Zwischen Hoffnung, Drohnen und Diplomatie – Die Ukraine im Schatten des Krieges

VonRainer Hofmann

Juni 20, 2025

Kiew – Während der Krieg in der Ukraine mit unverminderter Härte weitergeht, zeigt sich in diesen Tagen ein widersprüchliches Bild: Einerseits nehmen die Angriffe auf Städte wie Odesa und Charkiw an Intensität zu, andererseits mehren sich diplomatische Signale, die zumindest auf eine Öffnung für Gespräche hindeuten. Am 19. und 20. Juni fanden erneut Gefangenenaustausche zwischen der Ukraine und Russland statt – mittlerweile der sechste Austausch innerhalb weniger Tage. Möglich wurde dies durch das Abkommen von Istanbul, das Anfang Juni unter internationaler Vermittlung geschlossen worden war. In Genf, Brüssel und Kyjiw wertet man diese Entwicklung als stilles Zeichen dafür, dass selbst im Angesicht des Krieges ein Rest an Gesprächsbereitschaft besteht.

Gleichzeitig hat Präsident Wolodymyr Selenskyj eine wichtige Personalentscheidung getroffen: Hennadii Shapovalov wurde zum neuen Kommandeur der ukrainischen Landstreitkräfte ernannt – ein Schritt, der als Reaktion auf personelle Engpässe, aber auch als Signal an die NATO gewertet wird. Die Koordination mit westlichen Partnern, so betonte Selenskyj, müsse „effizienter und zukunftsfester“ werden. Währenddessen eskalieren die verbalen Drohungen aus Moskau weiter: Wladimir Putin erklärte auf dem Petersburger Wirtschaftsforum, dass „die ganze Ukraine uns theoretisch gehört“. Insbesondere die Region Sumy nahe der Grenze gerät dabei zunehmend ins russische Visier – angeblich zur Einrichtung von „Pufferzonen“.

Auf dem Schlachtfeld zeigt sich das alte Muster neuer Gewalt. In der Nacht zum 20. Juni griff Russland die Hafenstadt Odesa mit einer groß angelegten Drohnenoffensive an. Mindestens ein Mensch kam ums Leben, über ein Dutzend wurden verletzt. Getroffen wurden auch Schulen, eine Gasleitung und Teile der Eisenbahninfrastruktur. Auch Charkiw meldete wieder Angriffe. Die ukrainische Luftabwehr war mit 86 Drohnen im Einsatz, konnte 34 davon abschießen, weitere 36 elektronisch stören. Dennoch bleibt die Verwundbarkeit der zivilen Infrastruktur hoch – nicht nur in den Frontgebieten. Präsident Selenskyj beklagte angesichts eines früheren Raketenschlags auf ein Wohnhaus in Kyjiw, bei dem inzwischen 28 Menschen starben, die Untätigkeit westlicher Partner und forderte verstärkten Druck auf Moskau.

Während EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Parole „Frieden durch Stärke“ ausgab und schärfere Sanktionen gegen Russland forderte, wächst im Hintergrund die Sorge vor einer neuen Eskalationsstufe. Denn obwohl Trump betont, ein direktes Eingreifen der USA sei nicht beschlossen, steht nach wie vor ein Angriff auf Irans Partner Russland im Raum – indirekt über die Eskalation im Nahen Osten. Doch die Ukraine bleibt vorerst das Schlachtfeld, auf dem nicht nur Waffen sprechen, sondern auch Hoffnung gemacht wird – auf Gespräch, Austausch und ein Ende des Sterbens. Noch ist es nicht so weit. Aber vielleicht, in diesen Juni-Tagen, scheint ein erster Riss im Stahl der Unversöhnlichkeit sichtbar geworden zu sein.

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