Ein Angriff mit Ansage – Wie Trump den Sturz von Jerome Powell plant und an den Grenzen der Verfassung scheitert

VonRainer Hofmann

Juli 19, 2025

Es ist der wohl brisanteste Machtkampf im Inneren des amerikanischen Finanzsystems – und einer, der mit jeder Woche an Schärfe gewinnt: Donald Trump, zurück im Weißen Haus, sucht offen nach Wegen, den Vorsitzenden der US-Notenbank Jerome Powell aus dem Amt zu entfernen. Doch was auf den ersten Blick wie ein kalkulierter Schachzug gegen steigende Zinsen und eine angeblich „trumpfeindliche“ Geldpolitik wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als institutionelles Pulverfass. Denn der Versuch, Powell vorzeitig zu entlassen, könnte nicht nur einen juristischen Flächenbrand auslösen – er würde auch das Grundprinzip der Unabhängigkeit der Federal Reserve auf eine Weise infrage stellen, wie es die Vereinigten Staaten noch nie erlebt haben.

Powell selbst hat keinen Zweifel daran gelassen, wie er eine solche Attacke bewerten würde: „Meine Absetzung ist gesetzlich nicht erlaubt“, erklärte er zu Beginn des Jahres – und machte klar, dass er im Amt bleiben werde, selbst wenn Trump den Rauswurf versucht. Die rechtliche Grundlage dafür liegt im Federal Reserve Act von 1935, der die Amtszeit von Fed-Gouverneur:innen auf 14 Jahre festlegt und deren Entlassung durch den Präsidenten nur „aus wichtigem Grund“ – „for cause“ – erlaubt. Dieses Wörtchen, das so vage wie bedeutsam ist, wurde bislang kaum je juristisch ausbuchstabiert. Was zählt als triftiger Grund? Misswirtschaft? Korruption? Oder reicht schon ein unliebsamer Umbau des Notenbanksitzes in Washington? Genau auf diesen Punkt zielt Trump nun ab. Mit gewohnt aggressiver Rhetorik wirft er Powell vor, bei der milliardenschweren Renovierung des Fed-Hauptquartiers möglicherweise „Betrug“ begangen zu haben. Ein Vorwurf, der ebenso substanzlos wie kalkuliert erscheint – aber geeignet sein könnte, juristisch die Tür zu einem „for cause“-Verfahren aufzustoßen. Schon im ersten Kabinett Trump hatte das Weiße Haus heimlich Gutachten einholen lassen, ob man den Notenbankchef vorzeitig entlassen könne. Jetzt scheint man entschlossener denn je, genau das in die Tat umzusetzen. Doch Powell kontert. Er hat den Generalinspekteur der Fed eingeschaltet, eine ausführliche Kostenaufschlüsselung veröffentlicht und jede Art von „VIP-Einrichtungen“ im neuen Gebäude vehement bestritten. Man nehme die Verantwortung für den Umgang mit öffentlichen Geldern sehr ernst, so Powell in einem Brief an Trumps Budgetdirektor – ein Satz wie eine Kampfansage.

Die juristischen Fronten sind dabei alles andere als klar. Zwar ließ der Supreme Court in einem jüngeren Urteil temporär zu, dass Trump zwei Vorstandsmitglieder anderer unabhängiger Behörden entlassen konnte – mit der Begründung, sie hätten exekutive Vollmacht ausgeübt. Doch nur Tage später entschied ein Bezirksgericht in Washington, dass die Absetzung von FTC-Kommissarin Rebecca Slaughter durch Trump illegal war – und verwies dabei auf ein fast 90 Jahre altes Präzedenzurteil: Humphrey’s Executor v. United States. Damals hatte der Supreme Court entschieden, dass der Präsident Mitglieder unabhängiger Regulierungsbehörden nur dann entlassen darf, wenn sie sich als ineffizient, pflichtvergessen oder korrupt erwiesen haben. Die Federal Reserve, so das damalige Verständnis, sei eine solche unabhängige Instanz – und Powell entsprechend geschützt. Trump aber denkt anders. Er will nicht nur die Geldpolitik der Fed verändern, sondern auch deren strukturelle Eigenständigkeit brechen. Und das Ziel ist offensichtlich: niedrigere Zinsen, höhere Kreditverfügbarkeit – und ein Konjunkturschub, der rechtzeitig zur Wahl 2026 die Umfragewerte hebt. Dass die Fed seit Anfang des Jahres vorsichtig agiert, den Leitzins zwischen 4,25 % und 4,50 % belässt und auf neue Wirtschaftsdaten wartet, reicht dem Präsidenten nicht. Er fordert eine Zinssenkung – notfalls durch direkten Druck auf Powell. Öffentlich erklärte er, dessen Entlassung könne „gar nicht schnell genug kommen“, nannte ihn einen „totalen Verlierer“ und ließ durch Wirtschaftsberater Kevin Hassett prüfen, ob man nicht doch rechtlich „einen Weg finde“.

Doch selbst im engsten Kreis glaubt kaum jemand an einen gerichtlichen Sieg. Laut Politico haben externe Jurist:innen dem Weißen Haus nahegelegt, dass ein solcher Schritt mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern würde – zumindest solange keine harten Beweise für Fehlverhalten vorliegen. Ein Berater wird zitiert mit den Worten: „Ob das illegal ist, weiß ich nicht. Aber ob es nützlich ist, um Powell zu beschädigen? Auf jeden Fall.“ Es ist ein Satz, der viel über die politische Strategie dahinter sagt. Nicht der Sturz selbst steht im Mittelpunkt – sondern der mediale Angriff, die systematische Demontage des Ansehens, das Trump so gerne in „Deep State“-Narrative einwebt. Powells Amtszeit endet ohnehin im Mai kommenden Jahres. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass Trump das politische Risiko einer direkten Entlassung nicht mehr eingehen wird. Zu nah ist das Ende der Amtsperiode, zu ungewiss das Ergebnis einer juristischen Auseinandersetzung. Doch die institutionelle Erosion hat längst begonnen. Die Tatsache, dass ein Präsident offen mit der Absetzung eines Notenbankchefs droht – und dabei auf konstruierte Vorwürfe zurückgreift – stellt einen gefährlichen Präzedenzfall dar. Die Unabhängigkeit der Federal Reserve war einmal ein unantastbares Prinzip. Heute ist sie nur noch ein weiterer Schauplatz im amerikanischen Kulturkrieg – ein Spielfeld, auf dem der Präsident bereit ist, alles zu riskieren, nur um zu gewinnen.

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Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Haben Trump und Konsorten in den letzten Monaten je die Grenzen der Verfassung interessiert?

Die Constitution ist nur noch eine Randempfehlung. Aus der Zeit gefallen.
Außer natürlich der 2. Verfassungszusatz, das Recht auf Waffen.

Gesetze, Urteile werden umgesetzt, so lange sie nutzen.
Sonst werden sie ignoriert.

Spätestens im Mai nächsten Jahres wird der Posten mit einem Trumplyalisten oder dem Genius Trum himself (Ironie zum Genius) besetzt.

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