Ex-Fußballprofi abgeschoben wegen eines Tattoos – Der Wahnsinn der neuen US-Politik

VonRainer Hofmann

März 23, 2025

Er war Torwart. Vater. Fußballfan. Und jetzt: Häftling in einer der härtesten Strafanstalten der westlichen Hemisphäre. Jerce Reyes Barrios, ein 36-jähriger venezolanischer Ex-Profi, wurde Mitte März von den USA nach El Salvador abgeschoben – wegen eines Tattoos, das angeblich die Zugehörigkeit zur Gang „Tren de Aragua“ belegen soll.

Doch was wie eine gezielte Anti-Gang-Operation verkauft wird, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein Exempel politischen Wahnsinns. Und als tragische Geschichte eines Mannes, dessen einziges Vergehen womöglich seine Liebe zu Real Madrid war.

Reyes Barrios trägt ein Tattoo: eine Krone, ein Fußball, ein Rosenkranz und das Wort „Dios“. Für ihn eine Hommage an seinen Lieblingsverein. Für die US-Behörden ein Indiz für Gangzugehörigkeit. Zusammen mit einer Handgeste auf Social Media – ein „I love you“-Zeichen in Gebärdensprache, missverstanden als Bandenzeichen – wurde daraus ein Abschiebungsgrund. Seine Anwältin Linette Tobin nennt das Verfahren eine Farce: „Er hat nie ein Verbrechen begangen, ist legal eingereist, hat auf seinen Asyltermin gewartet – und wurde ohne Anhörung abgeschoben.“

Reyes Barrios war im September 2024 an einem Grenzübergang in Kalifornien festgenommen worden, als er pünktlich zu seinem CBP-One-Termin erschien. Ein Programm, eingeführt unter Joe Biden, das Ordnung in das Asylsystem bringen sollte. Doch nach Trumps Rückkehr ins Amt wurde es umfunktioniert: zur Schleuse, zur Falle.

Reyes Barrios wurde zusammen mit 260 weiteren Venezolanern in einem der ersten Massenflüge abgeschoben – direkt ins „Centro de Confinamiento del Terrorismo“ (CECOT), das von Menschenrechtsorganisationen weltweit wegen systematischer Misshandlungen kritisiert wird. Ein Hochsicherheitsgefängnis, in dem seit 2022 über 85.000 Menschen inhaftiert wurden – viele ohne Anklage, ohne Verfahren, ohne Hoffnung. Nach internen Quellen soll die Zahl inzwischen auf über 100.000 Insassen gestiegen sein.

Seine Frau Mariyen Araujo, die mit zwei der vier gemeinsamen Kinder in Mexiko geblieben ist, sagt: „Das ist keine Justiz. Das ist Willkür.“ Auch sie hat ein Tattoo. Eine Rose. „Ich habe Angst, überhaupt in die USA zu reisen“, sagt sie. „Was, wenn sie mich von meinen Kindern trennen?“

Der Fall Reyes Barrios ist kein Einzelfall. Auch Nolberto Aguilar, ein venezolanischer Influencer mit mehr als 40.000 Followern, wurde abgeschoben – wegen eines Tattoos, das angeblich Würfel und Spielkarten zeigt. In Wirklichkeit, so seine Schwester, überdeckte es eine Narbe aus der Jugend. Beide Männer hatten nie eine Vorstrafe, nie Kontakt mit kriminellen Gruppen.

„Wir sind Bauernkinder“, sagt Jennifer Aguilar. „Wir flohen vor Hunger, vor Diktatur, vor Gewalt. Und nun sitzen unsere Brüder in einer Zelle, in einem Land, das sie nie betreten haben.“

Der Deal zwischen Trumps Regierung und dem autoritären Präsidenten El Salvadors, Nayib Bukele, sieht vor, dass das mittelamerikanische Land gegen Bezahlung Migranten aufnimmt, die in den USA als „Gefahr“ eingestuft wurden. Offizielle Begründung: Terrorabwehr. Tatsächliche Wirkung: Auslagerung von Verantwortung. Laut Medienberichten zahlt die US-Regierung rund 24.000 Dollar pro Häftling an El Salvador – ein Preis für Menschenleben hinter Gittern. Der Politikwissenschaftler Michael Ahn Paarlberg nennt es „einen tropischen Gulag“. Und die salvadorianische Justiz? Kennt keine Rechtsgrundlage für diese Internierungen.

Eine Klage gegen Trumps Anwendung des „Alien Enemies Act“ von 1798 ist in Vorbereitung. Doch selbst wenn sie Erfolg hat – für Männer wie Reyes Barrios könnte es zu spät sein. Der nächste Gerichtstermin, bei dem sein Asylantrag verhandelt worden wäre, war für den 17. April angesetzt. Er wird fehlen.

„Mein Sohn ist kein Krimineller“, sagt seine Mutter. Und seine Frau fügt hinzu: „Er war ein Vorbild. Als Spieler. Als Vater. Als Mensch.“

Und nun? Schweigen. Gitter. Verlorene Hoffnung.

Was bleibt, ist die Frage: Wie viele Unschuldige muss man opfern, um Härte zu demonstrieren?

Und wie lange noch können Demokratien ihre Prinzipien überleben, wenn sie beginnen, sich wie ihre Gegner zu verhalten?

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