Manchmal reicht ein Blick auf eine Umfrage, und man fragt sich, ob da nicht im Leben irgendetwas fundamental schiefgelaufen ist. 25 Prozent für die AfD. Ein Viertel der Bevölkerung entscheidet sich also freiwillig für eine Partei, deren Spitzenpersonal Klimaziele ablehnt, internationale Gerichtshöfe verachtet, Kinderbetreuung als linksversifft brandmarkt – und deren mediale Strategie sich zunehmend auf Wehklagen, Verschwörungsnarrative und die Opferrolle stützt. Die Forsa-Sonntagsfrage vom 22. Juli 2025 zeigt CDU/CSU und AfD gleichauf bei 25 Prozent. Die demokratische Mitte zerfasert. Doch das wahre Erschrecken liegt in der Tiefe dieser Zustimmung, nicht in ihrer Höhe.

Ein Viertel der Gesellschaft hält es offenbar nicht für befremdlich, dass eine Bundestagsabgeordnete wie Alice Weidel nach einem technischen Problem im ARD-Sommerinterview von einer „bewussten Falle“ spricht. Dass Bastian Barucker, ein systemkritischer Publizist mit besten Kontakten ins AfD-Milieu, öffentlich raunt, der Chor sei „hineingemischt“ worden, das Echo „absichtlich erzeugt“ – und das alles unter dem Beifall von Beatrix von Storch, die sich nicht zu schade ist, das Ganze als „ARD-Schande“ zu deklarieren. Keine Fakten, keine Beweise, aber ein Gefühl – und das reicht im Milieu der Empörten, um sich einmal mehr als Opfer eines orchestrierten Komplotts zu gerieren. Barucker zitiert in seinem langen, techniktriefenden Post angeblich einen erfahrenen Rundfunkingenieur und konstruiert daraus einen Verschwörungsverdacht, wie man ihn sonst aus Telegram-Gruppen kennt. Begriffe wie „N-1“, „phasiges Klangbild“ und „absichtlich eingeschleiftes Echo“ werden da bemüht, um aus einem simplen Tonproblem eine Sabotageaktion der öffentlich-rechtlichen Medien zu machen. Es wirkt wie ein Lehrstück in instrumentalisierter Medienskepsis – das Ziel: nicht Aufklärung, sondern Bestätigung des eigenen Weltbilds.


Wirklich absurd wird es, wenn dann auch noch der mediale Nachwuchs der Empörungsgesellschaft in Aktion tritt. Julian Adrat, ein AFD-Pfadfinder und Lieblingsgast rechter Formate, hat eine „Strafanzeige wegen Störung einer öffentlichen Rundfunkübertragung“ gestellt – gegen das „Zentrum für politische Schönheit“ und andere Beteiligte, die sich am 20. Juli 2025 beim ARD-Sommerinterview von Alice Weidel zu einem friedlichen Protest vor dem Reichstagsgebäude versammelt hatten. Adrat spricht von Nötigung und einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. In Wahrheit handelt es sich um nichts weiter als eine zivilgesellschaftliche Intervention, die ihren Platz im Grundgesetz hat. Dass ausgerechnet jemand wie Adrat, der sich gerne als Verteidiger der „freien Rede“ inszeniert, nun gegen Protestierende Strafanzeige stellt, wirkt nicht nur widersprüchlich – es ist entlarvend. Es zeigt, dass Meinungsfreiheit in diesen Kreisen offenbar nur dann gilt, wenn sie den eigenen Narrativen dient. Wenn es gegen politische Gegner geht, wird das Strafrecht zur PR-Waffe umfunktioniert. Nicht anders lässt sich erklären, warum die bloße Anwesenheit eines Chors bei einem TV-Interview von dieser Seite als „Störung des Rundfunks“ aufgefasst wird.

Das Lamento der Weidel-Fraktion geht aber noch weiter. Vicky Leandros lädt Alice Weidel von einem Konzert aus – eine private, legitime Entscheidung, wie sie Veranstaltern tagtäglich zusteht – und schon echot es auf X: „Ich bin sowieso kein Fan dieser Musik.“ Und: „Ich habe mich selbst entschieden, nicht hinzugehen.“ Die Strategie ist durchschaubar: Immer erst provozieren, dann die Empörung über die Reaktion skandieren. Der Applaus der eigenen Truppe ist sicher, der Verlust an Glaubwürdigkeit längst eingepreist. Während also Weidel über Mikrofone klagt, Storch sich vor Kameras inszeniert und Adrat mit Paragrafen wedelt, passiert am anderen Ende der Weltgeschichte etwas von weit größerer Tragweite: Der Internationale Gerichtshof in Den Haag erklärt am 23. Juli 2025, dass eine „saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt“ ein Menschenrecht ist. Und dass das 1,5-Grad-Ziel völkerrechtlich verbindlich ist – ein starkes Signal an die Weltgemeinschaft, dass Klimaschutz keine Option, sondern Pflicht ist. Für Maximilian Krah, AfD-Mann im Europaparlament, ist das Anlass zur Fundamentalkritik: „Das Recht wohnt im Staat, nicht außerhalb oder oberhalb des Staates“, schreibt er auf X – und offenbart damit eine autoritäre Grundhaltung, die mit den Prinzipien internationaler Rechtsgemeinschaften unvereinbar ist. Krah stellt den Nationalstaat über universelle Normen. Was für viele ein Fortschritt ist, erscheint ihm als Angriff auf die Souveränität.

Es ist ein Weltbild, das sich zusammenfügt wie ein Puzzle aus Verdacht, Verdrehung und Verweigerung. Eine Realität, in der der Ton eines Interviews wichtiger ist als sein Inhalt, in der Protest gleich Straftat ist, in der internationale Urteile als „Herrschaft von außen“ empfunden werden – und in der 25 Prozent der Bevölkerung sagen: Genau das ist unsere Stimme. Vielleicht ist es an der Zeit, diesen 25 Prozent nicht nur mit Argumenten zu begegnen, sondern mit einer nüchternen Diagnose: Dass hier nicht einfach Frust wählt, sondern Ideologie. Dass das Vertrauen in Recht, Medien und Fakten keine Selbstverständlichkeit mehr ist – sondern umkämpft. Und dass Demokratie eben nicht nur aus Wahlen besteht, sondern aus der Fähigkeit, mit Kritik, Widerspruch und Wirklichkeit umzugehen. Was bleibt, ist das Gefühl, dass wir als Gesellschaft gerade ernsthaft darüber diskutieren müssen, wie 25 Prozent sich so weit von Grundprinzipien eines demokratischen Diskurses entfernt haben – und warum diese Zahl nicht nur stillschweigend akzeptiert, sondern inzwischen sogar salonfähig gemacht wird. Warum sich Adelige wie Gloria von Thurn und Taxis in Talkshows der Neurechten verirren, um später das Publikum zu verlieren. Warum kein Kinderkarneval einen AfD-Wagen haben will – und das aus gutem Grund. Warum ein Sommerinterview zur Tatortbesichtigung wird, bei der nicht über Inhalte, sondern über die Likeschleife gestritten wird, mit einer nüchternen Tatsache: Da ist Hopfen und Malz verloren. Vielleicht sollten wir, statt über Tonprobleme zu rätseln oder Musiker zu beleidigen, lieber mal über die politische und gesellschaftliche Tonlage nachdenken, die dazu führt, dass ein Viertel der Gesellschaft glaubt, der wahre Skandal seien die anderen. Dabei ist es genau umgekehrt, der Skandal sitzt bereits im Bundestag.
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Genau so ist es, man sitzt oft betroffen vor dem Bildschirm, wenn die neuesten Verfehlungen der AfD Abgeordneten kund getan werden. Auf Reaktionen von den Regierungsmitglieder hofft man vergebens. Im Gegenteil, man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass CDU/CSU rechtsaußen mehr Zustimmung empfinden, als bei Kritik von linken Parteien und dass mit der SPD Schlitten gefahren wird. Wie soll man bei solchem Vorgehen Vertrauen empfinden. Auch die Union muss sich für ein Verbotsverfahren gegen die AfD entscheiden.
Ein gefährlicher Trend in Deutschland, wo besonders auch Journalisten gefragt sind.
Ich verstehe auch nicht, wie eine Mehrheit eine rechtsextreme Partei gut finden kann!
Aber eine Bitte, nimm das Wort Pfadfinder raus. Damit tust Du uns Unrecht.
Hi – Nimm das Pfadfinder nicht persönlich und wir haben auch überlegt, ja, nein, ja, nein – es geht um den Widerspruch, daher bitte nicht böse sein – Liebe Grüsse
Es ist das Narrativ unserer Zeit, dass ein persönliche Beleidigung als Meinungsfreiheit daherkommt und ein Fakten Austausch, als Fake News nieder
geschrien wird!
Eine national rechte Partei inszeniert sich
als Demokratisches Spectrum und
verkauft Zündhölzer als „Licht im Dunkeln“ und bietet Löschpapier als Feuerbekämpfung an!
Eigentlich ist die Agentur für Desinformation
leicht durchschaubar, aber es scheint,
dass es genügend Menschen gibt, die
jede Art von „Lanzer“ Romanen für bare
Münze halten!
da hast du recht, aber Desinformation funktioniert, und das ist so gefährlich – mache ich ein Magazin mit Aluhut klingelt die Kasse, machst Du investigativen Journalismus, holla die Waldfee, da musst du dreck fressen können, oder du packst das nicht – und das ist das groteste an der Situation dazu.
25% ich habe wirklich Angst um Deutschland