Remi-was? – Die AfD erfindet das Vergessen

VonRainer Hofmann

Juli 9, 2025

Es war ein historischer Moment der deutschen Sprachgeschichte. In einem unscheinbaren Tagungshotel bei Berlin, zwischen schlecht entkoffeiniertem Kaffee und dem Geruch von Mettbrötchen, vollzog sich ein kleines Wunder: Die AfD entdeckte das Vergessen. Nicht etwa das politische. Das hat sie stets virtuos beherrscht – etwa beim Thema Höcke, beim Reichstag oder bei der eigenen Russlandnähe. Nein, diesmal ging es um ein Wort. Ein einziges, kaltes, hartes Wort: Remigration. Es wurde gestrichen. Nicht etwa aus der DNA der Partei, wohl aber aus einem Fraktionspapier. Einfach so. Zack. Als hätte es das nie gegeben. Weg war es. Einfach ausgelöscht. Wie ein Tippfehler in der Geschichte. Dabei hatte man es doch eben noch stolz getragen, das R-Wort, wie ein schwarz-blaues Ehrenabzeichen der Unbeugsamen. Man hatte es skandiert, gepflegt, auf Wahlplakate gepinselt wie andere die Forderung nach Freiheit oder Bierpreisbremse. Und nun? Nun hieß es: lieber nicht. Zu hart. Zu laut. Zu viel Assoziation mit Busplänen nach Syrien.

Es war wie ein dialektischer Unfall. Die Partei, die sonst jede Sprachpolizei bekämpft wie einen Windrad-Flügel in Brandenburg, spielte plötzlich selbst den Zensor. Nicht etwa aus Einsicht – das wäre ja bürgerlich –, sondern aus Berechnung. Man wolle „regierungsfähig“ wirken, heißt es. Als ginge es bei Worten nicht um Inhalte, sondern um Tarnfarbe. Man fragte sich: Wer hat ihnen das gesagt? Ein Strategieberater mit Krawatte aus dem Fundus von Gerhard Schröder? Ein Telefonanruf von Viktor Orbán, der „Remigration“ lieber wieder zur Chefsache machen will? Oder war es gar ChatGPT in einer besonders höflichen Laune? Vielleicht saß irgendwo ein Marketing-Genie und flüsterte: „Nennt es Rückreise mit Heimatbonus – das klingt wie Payback.“ Doch der wahre Clou folgte auf der Rückseite des Papiers: Dort stand es wieder. Nur nicht mehr so laut. „Heimkehrprojekte“, „Rückführungsoffensiven“, „Ausreise-Anreize“. Die Wortgirlanden eines völkischen Flüsterns. Was gestrichen war, lebt weiter – wie Schimmel im politischen Gebälk. Nur eben mit besserem Parfüm.

Und während Bernd Baumann öffentlich bekräftigte, dass man am Begriff selbstverständlich festhalte, rollte irgendwo ein Parteitags-Teleprompter mit der alten Version durch. Der Text sei „nicht gestrichen, sondern transformiert“, hieß es auf Anfrage. Das klingt nach Orwell, riecht aber eher nach Febreze für Rassismus. Denn natürlich bleibt „Remigration“ das, was es immer war: kein Sprachunfall, sondern Strategie. Die Reinheitsfantasie der Rechten in einem einzigen Wort kondensiert. Die Idee, dass man nicht nur Menschen loswerden will, sondern auch deren Geschichte, ihre Sprache, ihr Dasein. Nur dass man es nun eben anders nennt. Die AfD hat damit das Prinzip der modernen Rechten perfektioniert: Nicht den Inhalt ändern – nur die Verpackung. Statt Stahlhelm jetzt Sakko. Statt Deportation jetzt Rückkehrpatenschaft. Statt Neonazi jetzt „besorgter Demograph“. Und so steht sie nun da, die Partei der Remigrationsvergessenen, mit leerem Papier und vollem Mund. Sie streicht das Wort – aber nicht die Ideologie. Und fragt man nach, sagt sie: „Was denn? Wir haben doch gar nichts gesagt.“ Und irgendwo in Sachsen flüstert jemand: „Aber gemeint war’s.“

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Ela Gatto
Ela Gatto
4 Monate zuvor

Ob sie nun Worte aus dem Programm streichen.
Sich eine „wohlgefälligere“ Sprache verordnet.
Hier und da mal Jemanden aus der Partei ausschließen.

Faschisten bleiben Faschisten.
Und Weidel hat mit der Bundestagsrede bewiesen, dass keine Demokratie in deren Parteibuch steckt.

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