Wahrheit in Trümmern – Was die Iran-Angriffe wirklich ausgelöst haben

VonRainer Hofmann

Juni 24, 2025

Es war ein nächtlicher Schlag von ungeheurer Symbolkraft – und doch könnte das Echo hohler nicht klingen. Am 22. Juni 2025, in einer als „Operation Midnight Hammer“ betitelten Militäroperation, warfen amerikanische B‑2‑Bomber bunkerbrechende GBU‑57‑Bomben auf Irans Atomzentren in Natanz, Isfahan und Fordo. Begleitet wurden sie von Tomahawk-Raketen der Navy, zielgenau gelenkt auf die unterirdische Bedrohung eines potenziellen Nuklearstaats. Präsident Trump sprach pathetisch von der „vollständigen Vernichtung“ des iranischen Atomprogramms. Doch was blieb, ist kein Sieg, sondern ein gefährliches Dazwischen – ein Stillstand zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit, zwischen geopolitischem Pathos und nüchternem Befund.

Denn erste Einschätzungen des Pentagon-Geheimdienstes DIA sprechen eine andere Sprache: Die Angriffe hätten das iranische Programm nicht zerstört, sondern lediglich um wenige Monate verzögert. Viele der empfindlichsten Komponenten – darunter Hochleistungszentrifugen und Teile der Uranvorräte – seien verschont geblieben oder im Vorfeld verlagert worden. Selbst Fordo, tief in Granit getrieben und schwer gesichert, habe die Angriffe nahezu unbeschadet überstanden. Bis zu 400 Kilogramm hochangereichertes Uran sollen weiterhin außer Kontrolle zirkulieren – genug Material für den Bau mehrerer Atomwaffen. Hinter den Kulissen beginnt ein Tauziehen um Deutungshoheit und Informationskontrolle: Während das Weiße Haus die Berichte als „fehlerhaft“ oder „gezielt undicht“ bezeichnet, fordern Kongressabgeordnete eine vollständige Offenlegung der internen Lageeinschätzung. Die Verwirrung ist politisch gewollt – und brandgefährlich.

Doch was wie ein geplatzter Triumph wirkt, ist womöglich mehr als das: ein riskanter Drahtseilakt, der mit jedem Tag gefährlicher wird. Denn während die Geheimdienste militärische Wirkung beziffern, schlagen die internationalen Atomkontrolleure der IAEA Alarm – aus ganz anderer Perspektive. In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung warnte die IAEA vor lokalen radioaktiven Kontaminationen und chemischen Gefährdungen an den getroffenen Standorten. Laut ihren Angaben wurden insbesondere Zufahrtswege und Eingänge der unterirdischen Anlage in Fordo durch weitere Luftschläge am Montagmorgen beschädigt – also nicht im ursprünglichen Angriff, sondern in einer Folgeoperation, über die bislang kaum jemand spricht. Auch in Natanz seien neue Einschlagkrater oberhalb jener unterirdischen Hallen entstanden, in denen früher nukleares Material gelagert wurde. Die genaue Bewertung der Schäden laufe noch – doch bereits jetzt deute sich an, dass Umwelt und Bevölkerung womöglich einem kaum kalkulierbaren Risiko ausgesetzt wurden.

Und so entsteht ein brisanter Doppelbefund: Ein militärischer Angriff, der sein erklärtes Ziel – die Zerschlagung des iranischen Atomprogramms – verfehlt, aber dennoch gefährliche Konsequenzen zeitigt. Für Umwelt, für Inspektionsregime, für das Vertrauen in die internationale Nichtverbreitungspolitik. Denn die IAEA mahnt nicht nur die Risiken an – sie beklagt zugleich, dass Teile des iranischen Uranvorrats derzeit nicht mehr nachvollziehbar seien. Ein Zustand, der nach den Worten eines europäischen Diplomaten „einen Albtraum für jede künftige Kontrolle“ darstellt. Es sei, als habe man mit einem Vorschlaghammer auf ein Uhrwerk geschlagen – und wundere sich nun, dass niemand mehr sagen kann, wie spät es ist. Der wahre Schaden liegt nicht in zerstörten Gebäuden, sondern im Vertrauensverlust: zwischen Staaten, gegenüber Institutionen, gegenüber der Wahrheit. Wenn Geheimdienste warnen und die Regierung dementiert, wenn Kontrollbehörden Gefahr signalisieren und öffentliche Narrative Gegenteiliges behaupten, dann wird aus Sicherheit Unsicherheit, aus Prävention eine Eskalation. Der Preis für einen symbolischen Schlag kann so hoch sein wie der eines echten Krieges. Vielleicht nicht sofort, aber in der Logik des Misstrauens, das er nährt.

Und so steht die Welt wieder einmal am Rand der vielen offenen Fragen, den sie mit Rhetorik zuschüttet. Was als Machtdemonstration gedacht war, ist zum Mahnmal des Missverstehens geworden. Die Urananreicherung läuft weiter – nur verdeckter, schneller, kompromissloser. Der Angriff hat keine Klarheit gebracht, sondern Schatten. Und in diesem Schatten liegt die wahre Gefahr.

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Frank Markmann
Frank Markmann
3 Monate zuvor

Man hat mìt diesem Angriff demomstriert, wie Anlagen unempfindlich gegen solche Angiffe gebaut werden müssen…

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