Wenn das Spiel die Welt vergisst – Die FIFA-Klub-WM (14. Juni bis 13. Juli 2025) in einem Land am Abgrund

VonRainer Hofmann

Juni 13, 2025

Es gibt Momente, in denen sich der Fußball selbst verrät. In denen das Spiel, das Millionen begeistert, plötzlich entkoppelt scheint von der Wirklichkeit, in der es stattfindet. Der Sommer 2025 ist ein solcher Moment. In den Vereinigten Staaten, einem Land, das politisch zerrissen ist wie selten zuvor, das auf Proteste mit Marines reagiert und Migrationspolitik mit Angst durchsetzt, feiert die FIFA ab dem 14. Juni ein Turnier der Superlative: die erste erweiterte FIFA-Klub-Weltmeisterschaft mit 32 Teams. Sie dauert bis zum 13. Juli. Eine Show der Rekorde. Eine Show für die Märkte. Eine Show ohne Moral.

Dass es ausgerechnet die Vereinigten Staaten sind, die den Zuschlag für dieses Projekt erhalten haben, wirkt wie eine Entscheidung mit Kalkül: große Stadien, TV-Gelder, Sponsorendeals, politische Nähe. Dass jedoch dieselben USA derzeit Nationalgardisten gegen die eigene Bevölkerung einsetzen, Journalisten behindern und sogar Senatsmitglieder aus Pressekonferenzen werfen, scheint für den Fußball-Weltverband keine Rolle zu spielen. Wir glauben an die verbindende Kraft des Fußballs – gerade in schwierigen Zeiten, ließ ein FIFA-Sprecher auf Anfrage verlauten. Eine Worthülse, die kaum kaschieren kann, dass es der FIFA vor allem um eines geht: Geld.

Auf dem Platz: Real Madrid, Manchester City, Palmeiras, Al Ahly, Auckland City, Club León – sie alle reisen an, um die Krone des Weltfußballs zu erobern. Doch nicht alle dürfen. Während etwa Spieler wie Ayrton Costa von Boca Juniors wegen Visa-Problemen gestrichen wurden, wächst auch unter Fans die Angst. Trumps neue Einreiseverordnung sieht zwar Ausnahmen für Spieler, Trainer und Betreuer vor – nicht aber für Fans. Das US-Außenministerium bestätigte auf Nachfrage, dass Zuschauer nicht unter die ausgenommenen Personengruppen fallen.

Der bekannte Fußballreise-Blogger Danny Navarro bringt es auf den Punkt: Die Fans spüren die Unsicherheit – sie wissen nicht, ob sie kommen dürfen, und wenn sie kommen, ob sie von ICE kontrolliert werden. Das ist kein Klima für ein globales Fußballfest.

Wenn draußen Tränengas liegt, kann drinnen kein Spiel beginnen

In Los Angeles, eine der Spielstädte, gehen währenddessen die Proteste weiter – gegen Trumps Abschiebepolitik, gegen den Militäreinsatz im Innern, gegen den Verlust demokratischer Prinzipien. Doch während sich draußen Bürger mit berittener Polizei konfrontiert sehen, wird drinnen der Rasen gestutzt, das Branding platziert, die Hymne eingeübt. Es ist ein Widerspruch, der selbst gestandenen Sportjournalisten die Sprache verschlägt. Man kann nicht den Ball treten, während nebenan der Rechtsstaat fällt, schreibt ein Kommentator des brasilianischen Senders Globo.

Auch die US Travel Association schlägt Alarm. Präsident Geoff Freeman warnte: In Kolumbien liegt die Wartezeit für ein US-Visum derzeit bei bis zu 18 Monaten. Wenn wir nicht jetzt handeln, ist selbst die WM 2026 für viele Fans schon verloren. Doch statt Lösungen sendet die Trump-Regierung Drohsignale: Wenn sie nicht gehen, nachdem das Spiel vorbei ist, müssen sie mit Ministerin Noem reden, sagte Vizepräsident JD Vance – eine Anspielung auf Abschiebung und Kontrolle. Das Vertrauen? Zerschlagen. Seit Wochen debattiert das Land über den Einsatz von 4.000 Nationalgardisten und 700 Marines in Kalifornien. Bundesrichter Charles R. Breyer erklärte den Einsatz für verfassungswidrig – das Berufungsgericht setzte die Entscheidung im Eilverfahren ohne Anhörung wieder außer Kraft. Ein juristischer Schmierzettel, wie selbst konservative Stimmen in Kalifornien monierten. In diesem Klima von Repression und Willkür, zwischen Gummigeschossen und Visumverweigerungen, soll nun also das globalste aller Fußballfeste stattfinden.

Und die FIFA? Sie spielt weiter.

Wir glauben an Neutralität, heißt es aus Zürich. Doch Neutralität gegenüber einem Regime, das Kritiker abschiebt und Journalisten attackiert, ist keine Neutralität – es ist stillschweigende Komplizenschaft. Während in Europa diskutiert wird, ob Spiele in Ländern mit fragwürdiger Menschenrechtslage überhaupt noch stattfinden dürfen, verlegt die FIFA ihr Flaggschiff-Turnier ausgerechnet dorthin, wo demokratische Prinzipien aktuell systematisch ausgehöhlt werden.

In diesen Tagen zeigt sich die hässlichste Seite des modernen Fußballs. Nicht auf dem Platz – dort wird es wie immer magische Momente geben, Kombinationen zum Staunen, Tore zum Feiern. Aber drumherum herrscht ein Schweigen, das lauter ist als jede Fanparole. Denn wenn ein Turnier dazu dient, von Unrecht abzulenken, dann ist es kein Sportfest mehr. Dann ist es PR – für ein Amerika im Ausnahmezustand.

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Gisa
Gisa
3 Monate zuvor

Kann Sport noch losgelöst von Politik sein?
Ich denke nicht.
Wir werden sehen ob alle anreisen und wie Fadenscheinig ihre Erklärung sind.
Wir werden gewahr werden wer Haltung zeigt.

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