Der Internationale Gerichtshof am Galgen

VonRainer Hofmann

Mai 15, 2025

Wie Trump und Europas Feigheit das internationale Recht ersticken.

Es gibt Geschichten, die nach nichts aussehen. Nachrichten, die uns anstarren wie eine Statur auf dem Markt, ausdruckslos, leblos. Und dann gibt es jene Geschichten, die schreien, die sich gegen den Gleichmut aufbäumen, die zu Fanfaren der Schande werden. Der Internationale Strafgerichtshof ist eine solche Geschichte.

Ein Gericht, geschaffen, um den Mächtigen die Stirn zu bieten, um Tyrannen, Kriegsverbrecher, Völkermörder zur Rechenschaft zu ziehen. Ein Gericht, das nun selbst zum Opfer geworden ist. Nicht der Tyrannen, sondern der Feigheit, der Berechnung, der eiskalten Indifferenz. Und während sich die Nachricht über die US-Sanktionen gegen den Chefankläger Karim Khan durch die Schlagzeilen quält, während Europa sich in immer absurdere Kleinstkonflikte verbeißt – steht das höchste Gericht für internationale Gerechtigkeit am Abgrund.

Ein Kontinent, der sich als Verteidiger der Menschenrechte begreift, hat nichts zu sagen, wenn einer seiner wichtigsten Partner, die Vereinigten Staaten, das Gericht stranguliert. Die Bankkonten des Chefanklägers sind eingefroren, sein E-Mail-Zugang gesperrt, US-Mitarbeiter des Gerichts dürfen nicht in ihre Heimat zurückkehren, NGOs verweigern jede Zusammenarbeit, aus Angst vor Repressalien. Microsoft hat Khan von seinem E-Mail-Dienst ausgeschlossen, sein ProtonMail-Konto ist ein verzweifelter Rückzug in die digitale Exilierung. Amerikanische Angestellte des Gerichts riskieren Verhaftung, wenn sie ihre Familien besuchen wollen. Ein Tribunal, das für die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte stehen sollte, wird durch Sanktionen stranguliert.

Aber es geht noch weiter. Diverse Haftbefehle wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen die erlassen wurden, sind zu einem Symbol der Machtlosigkeit geworden. Trump hat den Strafgerichtshof als „illegitim“ und „gefährlich“ bezeichnet und die US-Regierung angewiesen, den Kontakt zu blockieren. Banken in Großbritannien froren Khans Konten ein, NGOs verweigerten jede Kooperation, aus Angst vor US-Sanktionen. Eine Paralyse der Gerechtigkeit.

Es sind investigative Journalisten aus unterschiedlichen Kontinenten, die nun darüber nachdenken, eine Klage vorzubereiten, damit der Internationale Strafgerichtshof seine Arbeit wieder aufnehmen kann. Journalisten, die mehr für das Recht kämpfen als die Regierungen, die sich rühmen, es zu verteidigen.

Was für ein erbärmliches Schauspiel. Ein Kontinent, der sich an Nebensächlichkeiten abarbeitet, während die Grundlagen der Gerechtigkeit erodieren. Ein Gericht, das einst für die Opfer der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte gedacht war, wird nun von Bankkonten und E-Mail-Sperren besiegt.

Und die etablierten Medien? Sie verfangen sich in ihrer eigenen Eitelkeit, verkommen zu Sprechautomaten der Macht, verliebt in ihre eigene Scheinbedeutung, während der Internationale Strafgerichtshof Stück für Stück zerstört wird.

Die Ohnmacht der Gerechtigkeit. Das ist die wahre Geschichte. Und Europa? Europa schaut weg. Wieder hat der Rechtspopulismus gewonnen. Aber jage man weiter noch so jeden kleinen Kieselstein, hebt noch so jeden unwichtigen kleinen Verlorenen auf die große Bühne des Schaupopulismus. Doch was dabei wirklich verloren geht, ist die Demokratie – und mit ihr auch das internationale Recht.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
0
Would love your thoughts, please comment.x