Ein Satz, ein Zorn – Wie Kristi Noem die Angst vor ICE zum Schweigen bringen will

VonRainer Hofmann

Juli 18, 2025

Es war ein Moment, der wie ein Schnitt durch die politische Rhetorik fuhr – kühl, abwehrend, entschieden. „Don’t you dare ever say that again“ – wage es nie wieder, so etwas zu sagen. Mit diesen Worten reagierte Kristi Noem, Trumps Heimatschutzministerin, auf die Frage eines Reporters, dessen Publikum mehrheitlich latino sei und sich, wie er sagte, vor Abschiebungen durch ICE fürchte – weil „viele Menschen allein wegen ihrer Hautfarbe ins Visier geraten sind“. Noems Blick blieb hart, ihr Ton eisig. Was sie lieferte, war keine Antwort – es war ein Tadel. Keine Auseinandersetzung – sondern eine Zurückweisung. In einer anderen Zeit, in einem anderen Land, hätte ein solcher Einwurf vielleicht eine Diskussion ausgelöst. Eine Debatte über strukturelle Benachteiligung, über Racial Profiling, über die Verantwortung von Behörden in einem vielsprachigen, vielhäutigen Amerika. Doch nicht unter Trumps Regentschaft – und schon gar nicht unter einer Ministerin, die ihr Amt als Schutzschild gegen Kritik versteht. Noem, die sich gerne als patriotische Frontfrau eines neuen Nationalgefühls inszeniert, sprach nicht für die Betroffenen. Sie sprach gegen sie – und für eine Regierung, die lieber beruhigt als beleuchtet.

Dabei sind die Zahlen und Berichte klar. Seit Monaten dokumentieren Bürgerrechtsorganisationen, UN-Gremien und investigative Recherchen von Journalisten:innen, dass People of Color – und insbesondere lateinamerikanischstämmige Menschen – überproportional von Abschiebungen, Festnahmen und Kontrollen betroffen sind. Es gibt Aufnahmen, in denen ICE-Beamte Businsassen nur nach dem Aussehen herausgreifen. Es gibt Gerichtsakten, in denen keine Vergehen vorliegen, aber dennoch Familien auseinandergerissen wurden. Und es gibt tausende Stimmen – leise, erschöpfte, erschütterte –, die alle dasselbe erzählen: Dass Hautfarbe in den USA längst wieder ein Haftgrund geworden ist. Noem aber kehrt das um. In ihrer Welt wird nicht das System befragt, sondern der Fragesteller – und mit ihm die gesamte Kritik. Wer auf Rassismus hinweist, wird verdächtig, nicht der Rassismus selbst. Es ist ein Muster, das sich durch viele Bereiche der neuen Regierung zieht: Der Angriff auf die Wirklichkeit. Die Umdeutung der Angst. Die moralische Umkehr, bei der nicht mehr diejenigen gehört werden, die betroffen sind – sondern diejenigen, die sich durch ihre Klagen gestört fühlen.

Was bleibt von Noems Satz, ist nicht nur die Härte, mit der sie ihn sprach. Es ist die Botschaft, die zwischen den Worten liegt: Dass in diesem Amerika nicht mehr gefragt werden darf, ob die Macht gerecht ist. Sondern nur noch, ob sie störungsfrei funktioniert. Und dass jeder Zweifel daran bereits als Beleidigung gilt – nicht für die Opfer, sondern für die Ordnung selbst. Doch ein Satz ist kein Ende. Und eine Abfuhr keine Antwort. Die Angst bleibt – nicht vor ICE allein, sondern vor einer Politik, die ihre Kritiker zum Schweigen bringen will. Und mit jedem Versuch, das Wort zu verbieten, wird das Schweigen lauter.

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Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Was soll man von einer eiskalten Hundemörderin erwarten?

Studien bewegen, dass viele Brandstifter oder Serienkiller als Tierquäler angefangen haben.

Sie ist eine Serientäterin…. mit Dienstausweis und Rückhalt.

Die schlimmsten Psychopaten können sich in Trumps Amerika austoben.

Unabhängig Medien werden mundtot gemacht.
Moderatoren, selbst Late Night Show Ikonen geben auf.

Offensichtlich will keiner mehr (offen) gegen diesen Yrumpstrom schwimmen.
Traurig

Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor
Antwort auf  Rainer Hofmann

Euch und die anderen investigative Reporter bewundere ich wirklich.
So viele Recherchen, soviel Interviews (die nicht ungefährlich sind) um zu zeigen, was wirklich passiert.

Hit ab. Deswegen habe ich Euch heute auch über den Button unterstützt.

Ihr bleibt dran, während die großen Broadcasts und Zeitungen einknicken.

Ich hoffe, dass Ihr in den USA viele Menschen erreicht und sie aus der MAGA Sekte befreit.
Auf dem Land ohne Internet wird das schwierig.
Deswegen schränkt Yrump den Zugang dort massiv ein.
So bleibt seine Stammwählerschaft uninformiert Und trottet ihm brav hinterher.

Aber South Carolina…. da kann man sich informieren.
Will man aber offensichtlich nicht.
Ich glaube viele Träumen da noch von „Südstaatenromantik mit Sklavenhaltung“.

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