Amerika im Würgegriff – Wie Trump gegen Städte, Gegner und ganze Familien marschiert

VonRainer Hofmann

Juni 21, 2025

Washington / Los Angeles / New York – Es ist ein Präsident auf Kollisionskurs. Mit Millionen von Menschen. Mit Verfassungsprinzipien. Mit der Vorstellung, dass der Staat einem nicht die Tür eintritt, wenn man gerade dabei ist, das Abendessen zu servieren. Donald Trump nennt es „Sicherheit“. Seine Gegner nennen es „Entstaatlichung“. Was sich derzeit in den USA abspielt, ist nicht nur eine Eskalation der Migrationspolitik – es ist die gezielte Zerschlagung zivilgesellschaftlicher Rückzugsräume, ein autoritärer Feldzug gegen Städte, Bundesstaaten und Menschen, die nicht in Trumps Weltbild passen. Nachdem die „No Kings“-Proteste am vergangenen Wochenende Millionen Menschen mobilisierten – viele aus Sorge um Migrationspolitik und Gewalt gegen Unschuldige –, reagierte der Präsident nicht mit Dialog, sondern mit Befehl. ICE, die Einwanderungsbehörde, wurde zur Speerspitze einer innenpolitischen Offensive gemacht, deren Härte selbst viele Trump-Wähler zu irritieren beginnt. In Los Angeles kam es zu Tränengas, zu brennenden Autos, zu Blockaden – ausgelöst durch Massenfestnahmen in migrantischen Vierteln. Trump reagierte mit der Entsendung von Nationalgardisten, trotz des Vetos von Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom, den er öffentlich nur noch „Newscum“ nennt.

Was wie ein Kampf um Gesetz und Ordnung verkauft wird, ist in Wahrheit ein Angriff auf demokratische Kontrolle. Trump beruft sich auf Kriegsrechte, spricht von einer „Invasion“, nutzt maskierte Bundesagenten, die Menschen wortlos von Gehwegen zerren. Bauarbeiter, Kellner, Erntehelfer – oft ohne Vorstrafen, ohne Durchsuchungsbefehl, ohne Identifikation der Beamten. An Baustellen herrscht Leere, in Farmregionen Stillstand, ganze Viertel wirken wie ausgestorben. Die Los Angeles Dodgers verweigerten ICE-Agenten zuletzt den Zugang zum Stadion – draußen versammelten sich hunderte Demonstrierende, während drinnen Baseball gespielt wurde. Amerika ist zweigeteilt. Und die Furcht wächst. Auch unter Amtsträgern: New Yorks Finanzchef Brad Lander wurde am 17. Juni verhaftet, als er einen Migranten nach einer Gerichtsanhörung begleitete. Der Vorwurf: „Behinderung einer Festnahme“. Das Video zeigt: Lander wurde von maskierten Beamten niedergerungen. US-Senatoren wie Alex Padilla wurden angegriffen. Der Präsident hat unterdessen eine Gesetzesvorlage eingebracht, die 10.000 neue ICE-Beamte finanzieren soll – samt 5.000 Zollbeamten und 3.000 Grenzschützern. Er spricht offen von „Massenabschiebungen“, vom „Rückbau linker Unrechtszonen“, von „Säuberung unserer Städte“.

Doch seine Sprache reicht inzwischen weit über Migration hinaus. Auf Truth Social attackierte Trump zuletzt Jerome Powell, den Vorsitzenden der US-Notenbank, als „numbskull“ – Dummkopf –, als „einen der zerstörerischsten Menschen in der Regierung“ und als „Trump-Hasser“. Obwohl er Powell selbst nominiert hatte, erwägt er nun öffentlich dessen Entlassung: „Vielleicht, nur vielleicht, werde ich meine Meinung über seine Entlassung doch noch ändern.“ In einer Regierung, die offen mit Verhaftungen gewählter Politiker droht, ist auch die Unabhängigkeit der Geldpolitik nicht mehr sicher. Die ACLU warnt: „Wir erleben eine Militarisierung gegen unsere Gemeinschaften, wie es sie in unserem Leben noch nie gab.“ Und weiter: „Dies ist kein Sicherheitskonzept – es ist die gezielte Demontage demokratischer Kontrolle, mit dem Ziel, Kritiker zu brechen und Widerstand zu eliminieren.“ ICE-Agenten agieren zunehmend ohne Kennzeichnung, Polizeikräfte verlieren das Vertrauen jener, die sie schützen sollen.

Die frühere Polizeileutnantin Diane Goldstein sagt: „Wir verschwinden Menschen – und wir verschwinden sogar amerikanische Staatsbürger. Das ist nicht, was wir tun.“ Und doch – Trump bleibt ungerührt. Er ist kein Präsident mehr, der argumentiert. Er befiehlt. Er droht. Er greift durch. Die Vereinigten Staaten, wie sie jahrzehntelang funktionierten – mit Checks and Balances, mit Unabhängigkeit, mit Bürgerrechten –, scheinen jeden Tag ein Stück weiter unter seine Stiefel zu geraten. Während ganze Nachbarschaften verstummen, während Kinder sich nicht mehr trauen, zur Schule zu gehen, während selbst Baseball-Stadien zum Schauplatz der Polarisierung werden, zieht Trump weiter seine Linie. Und hinterlässt ein Land, das nicht in Auflösung ist – sondern systematisch auf Linie gebracht wird.

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