Wie sich Konzernmanager wie Höttges an Trumps Illusionen berauschen.
Es ist eine Aussage, die jegliches Verständnis übersteigt. Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, hat öffentlich Donald Trumps Reindustrialisierungspolitik gelobt. Bei der Präsentation der Quartalszahlen am 15. Mai 2025 erklärte er, man müsse anerkennen, dass die USA „strategisch“ vorgingen – mit Fokus auf Energiesicherheit, Datenzentren und der Rückverlagerung industrieller Produktion. Europa, so Höttges, sollte sich daran ein Beispiel nehmen. Was er dabei verschwieg: Die wirtschaftlichen Eckdaten, auf die sich diese Einschätzung stützt, sind unter Trump alles andere als stabil – sie sind alarmierend.
Während demokratische Institutionen in den USA unter Trumps zweiter Amtszeit unter Druck geraten, Migrant:innen ohne rechtliches Gehör abgeschoben und Menschenrechte systematisch verletzt werden, zeigt sich ausgerechnet der Vorstand eines DAX-Konzerns beeindruckt von dem, was international zunehmend als ökonomische Fassade eines autoritären Machtapparats bezeichnet wird. Was kommt als Nächstes? Ein kostenloses Telekom-Handy für jede abgeschobene Person im CECOT-Gefängnis von Nayib Bukele?
Höttges, dessen Unternehmen über T-Mobile USA massiv vom amerikanischen Markt profitiert, ignoriert mit seinen Aussagen nicht nur die realen Marktverhältnisse – er verschließt auch die Augen vor den politischen Folgen jener Politik, die er lobt. Während Hunderttausende aus Venezuela, Haiti oder El Salvador über fragwürdige Schnellverfahren abgeschoben werden – viele von ihnen in Megagefängnisse wie das CECOT nahe San Salvador – spricht Höttges von Wettbewerbsfähigkeit und strategischer Weitsicht. Doch die wirtschaftlichen Fakten erzählen eine andere Geschichte.
Die Industrieproduktion in den USA sank im März 2025 um 0,7 %. Die Wirtschaft schrumpfte im ersten Quartal um –0,3 %. Die Energiepreise sind extrem volatil, und die Arbeitslosigkeit in ländlichen Regionen steigt trotz großspuriger Infrastrukturankündigungen. Die von Trump angekündigten 200 Milliarden Dollar an Investitionen existieren bislang weitgehend nur auf dem Papier – konkrete Vergabepläne fehlen. Gleichzeitig hat das Haushaltsdefizit laut dem Congressional Budget Office die Marke von acht Prozent des BIP überschritten.
Besonders betroffen: die Landwirtschaft. Um ein Massensterben bäuerlicher Betriebe – ausgelöst durch Trumps protektionistische Zollpolitik – zu verhindern, kündigte das Weiße Haus Direktzahlungen in Höhe von 14 Milliarden US-Dollar an. Es ist eine paradoxe Politik: Trumps „America First“ kostet die amerikanische Öffentlichkeit Milliarden, ohne langfristige Stabilität zu schaffen.
Höttges’ Aussagen wirken daher nicht wie eine nüchterne Analyse, sondern wie ein Ausdruck wirtschaftlichen Opportunismus – getragen von einem Konzern, der in den USA stark von behördlichen Genehmigungen und Marktzugängen abhängig ist. Die unter Trumps Justizministerium genehmigte Fusion mit Sprint hat den Einfluss der Deutschen Telekom auf dem US-Markt zementiert – heute mit rund 120 Millionen Kund:innen.
Besonders brisant: Die Deutsche Telekom ist teilweise in Staatsbesitz. Die Bundesregierung hält über die KfW direkt und indirekt etwa 30 Prozent der Anteile. Dass sich der Vorstandsvorsitzende eines solchen Unternehmens öffentlich positiv über eine Regierung äußert, die auf Massendeportationen, autoritäre Erlasse und systematische Entrechtung setzt, wirft grundlegende Fragen auf – nicht nur hinsichtlich wirtschaftlicher Weitsicht, sondern auch in Bezug auf moralische Integrität.
Gleichzeitig bestehen Spannungen zwischen Konzernen wie Walmart und der Trump-Regierung, etwa wegen angekündigter Kürzungen bei Sozialprogrammen und Trumps Forderung, Preissteigerungen infolge neuer Zölle nicht an Kund:innen weiterzugeben. Und – die Eierpreise sind weiterhin hoch.
Es ist dieser gefährliche Mix aus ökonomischer Realitätsverweigerung und politischer Ignoranz, der Manager wie Höttges zu einem Risiko macht – nicht nur für ihr Unternehmen, sondern für das gesamte Verständnis von unternehmerischer Verantwortung in einer Demokratie. Wer in einer Zeit, in der Gerichtsurteile ignoriert, Minderheiten entrechtet und Menschen ohne Anhörung abgeschoben werden, Trump als wirtschaftliches Vorbild bezeichnet, disqualifiziert sich selbst als glaubwürdige Führungspersönlichkeit.
Die Deutsche Telekom ist kein gewöhnliches Unternehmen. Sie steht auch für europäische Werte, für Rechtsstaatlichkeit und soziale Verantwortung. Ein CEO, der sich an der Illusion autoritärer Macht berauscht, wird diesem Anspruch nicht gerecht – er gefährdet ihn.
Was jetzt gebraucht wird, ist keine Imagekorrektur. Was gebraucht wird, ist Haltung. Und Konsequenz. Wer Trump in dieser Lage lobt, erhebt sich nicht über die Debatte – er stellt sich auf die falsche Seite der Geschichte und gehört abgelöst.