Die Unwählbare – Wie die CDU plötzlich das Grundgesetz schützen will

VonRainer Hofmann

Juli 11, 2025

Es war einmal ein Bundestag, der sich seiner Würde besann. Und weil die Republik auf wackligen Füßen stand, beschloss man dort, Verfassungsrichter zu wählen – jene stillen Hüter der Ordnung, die dem Lärm der Straße mit Paragrafen begegnen. Doch kaum hatte man die Kandidaten benannt, da geschah das Unaussprechliche: Die CDU erinnerte sich an ihre Prinzipien. Man schrieb den 11. Juli 2025, und plötzlich war Frauke Brosius-Gersdorf nicht mehr Professorin für Verfassungsrecht, sondern eine Gefahr für das Abendland. Ihre Haltung zur Impfpflicht? Verstörend. Ihre Gedanken zu Abtreibungen? Unerhört. Ihre Nähe zur SPD? Unverzeihlich. Und als wäre das nicht genug, tauchte auch noch Stefan Weber aus den Schatten der Alpen auf – der literarische Trüffelhund der Copy-Paste-Welt – und warf mit einem Softwarebericht. Zwar ließ sich das Plagiat nicht bestätigen, aber in der Union war das längst zweitrangig: Der Verdacht war da, und Verdacht genügt – zumal, wenn er nützlich ist.

Friedrich Merz, der nicht nur das Kanzleramt innehat, sondern auch das Monopol auf gekränkte Miene, sprach von einer „verantwortungsvollen Verschiebung“. Jens Spahn, der sich inzwischen als Moralinstanz in Sachen Lebensschutz geriert, murmelte etwas von „Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit“. In Wahrheit aber war es eine kleine Inszenierung mit großer Wirkung: Statt der routinierten Wahl von drei Verfassungsrichtern gab es Krawall, Sonderfraktionssitzungen und eine Abstimmungspause, die dem deutschen Parlament zur Ehre gereichte – immerhin darf man im Bundestag nicht nur reden, sondern auch schweigen. SPD und Grüne tobten. Manuela Schwesig, sonst eher zurückhaltend, wetterte von der Tribüne, dass man mit dem Bundesverfassungsgericht kein politisches Schach spiele. Britta Haßelmann der Grünen nannte das Ganze ein „Desaster fürs Parlament“, und selbst aus der CSU war plötzlich die Stimme der Vernunft zu hören: Alexander Hoffmann warf sich schützend vor die angeblich untragbare Kandidatin und nannte sie „keine linksradikale Aktivistin“. Was für ein Tag.

Dass die Union sich dabei in eine Lage manövriert hat, in der sie nun selbst auf Stimmen der AfD für ihren Kandidaten angewiesen sein könnte – ein Detail, das man in der CDU wohl unter „bedauerliche Notwendigkeit“ verbucht. Denn wer sich als letzter Verfassungsapostel geriert, darf bei der Rettung des Abendlandes nicht allzu zimperlich sein. Am Ende steht eine Wahl, die keine war. Ein Gericht, das auf seine Richter wartet. Und eine politische Kultur, die – wieder einmal – ihre Masken sortiert. Brosius-Gersdorf bleibt einstweilen Professorin. Der Bundestag bleibt einstweilen blockiert. Und die CDU? Die hat gezeigt, dass sie kämpfen kann. Nicht für die Verfassung, aber gegen eine Frau, die sie nicht versteht. Manchmal ist das offenbar dasselbe.

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Gisa
Gisa
2 Monate zuvor

Ihr kennt das, Hunderte mal im Kopf gespiegelt, hoffen, bangen nicht Recht zu behalten. Die Realität, die CDSU verabschiedet sich von der Mitte. Sie platziert sich bei der AFD. Alleine die Aussage Merz ist entlarvend:“ bald ist das Thema Migration ad Acta und damit entziehen wir der AFD ihr wichtigstes Thema“.
Was für ein Bullshit!
Die CDSU überholt die AFD gerade rechts.

KrockBert
KrockBert
2 Monate zuvor
Reply to  Gisa

Eine Schande ist das.

Irene Monreal
Irene Monreal
2 Monate zuvor

Ich lese jeden Tag den Mist über Trump und Konsorten, von dem ich dachte, dass es für uns eine mehr als deutliche Warnung ist. Aber nein – gleicher Bullshit aus Deutschland, frei nach dem Motto „juhuuh, wir sind nicht mehr alleine so rückständig, macht- und geldgeil!
Ihr seid nicht alleine an der Macht und ihr werdet nicht, wie Trump, dafür sorgen, dass euch kein Verfassungsgericht im Weg steht!
Himmel nochmal, da bewundert uns die vernünftige Hälfte der Amerikaner dafür, dass bei uns der Wolf im Schafspelz gewählt wurde 😡

Last edited 2 Monate zuvor by Irene Monreal
Ela Gatto
Ela Gatto
2 Monate zuvor

Das ist unglaublich, peinlich und mehr wie undemokratisch.
Der Schaden ist da

H.Köhncke
H.Köhncke
2 Monate zuvor

Bedenklich ist die Tatsache daß die Tagesschau sich an der hetzkampanje gegen die Richterin beteiligt und längs wiederlegte behautungen sendet.
Na bei der Programdirecktorin kein wunder

KrockBert
KrockBert
2 Monate zuvor
Reply to  H.Köhncke

Die meisten Medien sind doch nur noch Handlanger für die Politik, bis auf eine kleine Gruppe Medienschaffender die sich dagegen stemmen, bis die meisten nicht mehr können. Braune Zeiten sind das geworden.

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