Es ist nur ein Begriff. Und doch ist er wie ein Sprengsatz in der politischen Sprache: Remigration. Donald Trump nutzt ihn, als sei er Verwaltungssprache. Als ginge es um Rückkehrhilfen, Anträge, ordentliche Verfahren. Tatsächlich aber steht dahinter ein Vorhaben, das Kritiker unmissverständlich benennen: ethnische Säuberung in Bürokratieform.
Acht Monate nach Trumps erster öffentlicher Forderung nach einer Remigrationspolitik kündigte sein Außenministerium nun offiziell an, ein eigenes Amt für Remigration zu gründen. Die bisher für Flüchtlingshilfe zuständige Behörde – unter anderem für afghanische Verbündete der USA – soll umgebaut, Mittel umgeleitet, Personal neu eingesetzt werden. Ziel: Menschen nicht zu integrieren, sondern zu entfernen. Das neue Büro soll laut Plan als „Drehscheibe für Rückführungsverfolgung“ fungieren.
Die AfD wird vor Freude hüpfen. Ihre Wählerinnen und Wähler auch – zumindest bis zu dem Moment, in dem die abstrakte Härte zur konkreten Grausamkeit im eigenen Umfeld wird. Wenn nicht mehr nur über „Fremde“ gesprochen wird, sondern Nachbarn verschwinden, Freundinnen schweigen, ganze Familien aus dem Alltag herausgerissen werden. Dann wird aus Remigration Realität. Und aus Zustimmung: Furcht.
Trump hatte den Begriff im September 2024 erstmals öffentlich verwendet – als Drohung gegen Kamala Harris’ angeblich illegal eingelassene Migranten. Schon damals war es kein Zufall, dass er gleichzeitig haitianische Staatsbürger in Ohio und venezolanische Geflüchtete pauschal als „Invasoren“ beschimpfte. Und dass er damit auf eine Wortwahl setzte, die in Europa längst Symbol für die radikale Rechte geworden ist.
Martin Sellner, österreichischer Aktivist und intellektueller Stichwortgeber der Neuen Rechten, propagiert seit Jahren die Idee der Remigration. Sein dreistufiger Plan, zuletzt auf seiner Website veröffentlicht, liest sich wie ein Copy-Paste von Trumps aktueller Politik: Die Invasion stoppen, Familiennachzug unterbinden, Ultimaten setzen, Geldzahlungen für freiwillige Ausreise anbieten, Humanitäre Hilfe kürzen.
Und genau das geschieht. Die Trump-Regierung bietet Migranten, die sich über die CBP Home App „selbst abschieben“, 1.000 Dollar. Gleichzeitig versuchte sie, Rechtsberatung für unbegleitete Kinder zu streichen. Nur Gerichte konnten die Maßnahme stoppen.
Julia Ebner vom Institute for Strategic Dialogue nennt den Begriff „Remigration“ eine „verharmlosende Verpackung für systematische Vertreibung“. In Deutschland und Österreich, sagt sie, ist die Nähe zur Sprache des Holocaust offensichtlich – auch wenn sie nun technokratisch daherkommt. Was heute als Sicherheitsmaßnahme verpackt wird, erinnert in beunruhigender Weise an das Vorgehen im Dritten Reich: Die staatlich legitimierte Entfernung von Menschen aus dem gesellschaftlichen Leben – nicht, weil sie eine akute Bedrohung darstellten, sondern weil sie als unerwünscht galten. Die Parallelen zur rassistischen Vertreibungspolitik der 1930er-Jahre sind unübersehbar – auch wenn sie heute im Ton technokratischer klingt.
Die Realität ist dabei alles andere als abstrakt. Laut Washington Post sollen künftig 3.000 Migranten pro Tag verhaftet werden. Die Zahlen stammen direkt von Kristi Noem und Stephen Miller. Und sie sind nicht nur Zielvorgaben – sie sind Befehl. Bundesbeamte werden gezwungen, an Razzien teilzunehmen. Auch in eigentlich geschützten Räumen: Gerichte, Kirchen, Krankenhäuser.
Nayna Gupta vom American Immigration Council bringt es auf den Punkt: „Sie verhaften Menschen, die exakt das tun, was das Gesetz verlangt – sie erscheinen zu ihren Anhörungen.“ Weil das einfach sei, effizient. Weil es um Quote geht, nicht um Gerechtigkeit.
Greg Chen von der American Immigration Lawyers Association spricht offen von einem Angriff auf das Rechtssystem selbst. „Richter sollen nicht mehr abwägen, sondern liefern.“
Trump, Vance, Rubio, Bondi – sie alle sitzen auf dieser neuen Verwaltungsarchitektur, die in Wahrheit ein System kalter Entmenschlichung ist. Und während die Zustimmung in Umfragen sinkt – laut Gallup unterstützt nur ein Drittel Trumps Forderung nach vollständiger Ausweisung aller Undokumentierten – wächst der Apparat weiter.
Die AfD wird jubeln. Die FPÖ ebenso. Und in Italien gab es Anfang Mai bereits den ersten internationalen Remigration Summit – mit 400 Teilnehmern aus den USA, Frankreich, Deutschland, Irland. Mit dabei: Jacky Eubanks, Trump-Unterstützerin, die erklärte, „Europäer seien das Gründungsvolk der USA“ – und damit die Existenz indigener Völker leugnete. Man muss sich nichts mehr ausmalen. Alles liegt offen. Die Begriffe sind bekannt. Die Maßnahmen sichtbar. Die Ideologie ausgesprochen.
Deutschland und Europa sind gefordert. Denn mit einem Land, das ein Amt für Remigration einrichtet – einen institutionellen Rahmen für Deportation, Einschüchterung und systematische Ausgrenzung –, möchte man eigentlich keine strategische Partnerschaft pflegen. Man möchte keine Gipfelerklärungen unterzeichnen, keine Handelsabkommen feiern, keine gemeinsamen Werte beschwören. Denn was dort gerade entsteht, ist kein technisches Verwaltungsdetail. Es ist ein politischer Dammbruch. Und wer jetzt schweigt, macht sich nicht nur mitschuldig – er macht sich überflüssig in der Verteidigung dessen, was wir noch immer offene Gesellschaft nennen.
Was bleibt, ist die Frage: Wie lange noch wird man das „Remigration“ nennen dürfen – ohne dabei zu sagen, was es ist?
Ein anderer Name für Vertreibung. Und für das, was eine Demokratie nur überlebt, wenn sie sich dagegen stellt.

1933 in Deutschland. Wir wissen was folgte.
Wer soll aber diesen Wahnsinnigen mit seinen willfähigen Helfern aufhalten?
Ich sehe schwarz.
Für die USA und den Rest der Welt