Kseniia Petrova saß auf dem kalten Betonboden der Richwood Correctional Center in Monroe, Louisiana. Drei Monate waren vergangen, seit sie hier festgehalten wurde. Drei Monate, seit ein simpler Fehler – das Versäumnis, wissenschaftliche Proben zu deklarieren – ihr Leben auf den Kopf gestellt hatte. Jeden Abend um Mitternacht, wenn das Licht ausgeknipst wurde, stand ihr Handy still. Ihr Freund und Kollege Will Trim, ein Biologe aus ihrem Labor an der Harvard Medical School, spielte Klavier. Bach, Chopin, irgendetwas, das sie beruhigen könnte. Die Musik tröstete sie, bis das Telefongespräch jäh nach 15 Minuten endete.
Petrova, eine russische Wissenschaftlerin, floh aus ihrer Heimat, nachdem sie gegen den russischen Krieg in der Ukraine protestiert hatte. In ihrer Heimat wurde sie als Gegnerin des Regimes verfolgt, doch in den USA sollte sie sich sicher fühlen – bis sie am Flughafen Logan in Boston landete.
Morgen, am 14. Mai, wird ihr Fall vor Gericht verhandelt. Wir werden vor Ort sein. Richterin Christina Reiss am US-Bezirksgericht in Vermont wird die Argumente hören. Petrovas Anwälte argumentieren, dass ihre Inhaftierung willkürlich und rechtswidrig war.
Ihre Arbeit an der Harvard Medical School war hochkomplex, einzigartig. Sie war die Einzige in ihrem Labor, die die technischen Fähigkeiten besaß, Daten von einem speziellen Mikroskop zu analysieren – einem Gerät, das Fettzellen sichtbar machen konnte, die mit herkömmlichen Mikroskopen unsichtbar blieben. Ein Leben der Wissenschaft, zerstört durch eine einzige Einreise.
Im Februar war sie aus Frankreich nach Boston zurückgekehrt. Ihr Laborleiter, Leon Peshkin, hatte sie gebeten, Proben von Frosch-Embryonen vom Institut Curie in Paris mitzubringen – Proben, die auf dem Versandweg oft beschädigt wurden. Die Embryonen waren fixiert, in Paraffin eingebettet, chemisch behandelt. In Petrovas Augen waren sie harmlos – unbelebtes Material, das keine Krankheit übertragen konnte. Doch die Beamten der U.S. Customs and Border Protection (CBP) sahen das anders.
Am Gepäckband des Flughafens Logan wurde sie angehalten. Ein Spürhund schlug an, und die Beamten fanden die Proben. Sie fragten Petrova, ob sie diese deklariert habe. Sie verneinte, weil sie glaubte, es sei nicht notwendig. Ihr Visum wurde widerrufen. Sie wurde gefragt, ob sie in die USA einreisen wolle. Und als sie erklärte, dass sie Angst habe, nach Russland zurückzukehren, begann der Alptraum.
Was folgte, war eine Reise durch das Labyrinth der US-Einwanderungsbürokratie. Anstatt nach Frankreich zurückgeschickt zu werden, wurde Petrova in ICE-Gewahrsam überstellt. Zuerst nach Vermont, dann nach Louisiana, in ein Gefängnis, das von einer privaten Firma betrieben wurde – ein kalter, dunkler Ort, weit entfernt von den sterilen Labors, in denen sie einst arbeitete.
Ihr Anwalt argumentiert, dass die Trump-Administration gegen die eigenen Regeln verstoßen habe. Normalerweise werden nicht deklarierte wissenschaftliche Proben konfisziert und es wird eine Geldstrafe verhängt. Doch Petrova wurde inhaftiert, behandelt wie eine Kriminelle. Homeland Security behauptete, sie habe die Beamten belogen. Doch für ihre Unterstützer war sie das Opfer eines Systems, das den wissenschaftlichen Austausch mit Misstrauen und Härte betrachtete.
Ihre Geschichte verbreitete sich. Wissenschaftler, Senatoren, Bürgerrechtler meldeten sich zu Wort. Ein offener Brief, unterzeichnet von 17 US-Senatoren, forderte ihre Freilassung. Massachusetts’ Generalstaatsanwältin Andrea Joy Campbell warnte, dass Petrovas Fall ein „abschreckendes Signal“ an internationale Studierende sende.
Petrova selbst blieb in der Kälte des Gefängnisses gefangen. Ihr Zimmergenosse war eine Dunkelheit, die kein Licht durchdrang, und die einzige Wärme kam von den wenigen Worten, die sie durch das Gefängnistelefon hörte. „Ich weiß, dass er sich Sorgen um mich macht“, sagte sie über Trim, der jeden Abend für sie spielte. „Vielleicht sollte ich stärker sein.“
Doch auch Trim verlor seine Hoffnung. „Nach drei Monaten singt die Musik nicht mehr, wenn sie nicht anruft“, sagte er.
Nun steht der Fall Petrova vor Gericht. Ihre Anwälte sprechen von einem Verstoß gegen die grundlegenden Prinzipien der Fairness. Ihr Leben, ihre Karriere – all das auf einem Drahtseil, gespannt zwischen den kalten Wänden eines Gefängnisses und der gläsernen Kuppel eines Labors.
In den Vereinigten Staaten, einem Land, das einst die besten Köpfe der Welt anzog, zeigt der Fall Petrova ein anderes Gesicht: ein Gesicht der Angst, der Abschottung, der Härte. Ein Gesicht, das Wissenschaftler und Forscher auf der ganzen Welt erkennen – und fürchten.
