Es war eine Szene von biblischer Grausamkeit, doch sie spielte sich nicht vor zweitausend Jahren in Jerusalem ab, sondern im Frühling 2025 in der Wüste Arizonas. Ein älterer Pastor, William „Bill“ Schonemann, 76 Jahre alt, wurde tot in seinem Haus in New River aufgefunden – mit ausgebreiteten Armen, an die Wand geheftet wie zur Kreuzigung, eine Krone aus Dornen auf dem Kopf. Der Mann, der dieses abscheuliche Verbrechen gestand, sitzt inzwischen in Haft: Adam Christopher Sheafe, 51 Jahre alt, blass, mit tiefliegenden Augen und einer Vision, die er „Operation First Commandment“ nennt – ein Feldzug gegen das, was er für religiöse Lüge hält. Sheafe hat in mehreren Interviews detailliert zugegeben, den Pastor ermordet zu haben. Doch seine Geständnisse sind keine Reuebekundungen – sie sind das Protokoll eines selbsternannten Propheten, der sich auf göttliche Mission wähnt. Pastor Bill, so sagte er, sei nur der Anfang gewesen. Vierzehn weitere Geistliche standen auf seiner Liste. Getrieben von einem Wahn, der sich als „Gottes Wille“ tarnt, wollte Sheafe durch die Vereinigten Staaten reisen, von Arizona bis New York, um all jene zu töten, die aus seiner Sicht die „Herde in die Irre führen“. „Ich bin um zwei Uhr morgens losgefahren“, erklärte er. „Ich bin zu Bill nach Hause gefahren – und habe ihn hingerichtet.“ Die Art der Tat war kein Zufall: Sheafe befestigte die Arme des alten Mannes an die Wand hinter dem Bett, setzte ihm eine Krone aus Ästen und Dornen auf, die er zuvor im Wald gesammelt hatte. Es war ein makabrer Akt symbolischer Vergeltung – eine Inszenierung, mit der er seine Wut über das Christentum in die Welt tragen wollte. „Was du predigst, ist das Gegenteil von dem, was Gott gesagt hat“, sagte er zum Motiv.

Die Ermittlungen zeigen: Schon lange vor dem Mord hatte Sheafe begonnen, Geistliche zu verfolgen. Am Ostersonntag hatte er einen Priester in Phoenix nach dem Gottesdienst nach Hause verfolgt, ließ dann aber vom Mord ab, als zwei Frauen die Szene betraten. „Ich will niemanden töten außer die Hirten, die die Herde in die Irre führen“, erklärte er. Schonemann war für ihn der erste Treffer – in seinem „Garten Eden“, wie er Arizona nannte, seinem Geburtsstaat. Nach der Tat floh Sheafe nach Sedona. Dort plante er, zwei weitere Priester zu töten – in der Nähe der berühmten Chapel of the Holy Cross. Doch die Polizei war ihm bereits auf der Spur. Es war kein Mordkommando, das ihn stoppte, sondern eine einfache Fahndung nach einem Einbrecher. Sheafe war zuvor bei einer Reihe von Diebstählen in Erscheinung getreten – ein scheinbarer Widerspruch zu seinem Bild eines göttlichen Kriegers. Nach einem Autounfall in Sedona ließ er sein gestohlenes Fahrzeug am Trailhead zurück und verschwand. Erst Tage später wurde er bei einer Fahndung gefasst. In seinem Auto fanden die Ermittler eindeutige Beweise, die ihn mit dem Mord an Pastor Bill in Verbindung brachten. Dass er überhaupt redet, ist allein dem Umstand zu verdanken, dass er sprechen will. Er will verstanden werden – nicht im juristischen, sondern im biblischen Sinne. Als Whitney ihn fragte, ob er nicht fürchte, selbst gekreuzigt zu werden, antwortete er kühl: „Viel Glück dabei.“ Und weiter: „Ich will die Todesstrafe, damit alle sehen: Du kannst Gottes Sohn nicht töten.“ Damit meint er nicht Jesus – sondern sich selbst.

Seine Liste weiterer Ziele liest sich wie eine groteske Missionskarte: Las Vegas, Portland, Seattle, Detroit, New York, Charlotte, Mobile, Beaumont, El Paso. Vier davon, sagt er, habe er allein in Arizona töten wollen. Er nennt es „die Reinigung Israels“ – wobei „Israel“ in seiner Sprache nicht den realen Staat meint, sondern die Welt, wie sie ihm offenbart wurde. Ein Konstrukt aus Glauben, Wut und Wahn. Psychologische Gutachten stehen noch aus. Es ist unklar, ob Sheafe unter einer Psychose leidet – oder ob seine Gedankenwelt auf einem stabilen, aber radikalisierten Fundament ruht. Seine Worte wirken nicht konfus, sondern wie sorgfältig geschmiedete Dogmen. „Es liegt nicht in meinem Herzen, Menschen zu töten“, sagte er an einer Stelle. Und kurz darauf: „Aber es ist Gottes Gesetz, das Böse aus Israel zu entfernen.“ Die religiöse Dimension dieses Falls lässt viele ratlos zurück. Ermittler sprechen von einem „Hassverbrechen“, Juristen von einem „ritualisierten Mord“, Gemeinden von einem „Angriff auf das Fundament des Glaubens“. Retired FBI-Agent Martin Hellmer nannte den Fall „eines der abscheulichsten Verbrechen, von denen ich je gehört habe“. Die Gemeinde von Pastor Bill steht unter Schock. In seinem Gotteshaus, der New River Bible Chapel, brennen seither jeden Abend Kerzen.

Und doch ist der Fall Sheafe nicht nur die Geschichte eines Einzelnen – er ist ein Spiegel jener ideologischen Atmosphäre, die in Trumps Amerika längst zur politischen Realität geworden ist. Seit seiner Rückkehr ins Präsidentenamt 2025 hat Donald Trump das „Office of Faith-Based and Community Initiatives“ – umgangssprachlich: das Glaubensbüro – nicht nur reaktiviert, sondern zu einem ideologischen Machtzentrum ausgebaut. Angeführt von radikalchristlichen Figuren wie Pastorin Paula White, Tony Perkins und Ralph Drollinger verbreitet dieses Büro eine religiös-nationalistische Vision, die ausgrenzend, autoritär und zutiefst anti-pluralistisch ist. Die Linie ist klar: Christentum bedeutet Nationalidentität; andere Religionen bedeuten moralischen Verfall. Wer nicht folgt, ist „falscher Prophet“ oder „Dämon“. Wenn der Staat aktiv das Narrativ stützt, dass bestimmte Kirchen „vom wahren Weg abgefallen“ seien, wird der ideologische Nährboden für Gewalt bereitet. Die Sprache dieser Bewegung ist scharf, moralistisch und entmenschlichend – und sie findet in Menschen wie Adam Sheafe ihre verzerrte, blutige Entsprechung.
Trump selbst spricht immer wieder davon, dass „die Kirche zurückerobert werden“ müsse – dass „die Hirten die Herde verraten haben“. Kirchen, die sich für Flüchtlinge, soziale Gerechtigkeit oder LGBTQ-Rechte einsetzen, nennt er „linksradikale Fake-Kirchen“. Für jemanden wie Sheafe ist das keine rhetorische Übertreibung – es ist ein göttlicher Befehl. Wenn Sheafe sagt, er wolle „gekreuzigt werden, um zu zeigen, dass man Gottes Sohn nicht töten kann“, dann ist das mehr als religiöse Hybris. Es ist die verzerrte Spiegelung jener Märtyrer-Rhetorik, die seit Jahren aus Trumps religiösem Umfeld in die Welt getragen wird. Menschen wie Sheafe sehen sich nicht als Mörder – sondern als Werkzeuge göttlicher Reinigung. Umso lauter hallt das Schweigen aus Washington. Kein Statement des Weißen Hauses. Kein Tweet, kein Mitgefühl, keine Verurteilung. Es ist ein Schweigen, das wie ein Echo wirkt – oder schlimmer noch: wie ein stilles Einverständnis. Wenn ein Präsident das Kreuz zur politischen Waffe macht, dürfen wir uns nicht wundern, wenn Einzelne anfangen, es wörtlich zu nehmen.