Die Meinung kippt – Wie Amerika unter Trump wieder zum Einwanderungsland wird und der Rückhalt von Trump am zerbrechen ist

VonRainer Hofmann

Juli 11, 2025

Es ist eine Wendung, die viele überrascht – und die vielleicht sogar Donald Trump selbst nicht kommen sah. Nur wenige Monate nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus, während seine Regierung Abschiebungen in historischem Ausmaß anstrebt, kippt die öffentliche Meinung in eine ganz andere Richtung: Immer mehr Amerikanerinnen und Amerikaner sehen Migration wieder als etwas Gutes. Und das, obwohl – oder gerade weil – Trumps Politik das Gegenteil bezweckt. Laut aktuellen Umfragen, z.B. Gallup, sagen inzwischen 79 Prozent der US-Bürgerinnen und -Bürger, dass Einwanderung eine „gute Sache“ für das Land sei – der höchste Wert seit Beginn der Erhebung vor fast 25 Jahren. Vor einem Jahr lag dieser Anteil noch bei 64 Prozent. Der Anteil derer, die Einwanderung für „schlecht“ halten, ist hingegen deutlich gesunken – von 32 auf nunmehr nur noch 20 Prozent. Und das Erstaunlichste: Selbst unter Republikanern hat sich die Sichtweise grundlegend gewandelt. So stimmen mittlerweile zwei Drittel der Republikaner der Aussage zu, dass Einwanderung gut für das Land sei – ein drastischer Anstieg gegenüber 39 Prozent im Vorjahr. Auch unter unabhängigen Wähler:innen ist die Zustimmung auf 80 Prozent gestiegen. Demokraten, deren Haltung zur Migration seit Jahren konstant positiv ist, lagen ohnehin bereits weit oben. Damit bröckelt ausgerechnet jenes ideologische Fundament, auf dem Trump seine härteste Agenda errichten wollte: Massenabschiebungen, Bürgerrechtsentzug, Ende des Geburtsortsprinzips.

Und doch: Während in Washington eine „Deportationsmaschinerie“ anläuft – ICE-Teams, neue Gefängnisse wie das berüchtigte „Alligator Alcatraz“ in den Everglades, legislative Vorstöße zur Einschränkung von Sozialleistungen – kehrt sich die gesellschaftliche Stimmung langsam, aber spürbar um. Die Zahl jener, die eine Reduzierung der Zuwanderung fordern, ist deutlich zurückgegangen: Von 55 Prozent im vergangenen Jahr auf jetzt nur noch 30 Prozent. Stattdessen wünschen sich drei von zehn Amerikanern, dass die aktuellen Einwanderungszahlen beibehalten werden. Ein Viertel davon möchte sogar, dass sie steigen. Dabei war es genau die Anti-Migrationsrhetorik, die Trump im Wahlkampf 2024 zurück ins Amt gebracht hatte. Damals forderten 88 Prozent der Republikaner eine Verringerung der Zuwanderung – heute sind es nur noch knapp 48 Prozent. Fast ebenso viele sagen inzwischen: Es soll bleiben wie es ist. Der apokalyptische Ton der MAGA-Rhetorik scheint in Teilen der eigenen Basis auf taube Ohren zu stoßen – oder sogar das Gegenteil zu bewirken. Wer zu viel Angst sät, erntet irgendwann Gewöhnung. Gleichzeitig wächst die Unterstützung für langfristige Lösungen – etwa für Menschen ohne Papiere, die seit Jahren in den USA leben. Rund 90 Prozent der Befragten befürworten eine Möglichkeit zur Staatsbürgerschaft für sogenannte Dreamers – also Menschen, die als Kinder illegal in die USA gebracht wurden. Fast ebenso viele sprechen sich dafür aus, generell allen Migrant:innen ohne legalen Status eine Einbürgerung zu ermöglichen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Und selbst unter Republikanern steigt diese Zustimmung: 60 Prozent befürworten mittlerweile eine „pathway to citizenship“, im Vorjahr waren es erst 46. Ein Zeichen, dass trotz der martialischen Bilder – wie Trumps Besuch in Ochopee, Florida, wo er am 1. Juli das neue Gefangenenlager persönlich eröffnete – das Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Humanität keineswegs aus den Köpfen verschwunden ist.

Das heißt nicht, dass Trumps Agenda keinen Rückhalt mehr hätte. Noch immer sprechen sich drei von zehn Amerikanern für Abschiebungen aus – aber auch dieser Wert ist rückläufig. Die Vorstellung, dass Hunderttausende Familien, Arbeitnehmer:innen und Kinder ohne Rücksicht abgeschoben werden, stößt zunehmend auf Widerstand. Selbst jene, die sich für Ordnung und Kontrolle aussprechen, scheinen ein feineres Gespür für Verhältnismäßigkeit zu entwickeln. Es ist eine paradoxe Entwicklung: Je härter Trump durchgreift, desto weicher wird der Blick vieler Menschen auf diejenigen, die es trifft. Vielleicht liegt es an den Bildern – an der verhafteten Mutter vor ihren Kindern in Pasadena, an den Rosenkränzen der Ordensschwestern in San Antonio, an den Kerzenlichtern der stillen Mahnwachen. Vielleicht liegt es aber auch an etwas Tieferem: an der Erkenntnis, dass die Stärke einer Nation sich nicht an Mauern und Zäunen misst, sondern an ihrem Mitgefühl. Trump kann Erlasse unterschreiben, Gesetze vorschlagen, Zäune bauen. Aber er kann nicht kontrollieren, was Menschen fühlen – und was sie im Stillen zu denken beginnen. Viele Befragte erklärten, ihr Sinneswandel sei maßgeblich durch die schonungslosen Recherchen investigativer Journalistinnen und Journalisten sowie durch Berichte von Menschenrechtsorganisationen ausgelöst worden – jene Berichte, die ohne rhetorische Schonung das Innenleben der Deportationsmaschinerie offenlegten. Auch der juristische Widerstand, den zahlreiche Richterinnen und Richter im ganzen Land gegen fragwürdige Maßnahmen der Trump-Regierung leisteten, wurde zunehmend wahrgenommen und gewürdigt. Überraschend war hingegen die Einschätzung vieler Teilnehmer:innen der Umfrage, dass soziale Netzwerke – trotz ihrer Reichweite – kaum Einfluss auf die Meinungsbildung hatten. Plattformen wie X (ehemals Twitter), Facebook oder TikTok wurden zwar als Orte der Diskussion genannt, aber nur selten als Quelle tiefergehender Information. Viele empfanden sie vielmehr als überfrachtet mit Propaganda, Ablenkung und Empörungsroutine – während fundierte Beiträge oftmals untergingen. Das eigentliche Umdenken, so der Tenor, begann dort, wo Worte nicht bloß geteilt, sondern gewogen wurden. Die neuen Umfragen sind deshalb mehr als eine Momentaufnahme. Sie ist ein Hinweis darauf, dass Amerika vielleicht doch noch nicht vergessen hat, was es einmal war: Ein Land aus Hoffnung. Ein Land der Zuwanderung. Und vielleicht, irgendwann wieder, ein Land des Willkommens.

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Frank
Frank
3 Monate zuvor

na dann, schön wär´s ja, die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ela Gatto
Ela Gatto
3 Monate zuvor

Ein Funke Hoffnung.

Aber kann sich das noch gegen die ausgehölte Demokratie, den Polizeistaat, den vielen willfähigen Helfern und vor allem gegen die Heritage Foundation mit Project 2025 durchsetzen?

Oder wird der kleine Funken ausgelöscht, wo auch immer er erglimmt?

Oliver Schütz
Oliver Schütz
3 Monate zuvor

Ich denke schon das Menschenrechtsverbindungen, Gerichte und die in diesem Sektor orientierten Journalisten ihre Spuren hinterlassen haben und gut das es die gibt. Von heute auf gleich wird das natürlich nicht passieren, aber meinen Respekt vor denen, die es an der Front bekämpfen, da ich nicht mit denen tauschen möchte. Auch euch ein großes danke für tolle Arbeit und Berichten, die beitragen Unrecht zu bekämpfen.

Esther
Esther
3 Monate zuvor

Bravo! Hoffen wir das Beste…..

Esther Portmann
Esther Portmann
3 Monate zuvor

Ein herzlicher Dank geht an euch. Ihr seid es die unermüdlich weitermacht ohne dem Mut zu verlieren.

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