Der Preis der Macht – Trumps China-Deal als ökonomisches Vabanquespiel

VonRainer Hofmann

Juni 11, 2025

Was Donald Trump auf Truth Social als „exzellent“ bezeichnet, lässt sich wirtschaftlich nur schwer in diesen Ton übersetzen. Der neue Deal mit China, den der Präsident als abgeschlossen vermeldet – unter Vorbehalt der Zustimmung durch Xi Jinping – bringt zweifellos kurzfristige Vorteile, aber auch eine Vielzahl strategischer Risiken. Ein Pakt zwischen zwei Supermächten, der wie ein Handschlag zwischen Geschäftsleuten klingt – ohne belastbare multilaterale Absicherung, ohne parlamentarische Beteiligung, ohne langfristige Kalkulierbarkeit. China liefert laut Trump „vollständige Magneten“ und sämtliche benötigten Seltenen Erden vorab. Diese Stoffe sind essenziell für die US-Wirtschaft – in Halbleitern, Windkraftanlagen, E-Autos, Raketensteuerungen, Smartphones. Ihre Versorgungssicherheit ist von elementarer Bedeutung für die US-Industrie, vor allem in Zeiten globaler Reibung. Dass China sich bereit erklärt, diese strategischen Güter „up front“ zu liefern, kann als politischer Coup gelten. Doch wie belastbar ist ein Deal, der auf zwei Personen zugeschnitten ist und dessen Substanz primär aus Ankündigungen besteht?

Im Gegenzug sollen chinesische Studierende wieder Zugang zu US-Universitäten erhalten – ein Punkt, der von Teilen der Wirtschaft begrüßt, von Teilen des republikanischen Lagers jedoch als „Kapitulation“ gewertet wird. Auch hier bleibt offen, ob es sich um eine kontrollierte Öffnung oder lediglich um ein symbolisches Zugeständnis handelt. Universitäten, insbesondere im MINT-Bereich, könnten profitieren – wenn Visaerteilung, Finanzierungsfragen und politische Eingriffe nicht erneut zur Debatte stehen. Die größte Reibungsfläche aber liegt in den Zöllen. Die USA erheben laut Trump künftig 55 Prozent auf bestimmte chinesische Importe – China seinerseits nur 10 Prozent. Das wirkt auf den ersten Blick wie ein asymmetrischer Triumph, doch ökonomisch droht eine massive Belastung für US-Verbraucher und Unternehmen. Importierende Betriebe sehen sich mit deutlich höheren Kosten konfrontiert. Kleine und mittlere Unternehmen, die stark auf Vorprodukte aus China angewiesen sind, könnten entweder ihre Margen verlieren oder die Preise erhöhen – was wiederum die Inflation anheizen würde. Besonders betroffen wären die Konsumgüterbranche, die Elektrotechnik, das verarbeitende Gewerbe und der Maschinenbau. In einem ohnehin angespannten Preisumfeld droht der Deal zu einem ökonomischen Bumerang zu werden.

Auch die Börse reagiert bislang verhalten. Zwar verzeichnen einzelne Rohstoffkonzerne Kursgewinne – getrieben von der Aussicht auf bevorzugten Zugriff auf seltene Erden. Doch in der Breite herrscht Skepsis. Der Dow Jones zeigte sich nach der Ankündigung weitgehend unbewegt, Techwerte notierten teilweise im Minus. Investoren fragen sich zu Recht: Wie belastbar ist eine Vereinbarung, die weder durch einen institutionellen Rahmen noch durch konkrete Handelsinstrumente abgesichert ist? Was passiert, wenn sich der Ton zwischen Peking und Washington wieder verschärft – oder wenn ein Handelsstreit doch erneut eskaliert? Für Trump ist der Deal ein politisches Narrativ. Er inszeniert sich als Macher, der China zu Zugeständnissen zwingt und gleichzeitig Amerikas Interessen durchsetzt. Für die Realwirtschaft jedoch bleibt vieles unklar: Gilt die Zollregelung dauerhaft? Werden sie sektorenspezifisch angepasst? Welche Produkte sind betroffen, welche nicht? Gibt es Ausnahmen für Hochtechnologie oder Medizinprodukte?

Die chinesische Seite äußerte sich bislang nur zurückhaltend. Das allein zeigt: Der Deal ist kein multilaterales Abkommen, sondern ein bilaterales Manöver unter maximaler Eigeninszenierung. Der Preis dafür könnte hoch sein – für Verbraucher, Unternehmen und die Glaubwürdigkeit verlässlicher Handelspolitik. Was auf Truth Social nach Stärke klingt, ist ökonomisch ein Drahtseilakt. Und nicht immer wird die Stärke des ersten Moments auch die Stabilität des Systems sichern. Das Märchen vom perfekten Deal hat seinen Reiz. Doch die Wirtschaft verlangt nach mehr als Schlagzeilen. Sie verlangt nach Substanz.

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