Frankreich verändert gerade etwas Grundlegendes in seinem Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft. Ein Land, das seit Jahrzehnten in Frieden lebt, führt einen bezahlten, freiwilligen Militärdienst für junge Erwachsene ein. Nicht als Nostalgieprojekt, sondern als Antwort auf eine Lage, die in Europa niemand mehr ignoriert: den Druck aus Moskau, die Aufrüstung rund um die EU und den schwindenden Glauben daran, dass Frieden selbstverständlich sei. Emmanuel Macron hat den Schritt in den französischen Alpen vorgestellt, an einem Standort, der eher nach Bergruhe aussieht als nach politischer Grundsatzrede. Der Präsident sprach davon, dass eine Generation bereitstehe, ihrem Land zu dienen – und dass der Staat dieser Bereitschaft endlich eine Struktur geben müsse. In einem Europa, „in dem Gewalt wieder vor Recht steht“, wie er es ausdrückte, könne Frankreich nicht unvorbereitet bleiben.

Emmanuel Macron mahnt, Frankreich dürfe kein Bild der Schwäche abgeben – und bereitet zugleich einen neuen freiwilligen Militärdienst vor, der die Verteidigungsfähigkeit des Landes angesichts der Bedrohung durch Russland stärken soll.
Der neue Dienst richtet sich an junge Menschen, die am Anfang ihres Lebens und ihrer Entscheidungen stehen. Zehn Monate, ein Monat Grundausbildung, der Rest verteilt auf verschiedene Aufgabenbereiche. Die Freiwilligen bekommen Ausrüstung, Kleidung, eine monatliche Zahlung von rund 800 Euro – nicht üppig, aber ein Signal, dass es sich um einen echten Dienst handelt und nicht um symbolische Jugenderziehung. Auslandsmissionen sind ausgeschlossen. Am Ende des Programms können die Freiwilligen entweder zur Armee wechseln oder in die Reserve eintreten. Frankreich ist damit nicht allein. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine 2022 haben Staaten in ganz Europa ihre alten Gewissheiten neu sortiert. Kroatien hat die Wehrpflicht zurückgebracht. Polen will jedem jungen Mann eine Form von militärischer Ausbildung zugänglich machen. Dänemark beginnt, Frauen einzuziehen. Deutschland diskutiert offen über eine Ausweitung der Rekrutierung. Und auf der anderen Seite der Ostsee haben Estland, Lettland und Litauen längst Modelle, die universeller sind als vieles, was Westeuropa gewohnt ist.
In Frankreich selbst wird dieses neue Programm aber aufgeladen – nicht zuletzt wegen der Worte des obersten Generals des Landes. General Fabien Mandon hatte vor wenigen Tagen gesagt, Frankreich müsse akzeptieren, dass ein zukünftiger Krieg „den Verlust unserer Kinder“ bedeuten könne. Es war ein Satz, der das Land spaltete und sofort die Frage öffnete, ob die politische Führung die Öffentlichkeit an eine andere Realität heranführt. Der General warnte, dass Russland sich aus seiner Sicht auf eine mögliche Konfrontation ab 2030 vorbereite. Gemeinden und Städte sollten junge Menschen ermutigen, sich nicht von außen auf die Lage einstellen zu lassen, sondern selbst Teil der nationalen Verteidigungsfähigkeit zu werden. Sein Hinweis war klar: Frankreich habe Wirtschaftskraft, Bevölkerung und Wissen – aber es müsse lernen, dass Sicherheit immer einen Preis hat.
Macron stellte einen neuen freiwilligen Militärdienst vor, der zehn Monate dauert und mit 800 Euro monatlich bezahlt wird. Zum Start im Jahr 2026 sollen 3.000 junge Menschen teilnehmen, bis 2035 soll das Programm auf 50.000 Plätze anwachsen. Nur im Fall einer schweren nationalen Krise könnte das Parlament den freiwilligen Dienst in eine Pflicht umwandeln.
Manche Politiker hielten Mandons Warnung für unnötig zugespitzt. Macron stellte sich vor ihn, sprach davon, dass seine Worte verstellt worden seien – und dass niemand in Frankreich in den Krieg nach Ukraine geschickt werde. Gleichzeitig betonte er, dass das Bündnis zwischen Bevölkerung und Armee gestärkt werden müsse. Genau das ist die politische Achse, auf der der neue Dienst ruht. Der Schritt kommt jedoch nicht ohne Kritik. Manche sehen darin einen Versuch, Jugendliche mit einem ungünstigen Lohn in ein Programm zu ziehen, dessen Ziel ihnen unklar bleibt. Manon Aubry von „La France Insoumise“ formulierte es hart: Der Präsident biete jungen Menschen nichts anderes an, „als sie auf seine Kriege vorzubereiten“. Sie verweist auf die Zahlung, die unter dem Mindestlohn liegt – und die Frage, ob ein Staat mit knappen Haushalten und wachsender Verschuldung wirklich ein neues Großprogramm schultern sollte.

Die gedankliche und staatliche Aufrüstung geht weiter – ganz wie in den Jahren vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Frankreich führt nun einen freiwilligen Militärdienst für junge Menschen ab 18 ein, wie Macron angekündigt hat. Im Grunde folgt Paris damit Ländern wie Belgien und Deutschland, die bereits wieder auf freiwillige Formen der Dienstpflicht setzen.
Gleichzeitig zeigen Umfragen, dass fast vier von fünf Menschen in Frankreich den neuen Dienst befürworten. Das Land hat über Jahre hinweg erlebt, wie Russland über Energiepolitik, Einflussoperationen und militärische Gewalt europäische Staaten unter Druck setzt. Dass Macron die Lage nicht dramatisiert, sondern sachlich beschreibt, scheint viele zu überzeugen. Die französische Armee, die rund 200.000 aktive Kräfte und 45.000 Reservisten hat, will im kommenden Jahr 3.000 Freiwillige aufnehmen und die Zahl innerhalb von zehn Jahren auf 50.000 steigern. Das Programm wird also wachsen – und es wird viel darüber verraten, wohin Frankreich sich sicherheitspolitisch bewegen will.

Der französische Generalstabschef Fabien Mandon hat erklärt, man müsse mit einem möglichen militärischen Konflikt mit Russland um das Jahr 2030 rechnen – und sogar akzeptieren, dass dabei eigene junge Menschen sterben könnten. Kritiker sehen darin den Versuch, die Bevölkerung psychologisch auf eine größere Konfrontation einzustimmen. Gleichzeitig wird betont, dass die Lage heute nicht mit 1940 vergleichbar ist und Russland kein Interesse habe, Westeuropa zu erobern. Worauf es tatsächlich hinauslaufen könnte, sei eher ein Konfliktszenario wie 1914 – ausgelöst durch Bündnispflichten. Sollte Frankreich kämpfen müssen, dann wohl nicht zur Verteidigung des eigenen Territoriums, sondern zum Schutz anderer NATO-Staaten wie Litauen, Lettland oder Estland.
Die Regierung stellt die Situation dennoch so dar, als stünde Frankreich selbst unmittelbar vor einer Bedrohung. Wer dem widerspricht, wird schnell als „beschwichtigend“ abgestempelt. Dabei liegt die eigentliche Gefahr für Frankreich – so die Kritik – weniger in Russland, sondern in der politischen Unfähigkeit, sich aus bestimmten Bündnislogiken zu lösen.
Was bleibt, ist ein Europa, das sich langsam an ein neues Zeitalter gewöhnt. Die Angst, ein falsches Signal zu setzen, sitzt tief. Aber die Vorstellung, dass der Frieden von selbst bleibt, trägt nicht mehr. Frankreich hat sich entschieden, diese neue Realität öffentlich zu machen – und sie nicht länger hinter Haushaltszahlen, Diplomatiefloskeln oder europäische Abstimmungen zu verstecken.
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