„Ich war von Wut erfüllt“ – Wie ein kanadischer Stammesführer Donald Trump am Rande des G7-Gipfels die Stirn bot

VonRainer Hofmann

Juni 16, 2025

Calgary, Alberta – Es war ein Moment, in dem die Symbolik schwerer wog als jedes diplomatische Protokoll. Als Steven Crowchild, ein angesehener Stammesführer der Tsuut’ina Nation im kanadischen Alberta, am Sonntag die Ankunft der Staats- und Regierungschefs zum diesjährigen G7-Gipfel auf dem Rollfeld in Calgary begleitete, stand er vor einer Entscheidung, die weit über höfliche Begrüßungsfloskeln hinausging: Sollte er überhaupt bleiben, wenn Donald Trump, der Präsident der Vereinigten Staaten, aus der Maschine steigt? „Ich war von Wut erfüllt“, sagte Crowchild, „Ich habe ernsthaft überlegt zu gehen. Dieser Mann hat so viel Leid und Schmerz in die Welt gebracht.“ Doch er blieb – nicht aus Zustimmung, sondern aus Verantwortung. „Sichtbarkeit ist entscheidend. Diplomatie ist wichtig. Und in diesem Moment war keine indigene Repräsentanz vor Ort – also blieb ich.“

Steven Crowchild gehört zur Tsuut’ina Nation, einem souveränen Stamm der Dene-Völker im Süden der kanadischen Provinz Alberta. Die Tsuut’ina sind Nachfahren der Athapaskischen Sprachfamilie, leben westlich von Calgary und pflegen seit Jahrhunderten eine enge Verbindung zu ihrem angestammten Land. Trotz kolonialer Gewalt, Zwangsumsiedlungen und systematischer Marginalisierung bewahren sie bis heute ihre Sprache, Rituale und politische Selbstbestimmung. Crowchild ist einer ihrer profiliertesten Vertreter und bekannt für seine ruhige, aber bestimmte Art, in öffentlichen Momenten für Sichtbarkeit einzutreten.

Als Crowchild Trump gegenübertrat, trug er eine aufwendig gearbeitete Federschmuck-Kopfbedeckung und sprach in seiner traditionellen Sprache. Er zeigte dem US-Präsidenten Stammesmedaillen, die – wie er betonte – „älter sind als die Nation Kanada selbst“. Trump, ganz in der Pose des medienwirksamen Auftritts, trug eine weiße Kappe mit der Aufschrift „Make America Great Again“. „Es war intensiv, um es vorsichtig auszudrücken“, sagte Crowchild. Doch seine Botschaft war klar: Wer sich als Repräsentant der indigenen Völker versteht, darf im Moment der Konfrontation nicht schweigen – auch nicht vor einem Mann, der weltweit als Symbol autoritärer Politik gilt.

Die Begegnung dauerte mehrere Minuten, Trump zeigte sich – so berichten Beobachter – irritiert, aber nicht abweisend. Was genau besprochen wurde, blieb vertraulich. Doch dass Crowchild blieb, sprach für sich. In einem Moment, in dem Diplomatie oft als höflicher Händedruck zwischen ungleichen Mächten verstanden wird, setzte der Tsuut’ina-Führer ein Zeichen: für Würde, Sichtbarkeit – und für jene, deren Stimmen oft aus dem Protokoll gestrichen werden.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Älteste
Neueste Meist bewertet
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
0
Über ein Kommentar würden wir uns freuen.x