Amerika im Spiegel seiner eigenen Verzerrung – Wie Trump, Texas und ein politischer Totentanz zur Farce werden

VonRainer Hofmann

August 19, 2025

Es sind Momente, die in ihrer Gleichzeitigkeit fast surreal wirken. In Washington führt Donald Trump europäische Staats- und Regierungschefs durch den Westflügel und zeigt ihnen stolz seine Kappen-Kollektion. „4 MORE YEARS“ steht auf einer der roten Mützen, die er hochhält wie ein Reliquienhändler im eigenen Schrein. Längst ist der Kult um ihn selbst zum Kern seiner Außenpolitik geworden: keine Gespräche über Werte, keine Debatten über Strategien – sondern Merchandise, Selbstverherrlichung und die unübersehbare Botschaft, dass seine politische Existenz über allem steht. Fox News verbreitet das Bild als Triumph, während die Szene in Wahrheit nur eines zeigt: die Verwandlung des höchsten Amtes der Vereinigten Staaten in eine Requisitenkammer persönlicher Eitelkeit.

Parallel dazu feiern die Republikaner in Texas ihre neu gezeichnete Wahlkarte, die Trump auf Truth Social als „ONE BIG, BEAUTIFUL CONGRESSIONAL MAP“ bejubelt. Sie ist das Musterbeispiel des modernen Gerrymandering: demokratische Inseln in Austin, Houston oder Dallas werden wie Restposten zusammengestutzt, während der rote Flickenteppich drumherum so zugeschnitten ist, dass republikanische Mehrheiten zementiert werden. Es ist keine Einladung zum fairen Wettbewerb, sondern eine Kampfansage an die Demokratie selbst – ein Kartographieren des Sieges mit dem Lineal, nicht mit Stimmen. Und Trump steht in der ersten Reihe, dankt Gouverneur Abbott und den Architekten dieser Manipulation mit den Worten: „THANK YOU TEXAS — MAKE AMERICA GREAT AGAIN!“

Doch die Farce wird erst vollständig, wenn man die andere Seite betrachtet. Nur Stunden nachdem Abbott verkündet, Texas werde 146 Milliarden Dollar in den Straßenbau investieren, meldet sich die Pressestelle von Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom zu Wort: „Erinnerung: Das wird von Kaliforniern bezahlt!“ Und die Zahlen sind eindeutig – Texas ist ein „taker state“, das rund 70 Milliarden Dollar mehr vom Bund erhält, als es einzahlt. Kalifornien dagegen ist ein „giver state“, das 80 Milliarden Dollar mehr einzahlt, als es zurückbekommt. Während Abbott also Milliarden als eigene Leistung verkauft, erinnert Newsom daran, dass es Bundesgelder sind, gespeist aus den Kassen derer, die Abbott und Trump sonst als Feinde geißeln. Der texanische Mythos der Selbstgenügsamkeit entlarvt sich so als Schimäre, getragen von der Subvention jener Staaten, die im republikanischen Feindbild als dekadent, links oder schwach gelten.

Die Posts und Worte, die in diesen Tagen zirkulieren, wirken wie Mosaiksteine eines politischen Irrsinns. Hier Trump, der Hüter der Kappen. Dort Abbott, der von Kalifornien finanziert wird, während er den großen Unabhängigen gibt. Dazwischen eine Partei, die Wahlkreise neu zeichnet wie Kriegsbeute und diesen Akt dann als demokratische Notwendigkeit verkauft. Und schließlich die Inszenierung der Macht selbst, eingefangen in Bildern, die mehr über den Zustand Amerikas erzählen als jede noch so nüchterne Statistik: ein Land, das sich in Symbole flüchtet, während die Substanz erodiert.

Am Ende bleibt die bittere Erkenntnis: Was hier zelebriert wird, ist nicht Stärke, sondern die Karikatur von Stärke. Ein Präsident, der die eigene Amtszeit zur Produktlinie macht. Ein Bundesstaat, der sich demokratische Regeln zurechtschneidet. Ein Gouverneur, der Milliarden investiert, die andere bezahlt haben. Und eine Öffentlichkeit, die all das in Echtzeit konsumiert, geteilt über soziale Netzwerke, festgehalten in Screenshots, die wie Chroniken eines demokratischen Zerfalls wirken. Es ist der Totentanz einer Nation, die im eigenen Spiegelbild gefangen ist – und die Gefahr läuft, darin endgültig zu versinken.

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Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Nicht zu vergessen die Executive Order, die Briefwahlen und Wahlautomaten verbietet.
Rainer, ist das rechtlich möglich? Liegt die Hoheit der Wahlen nicht in den Bundesstaaten?

Eine Partei, die weiß, dass sie die nächsten Wahlen verlieren würde, zieht alle Register um an der Macht zu bleiben.
Egal wie.
Das ist Autokratie, Tipps direkt von Putin erhalten hat.
Die Angst vorm eigenen Volk. Die Angst vor Machtverlust.

Eine Partei, die den Rückhalt der Bevölkerung hat, weil ihr Programm dem Volk entspricht, hätte das nicht nötig.

Abott investiert in Straßenbau?
Wie wäre es erstmal in Warnsusteme, Fluthilfen etc.
Groß getönt, dass die Demokraten mit ihrer feigen Flucht verhindert haben, dass über diese Dinge abgestimmt wurde.
Und nun?
Abbott ist der King von Texas, jedenfalls in der gleichen Parallelwelt,in der auch Trump lebt.

Die Midterms, vor einiger Zeit noch ein Zeichen von Hoffnung, verkommen zur Farce.
Wie in jeder Autokratie.
Ich fürchte der Kippunkt ist schon überschritten, als dass da noch etwas „rumgerissen“ werden kann.

Und Trump, ganz in seiner „ich bin der King“ Fantasiewelt, zeigt den Staatschefs dumme kleine Baseballcaps „made in China“, als wenn es eine Sammlung von Van Gogh Gemälden wäre.

Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor
Antwort an  Rainer Hofmann

Danke Rainer für die ausführliche Antwort.

Dann hatte ich das richtig in Erinnerung

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