Eröffnung auf Trümmern – „Singen und Tanzen auf Knochen“ – Russifizierung als Kulturpolitik!
Mehr als drei Jahre nach dem russischen Luftangriff auf das Theater von Mariupol haben die Besatzungsbehörden das Gebäude wiedereröffnet. Wo am 16. März 2022 hunderte Zivilisten Schutz suchten und etwa 600 Menschen getötet wurden, fand nun ein Galaabend statt. Russische Staatsmedien zeigen Marmor, Kronleuchter, Tänzerinnen in Kokoschnik-Tracht. Kein Wort über die Toten. Kein Zeichen des Gedenkens. Das Wort „Kinder“, damals riesig auf die Straße gemalt und aus der Luft sichtbar, ist verschwunden. Die Ruinen wurden abgetragen, menschliche Überreste in Massengräber verbracht. Die Rekonstruktion ersetzt nicht, sie überdeckt. Was als Kultur gefeiert wird, ist der Versuch, einen Tatort unsichtbar zu machen.

Der Stadtrat von Mariupol spricht von „Singen und Tanzen auf Knochen“. Die Wiedereröffnung des Theaters sei kein Wiederaufbau, sondern Teil einer aggressiven Russifizierung. Gespielt werden überwiegend Werke russischer Autoren, finanziert und organisiert von Moskau eingesetzten Funktionären. Ehrengäste sind Vertreter der Besatzungsverwaltung, unterstützt von Baukollektiven aus Sankt Petersburg. Russland hält bis heute an der Behauptung fest, ukrainische Truppen hätten das Theater zerstört – eine Darstellung, die durch Recherchen widerlegt wurde. Mariupol bleibt Symbol und Warnung zugleich: für Kriegsverbrechen, für Geschichtsumschreibung und für eine Kulturpolitik, die Erinnerung nicht bewahrt, sondern auslöscht.
Hot Mic und armer Donni …
Ein offenes Mikrofon hat Donald Trump in einem Gespräch mit Benjamin Netanyahu bei einer Bemerkung eingefangen, die mehr über sein Politikverständnis verrät als jede Rede. Er beklagte, dass er für seine angeblichen diplomatischen Leistungen keinen Friedensnobelpreis erhalten habe. „Bekomme ich dafür Anerkennung? Nein. Ich habe acht davon gemacht“, sagte Trump. Acht Abkommen, acht Initiativen, acht Deals – was genau gemeint ist, bleibt offen, die Anzahl der Toten dieser Deals auch. Der Satz steht für sich. Er handelt nicht von Frieden, nicht von Vermittlung, nicht von Verantwortung, sondern von persönlicher Kränkung. Außenpolitik erscheint hier nicht als Aufgabe, sondern als Plattform der Selbstbestätigung. Entscheidend ist nicht das Ergebnis, sondern die Würdigung. Der Moment wirkt unbeabsichtigt ehrlich. Kein Auftritt, keine Inszenierung, nur ein Präsident, der im vertraulichen Ton ausspricht, was ihn wirklich umtreibt: dass sein Name aus seiner Sicht zu selten ausgezeichnet wurde. Dabei hat Trump seinen Platz in der Geschichte bereits sicher, nur auf der falschen Seite der Macht.
Richter ordnet Veröffentlichung von Protokoll im Fall Charlie Kirk an
„Für die Öffentlichkeit besteht ein grundsätzlich vermutetes Recht auf Einsicht in Gerichtsunterlagen.“
Bundesrichter Tony Graf im US-Bundesstaat Utah hat die Veröffentlichung eines bislang nicht öffentlichen Gerichtsprotokolls im Mordfall Charlie Kirk angeordnet. Graf entschied, dass das Transkript einer Anhörung aus dem Oktober bis zum Tagesende in die Gerichtsakte eingestellt werden muss. In der nicht öffentlichen Sitzung ging es um die Frage, ob der Angeklagte Tyler Robinson während Gerichtsauftritten gefesselt bleiben muss. Robinson ist wegen schweren Mordes an dem rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk angeklagt, der am 10. September auf dem Campus der Utah Valley University erschossen wurde. Die Staatsanwaltschaft will die Todesstrafe beantragen. Der Richter betonte, Öffentlichkeit sei ein grundlegendes Prinzip der Justiz, ordnete jedoch begrenzte Schwärzungen an, um Sicherheitsdetails zu schützen. Zusätzlich soll auch eine Audioaufnahme der Anhörung veröffentlicht werden, die mit der Fesselung nicht im Zusammenhang stand und bereits Bestandteil des Verfahren ist. Robinson durfte zwar in ziviler Kleidung erscheinen, muss aber laut richterlicher Entscheidung weiterhin gefesselt bleiben. Eine Voranhörung zur Sache ist für die Woche ab dem 18. Mai angesetzt.
Journalistinnen und Journalisten, darunter auch wir, hatten gegen die Geheimhaltung Beschwerde eingelegt und auf das öffentliche Informationsinteresse verwiesen. Justiz ist nur dann legitim, wenn sie nachvollziehbar bleibt. Verfahren müssen nicht allein formal korrekt geführt werden, sondern auch einer öffentlichen Kontrolle standhalten. Hintergrund der Beschwerde sind laufende Recherchen zu den Abläufen des Verfahrens, insbesondere zu möglichen Sicherheitsversäumnissen. Ebenso zentral ist die Frage, wie eine Hauptverhandlung öffentlich geführt werden soll, wenn Teile der Entscheidungsfindung weder öffentlich verlesen noch überprüfbar sind. Eine solche Praxis würde die Transparenz des Verfahrens beschädigen und die spätere Urteilsfindung der öffentlichen Kontrolle entziehen. Sicherheitsdetails zu schützen ist legitim und war auch nicht Bestandteil der Beschwerde. Ebenfalls wurde zudem darauf hingewiesen, dass vergleichbare Vorgehensweisen auch auf ICE-Verfahren übertragen werden könnten, was die Möglichkeiten der Verteidigung einschränken würde. Es wurde ferner die Sorge geäußert, dass genau dies beabsichtigt sein könnte, um solche Methoden künftig in diesen Verfahren anzuwenden.
Drohungen ohne Nachweis
Donald Trump hat dem Iran erneut mit harten Konsequenzen gedroht, ohne belastbare Hinweise vorzulegen. Der Iran könne sich derzeit „schlecht verhalten“, sagte Trump, fügte jedoch hinzu, dass dies bislang nicht bestätigt sei. Sollte sich der Verdacht erhärten, wisse Teheran, was folge. Die Konsequenzen wären „sehr stark“, möglicherweise sogar „stärker als beim letzten Mal“. Auf die direkte Nachfrage, ob es dafür konkrete Beweise gebe, verneinte Trump dies. Es handele sich lediglich um das, „was man hört“. Eigene Erkenntnisse oder überprüfbare Informationen nannte er nicht. Damit steht eine Eskalationsdrohung im Raum, die ausdrücklich auf Hörensagen basiert. Zwischen Behauptung und Beleg bleibt eine Lücke. Außenpolitische Konsequenzen werden angedeutet, ohne dass die Grundlage benannt wird. Der Vorgang zeigt, wie schnell aus Vermutungen politische Drohungen entstehen. Es müssen ja nicht immer die „üblichen Verdächtigen“ sein.
Kaizen Alltag – Abschiebung trotz richterlicher Anordnung
Die US-Einwanderungsbehörde Immigration and Customs Enforcement hat Diego Alberto Hernandez Garcia einen Tag vor Heiligabend unrechtmäßig abgeschoben und damit eine richterliche Anordnung missachtet, nach der er in den USA bleiben sollte. Diego Alberto Hernandez Garcia wurde während seiner Arbeit auf einer Baustelle festgenommen, obwohl seine Duldung bis 2026 gültig war. Die Festnahme erfolgte in Hardin Valley im Bundesstaat Tennessee. Nach der Landung in El Salvador habe ein Beamter lediglich gesagt, es sei ein „Versehen“ gewesen. Man konnte erreichen, dass er nun wieder in den USA ist. Hernandez Garcia wurde später in ein Abschiebegefängnis in Louisiana zurückverlegt. Dort sagte Diego, er wolle „einfach Tageslicht sehen“ und wünsche sich „eine Bibel“. Der Vorgang wirft wie immer Fragen nach der Einhaltung gerichtlicher Anordnungen auf, ebenso nach internen Abläufen bei Festnahmen und Abschiebungen. Für Diego bedeutete der Fehler Tage in Unsicherheit. Für die Behörden ergibt sich daraus eine Erklärungspflicht. Wir hoffen, den Fall noch vor dem 1. Januar vor Gericht zu bekommen.
107 Tote und die Vereinten Nationen essen weiterhin leckere Mittagshäppchen
Was man hier sieht? – „Man schaut Menschen beim sterben zu“
107 Tote seit Anfang September. Dreißig bekannte Angriffe der US-Streitkräfte auf mutmaßliche Drogenboote im Pazifik. Der jüngste Schlag tötete erneut zwei Menschen, verkündet vom U.S. Southern Command, ohne öffentlich vorgelegte Belege. Bilder zeigen Explosionen auf offener See, Namen und Hintergründe bleiben unbekannt. Boote werden zu Zielen erklärt, Menschen zu Zahlen gemacht. Präsident Donald Trump spricht von einem bewaffneten Konflikt mit Kartellen und erklärt die tödlichen Einsätze zur notwendigen Politik. Rechtliche Einordnung, unabhängige Kontrolle und transparente Verfahren fehlen. Wer an Bord war, aus welchem Grund, ob eine unmittelbare Gefahr bestand, bleibt unbeantwortet. Die Angriffe finden fern klassischer Kriegsschauplätze statt, aber mit endgültigen Folgen. Internationale Reaktionen bleiben auffallend leise. Von den Vereinten Nationen kommt kein öffentlicher Druck, keine Untersuchung, keine klare Position. Während Raketen einschlagen, läuft das diplomatische Tagesgeschäft weiter. 107 Tote – und das Schweigen wird zur Gewohnheit.
Russische Zeitung feiert ideologische Nähe zu Washington
Eine russische Zeitung schreibt offen, die USA sähen Russland nicht länger als Bedrohung. Der politische Kurs des US-Präsidenten liege näher bei den Werten von Wladimir Putin als bei jenen Europas. Gemeint ist ein Weltbild, das nationale Stärke über internationale Regeln stellt. Der US-Präsident Donald Trump erscheine in diesem Text nicht als Gegner, sondern als Partner im Denken. Europa wird darin als liberaler Machtblock beschrieben, der zurückgedrängt werden müsse. Demokratische Institutionen gelten als Hindernis, nicht als Schutz. Die Wortwahl ist eindeutig und bewusst provokativ. Sie signalisiert Zustimmung, nicht Analyse. Dass solche Töne öffentlich angeschlagen werden, ist kein Zufall. Sie zielen auf Spaltung zwischen den USA und Europa. Der Text liest sich wie eine Einladung zur Neuordnung der Bündnisse. Nicht verdeckt, sondern ausgesprochen.
Kaizen Alltag – Brutalität, die jede Grenze überschritten hat
Unter der Trump-Regierung greifen ICE und Border Patrol zu Methoden, die selbst grundlegende rechtsstaatliche Regeln ignorieren. Menschen werden auf der Straße, an Arbeitsplätzen oder vor ihren Wohnungen festgesetzt, oft nur wegen Aussehen oder Sprache. Spanisch zu sprechen reicht, um ins Visier zu geraten. Selbst US-Bürger sind betroffen. Papiere werden ignoriert, Anwälte nicht informiert, Familien bleiben tagelang ohne Nachricht. Verfahren existieren auf dem Papier, nicht in der Praxis. Die Behörden handeln schnell, intransparent und ohne wirksame Kontrolle. Immigration and Customs Enforcement und U.S. Border Patrol setzen Abschreckung über Recht. Präsident Donald Trump duldet und fördert diesen Kurs. Der Rechtsstaat wird zur Schattenlandschaft, während Macht ausgeübt wird. Was hier geschieht, ist kein Versehen, sondern System. Brutalität, die jede Grenze überschritten hat.
Der letzte Spaziergang
In Bayern ist Schluss mit den sogenannten Spaziergängen der Querdenken-Szene. In Kempten fand der letzte statt, auch in Memmingen und Kaufbeuren haben die Gruppen aufgegeben. Die Begründung wirkt ernüchternd: Man habe keine Wirkung mehr erzielt. Gleichzeitig wird behauptet, man sei „standhaft“ geblieben. Übersetzt heißt das: Kaum noch Menschen, kaum Aufmerksamkeit, kaum Relevanz. Was einst als lautstarker Protest begann, endete im Stillstand. Die Parolen blieben gleich, das Publikum wurde kleiner. Politische Folgen blieben aus. Die Pandemie ist vorbei, das Bedürfnis nach Dauerempörung offenbar auch. Übrig bleibt die Selbstbeschreibung als unbeugsam, obwohl niemand mehr zuhört. Der öffentliche Raum hat sich weitergedreht. Die Frage ist nicht, warum es endet, sondern wann diese Szene mit neuem Thema wieder auftaucht. Erfahrungsgemäß dauert das nie besonders lange. Oder schreiben sie vielleicht an Kennedy Jr.? Wir werden es bald erfahren. Bis dahin – bleibt gesund.
