Der Blick auf die Vereinigten Staaten im Juni 2025 ist kein Blick auf eine verirrte Nation – es ist ein Blick auf eine bewusste Entscheidung. Eine Entscheidung für eine Politik, die längst nicht mehr über Differenz verhandelt, sondern über Ausschluss herrscht. Donald Trump, der am 20. Januar seine zweite Amtszeit antrat, steht heute wieder bei 43 % Zustimmung laut Gallup, 44 % bei Reuters/Ipsos, 45 % bei CBS/YouGov und Emerson College. Selbst das Pew Research Center, das im April noch ein Absinken auf 40 % konstatierte, meldete eine Stabilisierung. Die Talfahrt, die im April mit nur 39 % laut ABC News einen historischen Tiefstand markierte – den niedrigsten Wert eines US-Präsidenten nach 100 Tagen seit 1945 – wurde durch eine überraschende Erholung im Mai gebremst. Doch dieser Wiederanstieg ist kein Reflex auf erfolgreiche Politik – er ist ein Ausdruck ideologischer Entschlossenheit. Trumps Rückhalt beruht nicht auf Zahlen, sondern auf Weltbildern. Und diese Weltbilder verbreiten sich. Sie sind der gefährlichste Export, den Amerika zu bieten hat. Die Normalisierung eines Ausnahmezustands also.
In Trumps Amerika herrscht ein anderer Maßstab: Deportationen gelten als Ordnungspolitik, Zwangsmaßnahmen als Schutz, Exekutivanordnungen als Effizienz. 51 % der Amerikaner finden, er regiere zu autoritär, doch ein wachsender Anteil verteidigt genau das. In der Wirtschaftspolitik liegt Trumps Zustimmung bei 38 %, obwohl 56 % sagen, die Lage habe sich verschlechtert. Trotzdem sind es 43 % der Bevölkerung, die das offenbar hinnehmen – oder gutheißen. Diese paradoxe Stabilität seiner Zustimmungswerte ist keine Rechenaufgabe, sie ist ein kulturpolitischer Befund: Trump hat den Diskurs verschoben. Die Frage lautet nicht mehr, ob er gefährlich ist – sondern für wen. Und während Minderheiten, Migrant:innen, Journalist:innen und Gerichte systematisch unter Druck geraten, scheint sich ein großer Teil des Landes an diesen Ausnahmezustand gewöhnt zu haben. Besonders gravierend ist der demografische Bruch: Unter Latino-Wähler:innen fiel die Zustimmung von 43 % auf 39 %, bei unabhängigen Wähler:innen sogar von 43 % auf 29 %, bei Frauen unterstützen nur noch 30 % seine Wirtschaftspolitik. Und doch: Das reicht nicht für eine politische Wende. So entsteht ein globaler Resonanzraum der Radikalisierung
Was aus Washington tönt, findet Echo. Viktor Orbán lobt Trumps „Klarheit“, Marine Le Pen übernimmt seine Rhetorik, Giorgia Meloni ahmt ihn nach. AfD-Strategen nutzen seine Codes. In Deutschland flirten CDU-nahe Kreise mit autoritären Ordnungsvorstellungen, in Frankreich erodiert der republikanische Konsens. Trump dient dabei nicht nur als ideologisches Vorbild, sondern als Legitimationsquelle. Er hat vorgemacht, wie man Institutionen demontiert, Minderheiten entrechtet und dabei demokratische Fassade wahrt. Das verleiht autoritären Akteuren weltweit einen Mantel der Normalität – eine Anleitung zur Selbstentmachtung der Demokratie. Polen ist nun in der Hand eines Edelpopulisten, ein Trump-Fan. Was in Südkorea geschah, war ein Weckruf – ein Präsident, der mit Putschgelüsten stürzte, eine Bewegung, die Demokratie nicht nur ruft, sondern lebt. Und Amerika?
Amerika wirkt, als hätte es nichts gelernt – als wolle es nichts lernen. Wirtschaftliche Unsicherheit, Angst vor Kontrollverlust, soziale Spaltung: all das wird nicht als Warnung verstanden, sondern als Vorwand, einen Mann wieder an die Spitze zu heben, der Institutionen verachtet und Menschen entrechtet. Während Migrant:innen unter Trump massenhaft deportiert, entrechtet, misshandelt oder verschwinden, zeigt sich das Land mehr empört über Benzinpreise als über den Zustand seiner Demokratie. Man ist schockiert, aber nicht entschlossen. Man ruft nach Gerechtigkeit, aber nur, wenn sie nichts kostet. Und man beklagt Trumps Stil – nicht seine Politik. Die Empörung verpufft ausserhalb des Internets – die Normalität setzt sich durch Selbst die grausamsten Maßnahmen erzeugen keine nachhaltige Entrüstung mehr: Die Zwangsdeportation von Migranten, unter anderem auf Basis des Alien Enemies Act, das gezielte Aushungern unabhängiger Medien, die Aufhebung von Diversitätsprogrammen, die Bedrohung von Richter:innen – all das ist dokumentiert, bekannt, empört. Doch es hat keine Konsequenzen. Es wird hingenommen, verdaut, vergessen. Amerika hat seine eigene Menschenrechtslage normalisiert – und mit ihr seine Gefährlichkeit. Dabei herrscht international längst Klarheit: 66 % der Amerikaner beschreiben Trumps zweite Amtszeit als „chaotisch“, 59 % als „beängstigend“ – sogar 47 % der Republikaner teilen das Adjektiv „chaotisch“. Und dennoch: Der Präsident bleibt im Amt. Mit Zustimmung, mit Einfluss – und mit einem gefährlichen Mandat.
Gleichzeitig gibt es in den USA den letzten Widerstand gegen Trumps Politik. Die „50501“-Proteste, die in allen 50 Bundesstaaten stattfanden, sowie die „Hands Off!“-Demonstrationen im April 2025 und Mai 2025, bei denen Millionen Menschen gegen die Politik der Regierung protestierten, zeigen, dass viele Amerikaner nicht bereit sind, diese Entwicklungen hinzunehmen. Sieben Millionen von über 280 Millionen – Dem ist nichts hinzuzufügen, der 14 Juni 2025 steht vor der Tür,
Innerhalb des politischen Systems gibt es Gegenwind: Über 180 Richter haben Teile von Trumps Agenda blockiert, und sogar konservative Juristen beginnen, sich gegen ihn zu stellen, die eigentlichen Heldinnen und Helden der Vereinigten Staaten. Journalisten die sich zusammengeschlossen haben, klagen für die Rechte der deportierten Menschen, eigentlich traurig, während man weiter über die Eierpreise rot im Gesicht wird.
Und Europa? Es erkennt die Gefahr, doch es handelt nicht entschlossen. Die Gegenwehr ist symbolisch, nicht strukturell. Statt sich klar von Trumps Ideologie abzugrenzen, toleriert man – im Namen transatlantischer Partnerschaft – ein Regime, das gegen zentrale Werte der Aufklärung operiert – Denn der Rechtspopulismus frisst nicht zuerst die Linken – er frisst seine Wegbereiter. Die schweigenden, die taktierenden, die abwägenden. Wer heute glaubt, man könne mit Trump-orientierter Politik Wahlen gewinnen und dann zurückrudern, der irrt. Man kann mit ihr gewinnen. Aber nicht zurück. Konsequenz oder Komplizenschaft. Der Rückhalt für Trump ist mehr als ein nationales Phänomen. Er ist das Symptom einer globalen Gleichgültigkeit gegenüber dem Zerfall der Demokratie. Und diese Gleichgültigkeit wird mit jedem Prozentpunkt Zustimmung gefährlicher – nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern für eine Welt, die sich an Amerika orientiert. Noch.
Wenn diese Welt nicht beginnt, sich klar zu positionieren, Konsequenzen zu ziehen, Partnerschaften neu zu denken, dann wird sie eines Morgens erwachen – und feststellen, dass nicht Russland, nicht China, sondern die USA selbst der größte Destabilisator der internationalen Ordnung geworden sind.
Amerika muss die Konsequenzen spüren. Sonst wacht es nicht auf.

Gut geschriebene Texte, herzlichen Dank
Vielen Dank für die netten Worte. Liebe Grüsse Rainer