„Sie finden, was kein Mensch sieht“ – Die stillen Held:innen auf vier Pfoten im Flutgebiet von Texas

VonRainer Hofmann

Juli 17, 2025

Sie gehen dorthin, wo kein Mensch gehen kann. Sie riechen, was kein Scanner erkennt. Und sie arbeiten, wenn der Körper längst versagt hat. In den Tagen nach den verheerenden Fluten vom 4. und 5. Juli in Zentraltexas, als der Guadalupe River über die Ufer trat und mehr als hundert Menschen als vermisst galten, rückten sie leise in den Mittelpunkt der Rettungsbemühungen: die Rettungshunde. Noch während die Hubschrauber über Kerr County kreisten, während Freiwillige Schlamm schippten und Boote in überfluteten Straßenzügen dümpelten, begann für die tierischen Suchkräfte ein Einsatz, der an die Grenzen des Vorstellbaren ging. Unermüdlich, hochkonzentriert, trainiert auf das Unwahrscheinliche – arbeiteten sie sich durch Trümmer, Hanglagen und Flussufer. Immer auf der Suche nach einem Atemzug, einem Herzschlag, einem letzten menschlichen Geruch. „Sie sind furchtlos. Sie sehen das, was wir nicht mehr sehen. Und sie gehen dorthin, wo wir sagen würden: ‚Das kann kein Hund schaffen‘ – und sie sagen: ‚Doch. Ich muss da hin.‘“ – Dr. Deb Zoran, Texas A&M Veterinary Emergency Team. Bereits am Nachmittag des 4. Juli wurde das Texas A&M Veterinary Emergency Team durch die staatliche Einsatzleitung aktiviert. Noch am selben Tag traf es in Kerr County ein – ausgestattet mit mobilen Veterinärstationen, um den Suchhunden medizinisch zu helfen. Es ging um mehr als nur Versorgung: Es ging darum, ihre Einsatzfähigkeit zu erhalten. Blutig gelaufene Pfoten, Dehydrierung, Hitzestress – unter den Bedingungen eines überfluteten Katastrophengebiets sind das keine Randnotizen, sondern existenzielle Herausforderungen.

Die eingesetzten Hunde liefen bis zu 15 Meilen täglich entlang des zersetzten Flussbetts. Sie suchten in umgestürzten Häusern, an aufgerissenen Uferzonen, zwischen Autowracks und Baumtrümmern. Viele von ihnen gehörten zu den K‑9-Einheiten von Ohio Task Force 1, Minnesota Task Force One, Arizona, Tennessee, Virginia Beach, Nevada – und auch aus der Ferne kam Hilfe „Hier ist eine gute Nachricht zum Wochenbeginn: Die K‑9-Einheit der Feuerwehr von Los Angeles County ist nach Texas geflogen, um die Such- und Bergungsarbeiten nach der Flut vom 4. Juli zu unterstützen. Lernen Sie Clifford kennen – einen dieser Rettungshunde.“ Clifford, ein ausgebildeter Rettungshund der Feuerwehr von Los Angeles County, wurde gemeinsam mit seinem Team über 2.000 Kilometer nach Texas entsandt – zur Unterstützung eines Suchgebiets, das größer war als manche Bundesstaaten. Und sie kamen nicht allein. Selbst aus Rhode Island reiste ein pensionierter State Trooper mit seinem K‑9-Partner an, um zu helfen. Das ehemalige Polizeiteam – längst aus dem aktiven Dienst – meldete sich freiwillig zurück in die Katastrophe, weil Erfahrung zählt, wenn Minuten über Leben und Tod entscheiden. „In solchen Flutkatastrophen“, sagt Dr. Zoran, „gibt es irgendwann keine technischen Lösungen mehr. Da braucht es das, was man nicht bauen kann: eine feine Nase und einen treuen Blick.“

Nach über 50 Stunden im Einsatz – Nur noch schlafen
Pensionierter State Trooper aus Rhode Island und sein K‑9-Partner sind nach Texas angereist, um bei den Fluthilfemaßnahmen zu helfen.

Gerade in einem Flusssystem wie dem Guadalupe River, wo ganze Häuser von den Wassermassen mitgerissen wurden, wo Menschen in Fahrzeugen, Kellern oder Felsspalten verschwanden, stießen technische Geräte an ihre Grenzen. Wärmebildkameras? Funktionieren nicht im Schlamm. Drohnen? Zu unpräzise bei dichter Vegetation. GPS-Ortung? Unbrauchbar bei Verschüttung. Und so blieb es an den Hunden – den belgischen Schäferhunden, den Labradoren, den Border Collies – ihre Welt aus Gerüchen zu kartieren. Einige von ihnen arbeiteten mehr als 56 Stunden am Stück, mit kurzen Ruhephasen, um insgesamt Dutzende Überlebende zu orten. Ein Hund wurde nach seinem dritten Tag auf den Knien von Einsatzkräften liebevoll zugedeckt – die Aufnahme, wie er erschöpft auf einem Betonstück einschlief, ging um die Welt. Es war kein Bild von Pathos, sondern eines von Demut. Der Anblick eines Wesens, das gegeben hat, was es zu geben hatte. „Die Hunde finden, was Menschen nicht mehr sehen. Weil die Vermissten nicht irgendwo sind – sie sind in Autos, unter Schutt, in Häusern, die weggespült wurden. Sie sind verloren in Dingen, die wir nicht mehr greifen können.“ – Dr. Deb Zoran. Dass in diesem Einsatz auch für die Hunde mitgedacht wurde, ist keine Selbstverständlichkeit. Mit einer Finanzierung von fünf Millionen Dollar wurde das Veterinärteam von Texas A&M in die Lage versetzt, den Hunden unterwegs Ruhepunkte, Flüssigkeit, Erstversorgung und sogar Klimazonen zu ermöglichen. Mobile Stationen wurden entlang des Flusses verteilt – damit kein Hund mehr als fünf Meilen bis zur nächsten Versorgungsstelle braucht. „Es gibt viele Hubschrauber und Drohnen und Menschen, die herumlaufen … aber irgendwann, bei solchen Flutkatastrophen, kommt alles auf die Hundenase an.“ – Dr. Zoran. Was bleibt, sind nicht nur Zahlen, nicht nur Suchraster und Koordinaten. Was bleibt, ist das Wissen, dass in den dunkelsten Stunden nicht nur Menschen nach Menschen suchen – sondern auch Tiere, die nichts dafür erwarten, außer ein Wort, einen Blick, ein kurzes „Gut gemacht“. Und was bleibt, ist vielleicht auch ein neuer Blick auf das, was Heldentum im 21. Jahrhundert bedeutet. Nicht laut. Nicht dekoriert. Sondern vierbeinig, entschlossen – und still. So wie Clifford, einer der besten Rettungshunde Kaliforniens. Oder der Veteran aus Rhode Island. Oder all die anderen, deren Namen niemand kennt – aber deren Spuren Leben retten.

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Helga
Helga
3 Monate zuvor

Sie leisten großartiges in großen Krisen 

Thomas Schiller
Thomas Schiller
3 Monate zuvor

Toller Bericht Rainer 👍❤️

Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Diese Hunde und ihr menschliches Team leisten unmenschliches um doch noch Leben zu retten. Oder zumindest den Angehörigen die trauriges Gewissheit zu bringen.

Danke Rainer, dass Du diese Gelden in den Fokus gerückt hast.

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