Da haben sich die zwei richtigen politischen Spinner gefunden – Trumps Grönland-Irrsinn und die EU ist stärker, als man denkt

VonRainer Hofmann

Dezember 22, 2025

Mit einem einzigen Post hat Donald Trump einen schwelenden Konflikt neu entfacht und ihn zugleich auf eine deutlich höhere Eskalationsstufe gehoben. Der US-Präsident ernannte den Gouverneur von Louisiana, Jeff Landry, zum Sondergesandten für Grönland – ein Posten, den es in dieser Form bislang nicht gab. Die Reaktionen folgten umgehend. In Dänemark und in Grönland schlug die Ankündigung wie ein politischer Schock ein. Es war von Grenzüberschreitungen die Rede, von einem offenen Angriff auf elementare Regeln des Völkerrechts – so, wie die Vereinigten Staaten dies seit Monaten national wie international in vielen Bereichen praktizieren.

„Ich freue mich, bekannt geben zu können, dass ich den großartigen Gouverneur von Louisiana, Jeff Landry, zum Sondergesandten der Vereinigten Staaten für Grönland ernenne. Jeff versteht, wie essenziell Grönland für unsere nationale Sicherheit ist, und er wird die Interessen unseres Landes entschlossen voranbringen – für die Sicherheit, den Schutz und das Überleben unserer Verbündeten und, ja, der ganzen Welt. Glückwunsch, Jeff!“

Trump verfolgt seit Jahren offen das Ziel, Grönland unter US-Kontrolle zu bringen. Bereits während seiner ersten Amtszeit sprach er davon, die riesige, rohstoffreiche und strategisch gelegene Insel „zu bekommen“. Nun, in seiner zweiten Amtszeit, verleiht er diesem Ansinnen eine institutionelle Gestalt. Die Ernennung eines Sondergesandten ausschließlich für Grönland ist ein Novum. Bislang gab es auf amerikanischer Seite allenfalls Beauftragte für die gesamte Arktis. Dass Trump nun eine einzelne Person mit direktem Mandat für dieses Gebiet einsetzt, wird in Kopenhagen und Nuuk als bewusste Provokation gelesen. Der Präsident machte keinen Hehl aus seinen Motiven. Er erklärte, Landry verstehe, wie entscheidend Grönland für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten sei. In der Logik des Weißen Hauses geht es um Militärstützpunkte, um Kontrolle über arktische Routen, um seltene Erden und um geopolitische Dominanz im hohen Norden. Landry wiederum ließ keinerlei Zweifel daran, was von ihm erwartet wird. In einem öffentlichen Beitrag schrieb er, es sei ihm eine Ehre, in dieser ehrenamtlichen Funktion darauf hinzuarbeiten, Grönland zu einem Teil der Vereinigten Staaten zu machen.

„Gebt uns unser Land zurück“

Spätestens an diesem Punkt schlug Irritation in offene Wut um. Dänemarks Außenminister Lars Løkke Rasmussen sprach von einem nicht hinnehmbaren Schritt und kündigte an, den amerikanischen Botschafter in Kopenhagen einzubestellen. Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist seit Längerem angespannt. Mehrfach hatte die dänische Regierung US-Diplomaten vorgeladen, nachdem Berichte über amerikanische Spionageaktivitäten und verdeckte Einflussversuche in Grönland bekannt geworden waren. Erst vor wenigen Wochen warnte der dänische Militärgeheimdienst öffentlich, Kurswechsel in Washington erzeugten neue Unsicherheiten für die Sicherheit Dänemarks. Noch klarer positionierten sich die politischen Spitzen. Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und Grönlands Regierungschef Jens-Frederik Nielsen erklärten gemeinsam, man könne keine anderen Länder annektieren, auch nicht mit Verweis auf internationale Sicherheit. Grönland gehöre den Grönländerinnen und Grönländern, und die Vereinigten Staaten hätten kein Recht, dieses Territorium zu übernehmen. Die Botschaft richtete sich ausdrücklich nicht nur an Washington, sondern an die internationale Gemeinschaft.

Nielsen betonte zusätzlich, die Ankündigung möge in den USA groß klingen, ändere aber nichts an der Realität vor Ort. Die Menschen in Grönland entschieden selbst über ihre Zukunft. Es war der Versuch, Souveränität zu markieren und zugleich zu beruhigen. Denn auch in Nuuk ist die Sorge spürbar, zwischen die Interessen großer Mächte zu geraten. Grönland zählt weniger als 60.000 Einwohnerinnen und Einwohner, ist aber flächenmäßig eine der größten Inseln der Welt und strategisch von enormer Bedeutung.

In Brüssel beobachtet man die Entwicklung mit wachsender Aufmerksamkeit. Ein Sprecher der Europäischen Kommission machte deutlich, dass die territoriale Unversehrtheit Dänemarks, seine Souveränität und die Unantastbarkeit seiner Grenzen für die Europäische Union zentral seien. Zwar wollte man die Entscheidung der USA nicht direkt kommentieren, doch die Linie war eindeutig: Europa stellt sich hinter seinen Mitgliedstaat und dessen autonomes Territorium. Auch innerhalb Dänemarks wächst der Druck. Medienberichte verweisen darauf, dass die Ernennung eines Sondergesandten speziell für Grönland den Handlungsspielraum des amerikanischen Botschafters weiter verengt. Ken Howery, ein enger Vertrauter Trumps, hatte zuvor ausweichend reagiert, als Journalisten fragten, ob die USA Grönland notfalls mit Gewalt übernehmen könnten. Er versprach Zusammenarbeit, wich aber der entscheidenden Frage aus. Nun verlangt Kopenhagen formell Aufklärung.

Wer Jeff Landry ist, erklärt viel von dem, was gerade passiert. Er ist kein unbedarfter Provinzpolitiker, sondern ein ideologisch klar verorteter Hardliner aus dem engsten Trump-Umfeld. Er denkt in Freund-Feind-Kategorien und hat sich politisch dadurch profiliert, maximale Loyalität zu demonstrieren – nicht durch Sachpolitik, sondern durch Eskalation und Radikalität. Kulturkampf, Law-and-Order-Rhetorik, der Einsatz der Nationalgarde im Inneren, demonstrative Härte gegen politische Gegner – das ist sein Profil. Landry wurde nicht wegen diplomatischer Erfahrung oder regionaler Expertise ausgewählt, sondern weil er bereit ist, auszusprechen, was Trump ihm in das Ohr flüstert. Sein Satz, er wolle Grönland zu einem Teil der USA machen, zeigt bereits die dipolomatische und völkerrechtliche Dummheit Landrys. Die Schaffung eines solchen Postens ist kein Routineakt, sondern ein Zeichen auf höchster Ebene, dass Grönland ganz oben auf der Agenda steht.

Massenproteste am 17. März 2025 gegen Trumps Annexionsträume

Hinter der Personalie steht eine grundsätzliche Frage: Wie weit ist die US-Regierung bereit zu gehen, um ihre Interessen durchzusetzen – selbst gegenüber engen Verbündeten? Trump hat mehrfach im März 2025 erklärt, er schließe auch militärische Mittel nicht aus, um die Kontrolle über Grönland zu erlangen. Diese Drohung unterscheidet den aktuellen Konflikt von früheren Spannungen. Sie macht aus politischer Rhetorik eine reale diplomatische Reifeprüfung für die transatlantischen Beziehungen, der Rest, der noch vorhanden ist.

JD Vance bestätigt die US-Absicht, Grönland notfalls mit militärischer Gewalt zu übernehmen. (24. März 2025)

Vor diesem Hintergrund stellt sich in Europa zunehmend eine weitere Frage, die bislang auffällig gemieden wird: Warum reagiert die EU auf tägliche nationalen- und internationen Völker- und Menschenrechtsverstöße der Trump-Regierung, auf diplomatische Eskalationen und offene Annexionsträume lediglich mit Worten – und nicht mit Konsequenzen? Warum diese Frage mehr ist als moralische Anekdote ist , zeigt ein Blick auf die tatsächlichen Machtverhältnisse.

Sie beginnen bei der medizinischen Versorgung. Entscheidend sind nicht die fertigen Medikamente, sondern die chemischen Wirkstoffe und hochspezialisierten Vorprodukte, ohne die Krebsmedikamente, Impfstoffe oder Therapien gegen Autoimmunerkrankungen nicht hergestellt werden können. Ein erheblicher Teil dieser Stoffe wird in Europa entwickelt und produziert. Sie lassen sich nicht kurzfristig ersetzen, erfordern jahrelange Zertifizierungen und exakt abgestimmte Produktionsprozesse. In den USA fehlen dafür ausreichende Kapazitäten und strategische Reserven. Ein längerer Ausfall europäischer Lieferungen würde nicht nur Preise verändern, sondern Behandlungen verzögern und Therapien unterbrechen.

Ähnlich still, aber folgenreich ist die Abhängigkeit im industriellen Unterbau. Moderne US-Produktion, von der Rüstungsindustrie bis zur Halbleiterfertigung, beruht auf Maschinen, die extreme Präzision liefern. Diese Präzision entsteht vielfach in europäischen Werkhallen: bei Werkzeugmaschinen, Lasersystemen und industriellen Steuerungen. Ohne sie geraten nicht nur zivile Industrien unter Druck, sondern auch jene Produktionslinien, auf denen militärische Systeme entstehen. Ersatz ist kurzfristig nicht verfügbar, eigenständige Neuentwicklungen würden Jahre dauern.

Noch direkter wirkt Europas Bedeutung für die militärische Handlungsfähigkeit der USA. Die globale Präsenz des US-Militärs stützt sich auf europäische Standorte, Verkehrswege, Logistikzentren und Kommunikationsinfrastruktur. Diese Strukturen lassen sich nicht einfach verlagern. Ohne europäische Kooperation verlängern sich Reaktionszeiten, steigen Kosten, und die Fähigkeit zur schnellen Machtprojektion schrumpft.

Schließlich ist da die Regulierung. Europäische Standards für Datenschutz, Produktsicherheit, Chemikalien oder digitale Dienste setzen weltweit Maßstäbe, weil der europäische Markt zu groß ist, um ihn zu ignorieren. US-Konzerne passen ihre Produkte an diese Regeln an, nicht aus Überzeugung, sondern aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Diese Regeln formen globale Lieferketten und Produktionsentscheidungen weit über Europa hinaus.

Die Frage nach politischer und geistiger Zurechnungsfähigkeit ist mehr als nur berechtigt

Zusammengenommen ergibt sich kein Bild dramatischer Abhängigkeit, wohl aber eines struktureller Bindung. Die Vereinigten Staaten bleiben eine militärische und wirtschaftliche Großmacht. Doch in zentralen Funktionszonen ihres Systems sind sie auf Europa angewiesen. Genau diese Realität macht die Frage nach Sanktionen so brisant – und erklärt, warum sie bislang kaum offen diskutiert wird.

Für Dänemark und Grönland ist die Lage eindeutig. Grenzen sind keine Familienspiele wie Monopoly oder Risiko, Selbstbestimmung unterliegt nicht dem Trump-Regime. Mit der Ernennung Jeff Landrys hat Donald Trump jedoch gezeigt, dass er bereit ist, diese Grundsätze offen infrage zu stellen. Ob Europa darauf weiter nur mit Erklärungen reagiert oder irgendwann mit Konsequenzen, wird über diesen Konflikt hinaus Bedeutung haben. Jetzt ist Mut gefragt und keine Verschiebung von Verantwortung.

Grönland hatte bei den Wahlen am 11. März 2025 deutlich gemacht, dass es sich nicht als nächste „Trump Tower Island“ sieht. Die wirtschaftsfreundliche Mitte-Rechts-Partei Demokraatit triumphierte mit knapp 30 Prozent der Stimmen. Eine Partei, die Unabhängigkeit will, aber nicht überstürzt. Noch beeindruckender ist der Aufstieg der radikaleren Unabhängigkeitspartei Naleraq, die mit 24,5 Prozent auf Platz zwei landete. Zusammen bilden sie nun die stärksten Kräfte im grönländischen Parlament.Während der ehemals mehrfach bankrott gegangene Geschäftsmann weiter versucht, die Welt in Besitztümer und Deals einzuteilen, beweisen die Grönländer, dass Demokratie nicht auf Großmäuligkeit reagiert, sondern auf reale Probleme. Trump kann weiterhin die Karte der nationalen Sicherheit spielen, er kann Truppenstationierungen in den Raum stellen und politische Drohgebärden machen – doch Grönland hatte ihm die kalte Schulter gezeigt.

Massenproteste am 17. März 2025 gegen Trumps Annexionsträume

Man könnte denken, Trump hätte aus seiner gescheiterten Kaufofferte im Jahr 2019 gelernt, als Dänemark den Vorschlag mit einem knappen „Grönland ist nicht zu verkaufen“ abtat. Doch Trumps Realität funktioniert anders. In einer Rede im März 2025 stellte er infrage, ob Kopenhagen überhaupt das Recht habe, die Insel zu beanspruchen, und erklärte offen: „Ich glaube, das wird passieren.“ Die Worte eines politischen Spinners, der seit elf Monaten die Welt terrorisiert. Man sollte ihm einfach einmal klar sagen: „Es reicht“.

Fortsetzung folgt …

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Marlene Schreiber
Marlene Schreiber
1 Tag zuvor

Einfach nur unfassbar.

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