Washington – Es war ein einziger Satz aus dem höchsten Gericht des Landes, doch seine Wirkung trifft Millionen: Der Supreme Court hat am Dienstag die Anordnung verlängert, die die Auszahlung der vollen Lebensmittelhilfen blockiert. Während sich im Kongress Anzeichen eines Endes des historischen Shutdowns mehren, bleibt damit eine der empfindlichsten sozialen Adern des Landes weiterhin abgedrückt.
Die Entscheidung fiel im Eilverfahren, im sogenannten shadow docket – ohne mündliche Anhörung, ohne schriftliche Begründung, aber mit massiver sozialer Tragweite. Nach Angaben des Gerichts stimmte lediglich Richterin Ketanji Brown Jackson dagegen und plädierte für die sofortige Wiederaufnahme der vollen Leistungen. Die übrigen Richter ließen die vorläufige Sperre bestehen – und damit die Entscheidung des Landwirtschaftsministeriums, das SNAP-Programm bis auf Weiteres einzufrieren.
Die demokratische Abgeordnete Rosa DeLauro verurteilte im Rules Committee die Grausamkeit dieser Entscheidung, als das Urteil eben bekannt wurde
So bleibt das Land gefangen zwischen Hunger und Hoffnung. In manchen Bundesstaaten erhielten Familien bereits ihre vollen Beträge aus dem Supplemental Nutrition Assistance Program, während in anderen kein einziger Dollar geflossen ist. Für Millionen Menschen, die von diesen Leistungen abhängen, bedeutet das: leere Kühlschränke, verzweifelte Anrufe bei Hilfswerken, improvisierte Mahlzeiten aus Resten. Etwa jeder achte Amerikaner ist betroffen – Kinder, Alleinerziehende, Rentner, Menschen, die trotz Arbeit nicht genug verdienen, um sich das Nötigste zu leisten.
Der Ursprung dieser Krise liegt in einer Entscheidung der Trump-Regierung. Anfang Oktober, zu Beginn des Haushaltsstillstands, kappte das Landwirtschaftsministerium die Finanzierung des SNAP-Programms. Die Begründung: Ohne neues Budget dürfe kein Geld fließen. Doch diese Entscheidung löste eine Welle von Klagen aus, die quer durchs Land gingen – begleitet von sich widersprechenden Urteilen, einstweiligen Verfügungen und hektischen Gegenanträgen. Was als Haushaltsstreit begann, wurde binnen Tagen zu einem Grundsatzkonflikt über staatliche Verantwortung und das Recht auf Nahrung.
Währenddessen bewegt sich das politische Washington langsam auf eine Lösung zu. Der Senat hat am Sonntagabend mit 60 zu 40 Stimmen einem Kompromiss zugestimmt, der den längsten Shutdown in der Geschichte der Vereinigten Staaten beenden soll. Nun liegt der Entwurf beim Repräsentantenhaus, das bereits am Mittwoch darüber abstimmen könnte. Sollte der Haushalt verabschiedet werden, würden die Bundesbehörden ihre Arbeit wieder aufnehmen – darunter auch das Landwirtschaftsministerium, das für die Auszahlung der Lebensmittelhilfen zuständig ist. Doch bis dahin bleibt die Entscheidung des Supreme Court bestehen.
Doch selbst wenn der Stillstand endet, bleibt ungewiss, wann die Betroffenen ihr Geld tatsächlich sehen. Viele Staaten haben ihre Systeme heruntergefahren, Guthaben auf den Karten eingefroren, geplante Auszahlungen gestoppt. Lebensmittelhändler und Tafeln berichten von wachsendem Druck, während Spendenlager leerlaufen. In Notküchen von Chicago bis Miami stehen Familien stundenlang an, um Brot, Milch und Dosenobst zu bekommen – die Grundnahrungsmittel eines Landes, das sich selbst als wohlhabend bezeichnet.

Die Whitney Young High School und der Skinner Park Advisory Council veranstalten eine Lebensmittelspendenaktion in Chicago, um während der eingefrorenen SNAP-Finanzierung bedürftige Familien zu unterstützen.
Die Entscheidung des Supreme Court verlängert diesen Schwebezustand – und zeigt, wie tief politische Machtspiele in das Leben der Schwächsten eingreifen. Der Streit um SNAP ist längst mehr als eine Verwaltungssache. Er ist zu einem moralischen Bewährungsprobe geworden: Wie viel Verantwortung trägt der Staat für jene, die ohne ihn nicht überleben könnten? Wie viel Verantwortung trägt eine Gesellschaft, um die Macht ihrer Regierungen nicht übermächtig werden zu lassen?
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