Strategiedebatte oder rechte Selbstvergewisserung? – Maximilian Krahs Allianz mit Martin Sellner wirft grundsätzliche Fragen auf

VonRainer Hofmann

Juni 23, 2025

Wenn Maximilian Krah öffentlich auftritt, dann selten ohne Kalkül. Der AfD-Politiker, seit Jahren umstritten wegen seiner Nähe zu rechtsextremen Netzwerken und seiner Rolle in europäischen Skandalen, inszeniert sich gern als intellektuelles Gewissen einer neuen Rechten. In einem aktuellen Tweet kündigt er eine strategische Debatte mit niemand Geringerem als Martin Sellner an – dem Vordenker der „Identitären Bewegung“, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Krah betont, es gebe einen „inhaltlichen Dissens“, keinen persönlichen. Das mag stimmen. Doch viel interessanter ist die Übereinstimmung: Beide vereint das erklärte Ziel, den „Erhalt des Deutschen und seine Bedeutung in der Zukunft“ zu sichern – eine Formulierung, die mehr offenbart als sie auf den ersten Blick erkennen lässt. Es geht um Kulturkampf, um ethnonationale Identitätspolitik, um das ideologische Rückgrat der Neuen Rechten in Europa. Und es geht, unausgesprochen aber evident, um eine Revision des Verständnisses von Staatsbürgerschaft und Zugehörigkeit.

Martin Sellner gilt als schillernde und zugleich gefährliche Figur dieses Milieus. Einst Kopf der Identitären Bewegung Österreich, prägte er deren martialisches Vokabular und Ästhetik – von symbolträchtigen Hausbesetzungen bis hin zu gezielten Social-Media-Kampagnen gegen Migration und vermeintlichen „Bevölkerungsaustausch“. Sellner, der über Jahre Kontakte zu White-Supremacy-Kreisen in den USA und Neuseeland unterhielt, ist kein gemäßigter Gesprächspartner. Wer mit ihm „eine Strategiedebatte“ über die Zukunft Deutschlands führt, wie Krah es tut, verschiebt nicht nur politische Grenzen, sondern normalisiert Positionen, die noch vor wenigen Jahren als demokratiefeindlich galten. Krahs Versuch, die geplante Diskussion als sachlich, transparent und klärend zu präsentieren, ist daher hochproblematisch. Der Verweis auf „inhaltliche Unterschiede“ wirkt vorgeschoben, wenn das gemeinsame Ziel die ideologische Klammer bildet. Auch die Rhetorik des „offenen Ausdiskutierens“ verkehrt sich ins Gegenteil, wenn die Debatte dazu dient, rechtsextreme Denkmuster salonfähig zu machen. Dass Krah sich dabei gegen „persönliche Angriffe“ verwahrt, ist eine typische Täter-Opfer-Umkehr – jene, die Grenzen überschreiten, stilisieren sich zu Märtyrern der Meinungsfreiheit, sobald Kritik laut wird.

In Wahrheit zeigt dieser Tweet einmal mehr: Es geht der AfD nicht um demokratische Streitkultur. Es geht um die langfristige Transformation des politischen Diskurses, um kulturelle Hegemonie, um die „Metapolitik“, wie es im identitären Jargon heißt. Krah und Sellner testen, wie weit sie gehen können – und sie wissen: Jeder empörte Tweet, jeder kritische Bericht verlängert die Reichweite ihrer Botschaft. Doch wer schweigt, macht sich mitschuldig an der Normalisierung autoritärer Ideologien. Die Debatte ist also nicht nur eine Frage des Inhalts – sondern eine über das demokratische Fundament der Bundesrepublik. Wer sich in diesen Tagen mit Martin Sellner „strategisch“ verbündet, tritt nicht nur in eine Diskussion ein. Er macht sich gemein mit einem Projekt, das an der offenen Gesellschaft sägt.

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