Der Schatten der Schattenregierung – Tulsi Gabbard und der stille Putsch gegen den Verstand

VonRainer Hofmann

Juli 22, 2025

Man stelle sich Folgendes vor: Eine ehemalige Demokratin, derzeitige Direktorin der nationalen Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten, die sich selbst für Jeanne d’Arc der Aufklärung hält, marschiert in das Justizministerium wie in einen Wildwest-Saloon, wirft einen Aktenordner auf den Tisch und ruft: „Ich habe Beweise für Hochverrat!“. Die Beamten blicken auf, nicken höflich – und bestellen sich einen weiteren Kaffee. Willkommen in der neuen Realität von Washington, D.C., wo politische Dramen mittlerweile auf dem Niveau drittklassiger Netflix-Serien geschrieben werden, aber mit dem Anspruch göttlicher Offenbarung. Tulsi Gabbard, einst Hoffnungsträgerin progressiver Träume, heute Intelligenzchefin unter Donald Trump, hat – so verkündet sie feierlich – den Code des Tiefen Staates geknackt. 100 Seiten Dokumente, klassifiziert, enträtselt, dechiffriert. Der Inhalt? Die Obama-Administration soll, so Gabbard, eine Verschwörung höchsten Verrats orchestriert haben. Brennan, Clapper, Comey – allesamt Schurken eines Shakespeare-Dramas, angeblich mit dem Ziel, Donald Trump zu stürzen, noch bevor er überhaupt den ersten Tweet als Präsident abschickte. Der Vorwurf lautet nicht weniger als: Stiller Staatsstreich. In den USA. Von Geheimdienstchefs. Gegen eine Reality-TV-Figur mit Atomcodes. Dass Gabbard damit nicht nur alle früheren Berichte über russische Einflussnahme in Grund und Boden leugnet, sondern auch sämtliche republikanisch geleiteten Untersuchungsausschüsse, darunter den von Marco Rubio abgesegneten Senatsbericht, ignoriert, scheint sie nicht weiter zu stören. Fakten sind halt auch nur eine Meinung, wenn man erst mal einen offiziellen Dienststempel hat.

Doch wer glaubt, Barack Obama werde unter diesen Anschuldigungen zittern, unterschätzt den Mann gewaltig. Der 44. Präsident der Vereinigten Staaten, belesen, bedächtig, mit jenem Lächeln ausgestattet, das irgendwo zwischen stoischer Erhabenheit und höflichem Spott liegt, hat schon ganz andere Attacken überlebt. Er hat mit birther-Theorien getanzt, wurde von Fox News täglich für Marx und Mohammed gehalten und hat in acht Jahren das getan, was Gabbard bis heute nicht geschafft hat: regiert. Mit Anstand. Die Tragik dieser ganzen Inszenierung liegt nicht einmal in ihrem politischen Gehalt – der ist so dünn wie Instant-Kaffee – sondern in der symbolischen Gewalt, mit der heute Erinnerung und Wahrheit zerlegt werden. Wenn eine Direktorin der nationalen Geheimdienste ernsthaft fordert, Ex-Regierungsbeamte wegen angeblichen Verrats anzuklagen, weil sie eine russische Einmischung erkannt und öffentlich gemacht haben, dann ist das kein Whistleblowing – es ist Revanchepolitik auf niedrigstem Niveau. Man muss kein Fan der CIA sein, um zu erkennen: Was Gabbard hier betreibt, ist keine Aufklärung, sondern Umdeutung. Kein Schutz der Verfassung, sondern Loyalitätspflicht gegenüber einem einzigen Mann – dem Donald von Gottes Gnaden. Und wer sich, wie Jim Himes, noch traut, das offen zu benennen, wird prompt als Feind des Volkes deklariert – pardon, als „Teil der Verschwörung“.

Obama schweigt. Wie immer. Vielleicht, weil er weiß, dass die Geschichte am Ende ohnehin anders urteilt. Vielleicht auch, weil er versteht, dass ein Präsident, der nie mit dem Schaum vorm Mund regierte, sondern mit einem scharfen Verstand und einem leisen Humor, dem pathologischen Spektakel der Jetztzeit nichts entgegensetzen kann – außer Würde. Und so bleibt uns nur, mit einem Seufzen auf das politische Theater zu blicken, das Tulsi Gabbard da aufführt. Eine Frau, die einst mit echten Argumenten glänzte und sich nun auf die Bühne der Mythen stellt, um dort Fiktion als Fakt zu verkaufen. Während hinter ihr die Schatten tanzen – nicht von Obama, sondern von all jenen, die die Wahrheit nur dulden, wenn sie ihnen nützt. Ein Hoch auf die Aufklärung. Und ein stiller Gruß an Barack Obama, der inmitten des Getöses das Einzige bewahrt, was im Sturm zählt: Haltung.

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Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Krasnovka lässt Grüßen.
Der Zeitpunkt kommt nicht von ungefähr, dass Russlandfreundin Gabbard, diese Anschuldigungen in den Raum wirft.

ablenkung von Epstein, Ablenkung, dass Russland sich einen feuchten **** um Trumps 50 Tage Frist schert.abkenkung, dass es kaum Deals zugunsten des Volkes gibt.
Die Liste ist Lang, von den Sachen von denen man ablenken will.

MAGA ist dumm oder gehirnwasht. Oder schlicht Beides.
Trump wird weiter verehrt, dass Jesus und Gott neidisch werden könnten.

MAGA wird das aufnehmen und es wird sich verbreiten, wie ein Lauffeuer.
Es wird überall gepostet werden um demokratische Äußerungen sofort mundtot oder lächerlich zu machen.

Ich halte das für eine brandgefährliche Sache.

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