Es ist das alte Spiel. Erst wird gehetzt, was das Zeug hält – mit Jogginghosen, Spielzeugmessern und einem Banner, das Migranten zu „Räubern“ erklärt. Dann folgt das große Schulterzucken: Man wisse nicht, wie das passieren konnte. Entschuldigung. Intern klären. Ganz sicher. Die Burschenschaft Neukirchen hat das rassistische Spektakel auf ihrem Kirmeswagen organisiert – und tut jetzt so, als sei der eigene Umzugswagen ein autonomes Wesen mit schlechtem Gewissen.
Dabei war nichts an diesem Auftritt zufällig. Irgendwer hat diese Plakate gemalt. Irgendwer hat die Jogginghosen besorgt, in denen man sich über migrantische Jugendliche lustig machte. Irgendwer hat Messerattrappen geschwungen, um Ängste zu bedienen, die längst zur politischen Währung geworden sind. Und viele fanden das, so viel darf man wohl sagen, extrem witzig. Das ist kein Ausrutscher. Das ist ein Spiegel.
Bislang hat niemand einen Namen genannt. Weder die Burschenschaft Neukirchen, noch die Behörden vor Ort. Vorsitzender Fabian Keil beschränkte sich in seiner Stellungnahme auf ein allgemeines Bedauern – keine Namen, keine Verantwortung, keine Konsequenz. Wer die Banner aufgehängt hat, wer die Messer trug, wer sich da aufführte wie im Facebook-Kommentarstrang eines AfD-Stammtischs – all das bleibt im Nebel. Auch Recherchen der Initiative „Die Schwalm für Demokratie“ brachten zwar den Vorfall an die Öffentlichkeit, doch keine konkreten Beteiligten ans Licht.
Es ist dieser strukturelle Reflex, den wir längst kennen: Rassismus – aber bitte mit Lokalkolorit. Mit Bier. Mit Blaskapelle. Und dann eine Runde betreute Reue für die Öffentlichkeit. Das ist kein Skandal am Rande. Das ist Alltag in der Provinz. Und genau deshalb müssen wir hinschauen. Und vor allem: aufhören, so zu tun, als sei das ein Versehen gewesen. Denn wer sich so aufführt, meint es in aller Regel auch genau so.