Ein Vertrag mit Vorbehalt

VonRainer Hofmann

Mai 1, 2025

Amerikas Rohstoffpakt mit der Ukraine

Am 30. April 2025 unterzeichneten die Vereinigten Staaten und die Ukraine ein neues Wirtschaftsabkommen. Die offizielle Botschaft: Hoffnung, Wiederaufbau, Partnerschaft. Doch hinter den Schlagzeilen verbirgt sich eine Wirklichkeit, die komplexer, fragiler, widersprüchlicher ist.

Ein neuer Fonds wird gegründet – der United States–Ukraine Reconstruction Investment Fund. Sechs Personen, je drei aus beiden Ländern, sollen in den kommenden zehn Jahren lenken, was Milliarden bewegen könnte: Investitionen in den ukrainischen Rohstoffsektor, der für die Weltwirtschaft zunehmend entscheidend ist. Lithium, Titan, Graphit, Öl, Gas – die Schatzkammer der Ukraine soll zum Zugpferd ihrer eigenen Wiedergeburt werden.

Doch was bedeutet es, in einer Kriegsregion Hoffnung zu verhandeln? Während die Tinte auf dem Vertrag trocknet, schlagen russische Raketen in Odessa ein. Es ist ein Abkommen auf wackeligem Boden, mit schweren Erwartungen beladen.

Die USA sichern sich bevorzugten Zugang zu Investitionen in ukrainische Unternehmen, die kritische Rohstoffe fördern. Gewinne sollen geteilt werden – gleichmäßig, heißt es. Doch die Geschichte kennt viele Verträge, deren Gleichgewicht nur auf dem Papier bestand. Auffällig ist, was im Vertrag fehlt: Sicherheitsgarantien. Kein Artikel schützt die Ukraine vor weiteren Angriffen. Kein Versprechen, keine Truppen, keine Schutzklauseln. Nur Kapital, das fließen soll, solange es sich lohnt.

Präsident Trump wollte anfangs sogar, dass 50 % aller ukrainischen Rohstoffeinnahmen direkt an die USA gehen – als „Rückzahlung“ für bisherige Hilfen. Selenskyj widersprach. Hilfe, so sagte er, sei keine Schuld. Was übrig blieb, ist ein symbolisches Abkommen, das mehr politischem Kalkül als humanitärer Verantwortung folgt. Die Verhandlungen waren angespannt, von Drohungen und Rückziehern geprägt. Erst nach Korrekturen, um EU-rechtliche Standards einzuhalten, fand man Worte, die unterschriftsfähig klangen.

Und nun? Experten sprechen von einem Meilenstein. Vielleicht ist er das. Doch er liegt in einem Minenfeld.

Denn wie will man langfristig investieren, wenn die Luftwaffe über jedem Förderfeld kreist? Wie lässt sich ein fairer Rohstoffhandel aufbauen, wenn der Boden, aus dem er gewonnen wird, im Belagerungszustand steht?

Vielleicht ist dieses Abkommen ein Anfang. Vielleicht ein Ablenkungsmanöver. Vielleicht ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte politischer Instrumentalisierung wirtschaftlicher Not.

Was sicher ist: Die USA festigen damit ihren Zugriff auf kritische Rohstoffe – und die Ukraine erhält ein Versprechen, das ohne Frieden wenig Wert hat.

Das Abkommen ist mehr als Papier. Es ist ein Bild unserer Zeit: zerbrechlich, von Interessen durchzogen, von Hoffnung umgeben, aber nicht geschützt.

Ein Vertrag unter Raketenhagel. Ein Fonds auf brüchigem Fundament. Ein Symbol – und zugleich seine eigene Karikatur.

So sieht globale Solidarität im Jahr 2025 aus.

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