Eine junge Frau ermordet, live, vor den Augen der Welt.
Die Welt wird immer kranker. Man könnte diesen Satz für eine Binsenweisheit halten, ein Klagen jener, die sich zu alt fühlen für die Gezeiten des Wandels, die ihre Müdigkeit mit Weisheit verwechseln. Doch die Wahrheit ist bitterer. Wir erleben nicht nur den Zerfall einer Welt, sondern die Mutation der Menschlichkeit selbst.
In einem Schönheitssalon in Guadalajara wurde eine junge Frau ermordet, live, vor den Augen der Welt. Sie war eine Influencerin, ein Gesicht, ein Name, ein digitales Lächeln, das plötzlich in Blut erstickte. Ein Mörder, maskiert als Bote, überreichte ihr ein Stofftier und eine Tüte Starbucks-Kaffee – Symbole der Banalität, die zu Zeichen des Todes wurden.
„Vielleicht wollten sie mich umbringen“, sagte Valeria Márquez, 23 Jahre alt, in ihrem letzten Video. Sie ahnte es, aber wer hätte es wirklich glauben können? Sie starb, als sie noch sprach, und die Welt sah zu, zählte die Klicks, die Kommentare, das digitale Echo eines analogen Todes.
Die Welt wird immer kranker. Es ist nicht der Tod allein, es ist die Gleichgültigkeit, die ihn begleitet. Die Lust, zuzusehen. Das Spektakel des Schreckens, das nicht mehr schockiert, sondern nur den Rhythmus des Alltags stört. Mord als Content, Blut als Algorithmus.
Und während die Ermittler über den Täter rätseln – ein Auftragsmörder, sagt man, ein bezahlter Tod auf zwei Rädern – bleibt die eigentliche Frage unbeantwortet: Was ist aus uns geworden? Wie konnten wir uns zu einer Gesellschaft entwickeln, die den Tod in Echtzeit konsumiert? Wie weit sind wir gefallen, wenn der Mord an einem jungen Menschen kaum mehr ist als eine Meldung, ein Schock für Sekunden, bevor der nächste Clip ablenkt?
Es ist leicht, den Finger auf das Verbrechen zu richten, auf den Mörder, auf die Kartelle, die in Jalisco herrschen. Doch das Gift, das die Welt krank macht, liegt tiefer. Es ist der Verlust der Empathie, die Gewöhnung an das Grauen. Wir sehen zu und nennen es Nachrichten. Wir schauen hin und behaupten, wir würden verstehen.
Aber wir verstehen nicht. Wir verlieren. Uns selbst. Unsere Menschlichkeit. Und während die Welt immer kranker wird, bleiben wir Zuschauer im Theater des Wahnsinns, blind für den Abgrund, der uns verschlingt.
