden angezündet, Gebäude beschmiert, Drohungen ausgesprochen. Jüdische Organisationen warnen seit langem vor einer gefährlichen Entwicklung. Yad Vashem, die israelische Holocaust-Gedenkstätte, erklärte, man habe die Regierungen von Victoria und New South Wales wiederholt auf den starken Anstieg von Judenhass hingewiesen. Nach dem Anschlag hieß es, diese Warnungen seien nicht ausreichend beachtet worden.

Die Polizei hat am Bondi Beach die beiden Attentäter außer Gefecht gesetzt. Der Vater Sajid Akram wurde am Tatort tödlich getroffen, Sein Sohn Naveed Akram bei dem Einsatz schwer verletzt und anschließend festgenommen. Die Polizei erklärte, die Lage sei damit unter Kontrolle gebracht und eine weitere unmittelbare Gefahr für die Öffentlichkeit bestehe nicht mehr.

Australien ist das Land mit dem höchsten Anteil an Holocaust-Überlebenden außerhalb Israels. Diese Geschichte ist Teil der nationalen Identität. Dass ausgerechnet hier, an einem öffentlichen Ort, an einem religiösen Feiertag, ein solches Massaker geschieht, hat das Land erschüttert. Auch international reagierten Sicherheitsbehörden. In New York und London kündigten Polizei und Stadtverwaltungen an, die Präsenz an jüdischen Einrichtungen und Chanukka-Veranstaltungen zu erhöhen. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der die Tat so außergewöhnlich macht. Australien gilt als eines der Länder mit den strengsten Waffengesetzen weltweit. Nach dem Massaker von Port Arthur 1996, bei dem 35 Menschen starben, wurden halbautomatische Waffen weitgehend verboten, ein umfassendes Rückkaufprogramm umgesetzt, Hunderttausende Waffen aus dem Verkehr gezogen. Über Jahre hinweg blieb das Land von Massenschießereien verschont. Dass nun dennoch mindestens 16 Menschen an einem öffentlichen Strand erschossen wurden, verstärkt das Gefühl, dass hier eine neue Qualität von Gewalt erreicht wurde.

Der zweite Attentäter, der 50 jährige Sajid Akram

Viele Fragen sind offen. Welche Motive trieben sie an? Gab es Verbindungen zu extremistischen Netzwerken? Welche Rolle spielten frühere Hinweise besonders zu Naveed Akram der Sicherheitsbehörden? Die Ermittlungen stehen erst am Anfang. Sicher ist nur eines: Dieser Anschlag war kein Zufall, kein ungerichteter Ausbruch von Gewalt. Er traf Menschen, die sichtbar jüdisch waren, an einem Tag, der für Licht und Hoffnung steht.

Bondi Beach, ein Ort, der für Sommer, Freiheit und Unbeschwertheit steht, ist zum Tatort geworden. Für die Überlebenden, die Familien der Opfer und die jüdische Gemeinschaft in Australien wird nichts mehr sein wie zuvor. Und für den Staat bleibt die unbequeme Aufgabe, sich der Frage zu stellen, warum so viele Warnungen ausgesprochen wurden – und warum sie am Ende nicht gereicht haben.

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Ela Gatto
Ela Gatto
18 Stunden zuvor

Danke Rainer, dass Ihr diese furchtbare Tat so sachlich wie möglich darstellt.

Zu viele Falschaussagen, zu viele falsche/unvollständige Nachrichten kursieren.
Zuviel Spekulationen.

Allen Opfern und ihren Familien, sowie Allen Beteiligten kann ich nur viel Kraft wünschen um diese furchtbare Tat zu verarbeiten.

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