Acht Stimmen haben gereicht, um den längsten Regierungsstillstand der amerikanischen Geschichte zu beenden. Acht Stimmen, die das Land aus der Lähmung führten – und zugleich tiefer in die Selbstvergessenheit stürzten. Sie kamen von Senatorinnen und Senatoren, die sich selbst als Pragmatiker sehen, als Brückenbauer, als Retter vor dem Chaos. In Wahrheit haben sie gezeigt, dass sie das Wesen dieses Chaos noch immer nicht verstanden haben.

Dick Durbin aus Illinois, Angus King aus Maine, Tim Kaine aus Virginia, John Fetterman aus Pennsylvania, Jeanne Shaheen und Maggie Hassan aus New Hampshire sowie Catherine Cortez Masto und Jacky Rosen aus Nevada – sie alle gaben nach, als die politische Erschöpfung über die Einsicht siegte. Sie stimmten für ein Ende des Stillstands, der längst mehr war als ein Haushaltsstreit. Es war ein Machtkampf um das Wesen der Demokratie.
Denn Trump hat nie um Zahlen gerungen, er hat um Unterwerfung gerungen. Er will beweisen, dass der Staat nur noch existiert, wenn er es will. Dass Regeln, Institutionen, selbst der Kongress, letztlich Staffage sind, die seine Willkür legitimieren sollen. Und diese Acht gaben ihm das Zeichen, das er brauchte: dass man ihn noch immer wie einen Präsidenten behandelt – und nicht wie das, was er längst geworden ist – ein permanenter Ausnahmezustand im Anzug. In Washington nennt man das Kompromiss. Aber in Wahrheit war es das Gegenteil von Staatskunst. Es war der Moment, in dem die Furcht vor dem nächsten Tweet größer wurde als die Furcht vor der Geschichte. Man wollte zur Normalität zurückkehren, obwohl jeder Tag dieser Präsidentschaft der Beweis ist, dass es keine Normalität mehr gibt.
Diese Acht, sagen ihre Sprecher, hätten „das Land vor noch größerem Schaden bewahrt“. Doch welchen Schaden meinen sie – den der Haushaltsblockade oder den, den Trump längst in den Grundfesten der Republik anrichtet? Wer glaubt, man könne ihn mit Gesten der Vernunft befrieden, hat nicht begriffen, dass Trump von der Kapitulation anderer lebt. Er braucht keine Siege auf dem Papier, solange seine Gegner glauben, sie könnten sich den Anschein der Kontrolle bewahren. Viele in ihrer Partei reagierten fassungslos. In den Stunden nach der Abstimmung war auf X zu lesen: „Das ist kein Deal. Das ist eine Kapitulation. Knie dich nicht hin!“ Worte, die den Zorn vieler trafen, die in den letzten Wochen sahen, wie Krankenhäuser ihre Zuschüsse verloren, wie Lebensmittelhilfen ausblieben, wie ganze Städte in Unsicherheit verharrten. Für Millionen Familien war dieser Stillstand keine politische Auseinandersetzung, sondern ein täglicher Kampf ums Überleben. Und doch gaben acht den Druck nach – als hätte das Land noch nicht genug gelitten.
Vielleicht haben sie es wirklich nicht. Vielleicht haben sie nicht gespürt, was es bedeutet, wenn eine Regierung bewusst ihre eigene Bevölkerung als Faustpfand missbraucht. Wenn Rentner ihre letzten Lebensmittel spenden, weil die staatliche Hilfe ausbleibt. Wenn ein 71-Jähriger schreibt, er gebe Essen aus seinem Oktober-Guthaben an einen jungen Arbeiter, der sich kaum die Miete leisten kann, während seine SNAP-Leistungen für November immer noch fehlen. Aktuell warten wir ab, ob der Supreme Court sich heute noch dazu äussert.
Vielleicht sehen sie das alles nur als Kollateralschaden eines Systems, das sich an den Zynismus gewöhnt hat. Trump versteht diese Müdigkeit. Er lebt von ihr. Seine Macht wächst nicht aus Stärke, sondern aus der Erschöpfung seiner Gegner. Er weiß, dass ein Land, das sich selbst einredet, es könne den Wahnsinn durch Routine zähmen, am Ende jeden Maßstab verliert. Und die acht, die sich als Vernünftige feiern lassen, sind in Wahrheit das sichtbarste Symptom dieser kollektiven Abstumpfung.
Während in Belém, Brasilien, am Rand des Amazonas, 195 Länder um den Erhalt der Erde verhandeln, glänzt die US-Regierung durch Abwesenheit. Kein offizieller Vertreter ist erschienen. Das Schweigen der größten Wirtschaftsmacht der Welt ist lauter als jede Rede. Es ist das Schweigen einer Nation, die glaubt, sie könne sich auch von dort von der Realität abmelden – und deren politische Elite noch immer denkt, sie spiele ein vertrautes Spiel mit vertrauten Regeln. Aber die Regeln gelten längst nicht mehr. Trump hat sie verbrannt, zerfetzt, verspottet – und das Land schaut zu, als wäre es nur ein weiteres Spektakel. Acht Senatoren haben ihn in diesem Glauben bestärkt. Nicht aus Bosheit, sondern aus Unfähigkeit, zu begreifen, dass man denjenigen, der die Ordnung zerstört, nicht mit Ordnung besiegen kann.
Sie wollten Ruhe. Sie haben Ruhe bekommen. Aber sie ist die Ruhe eines Landes, das nicht merkt, dass es die Ruhe vor dem großen Sturm ist.
Investigativer Journalismus braucht Mut, Haltung und auch Deine Unterstützung.
Stärken bitte auch Sie unseren journalistischen Kampf gegen Rechtspopulismus und Menschenrechtsverstöße. Wir möchten uns nicht über eine Bezahlschranke finanzieren, damit jeder unsere Recherchen lesen kann – unabhängig von Einkommen oder Herkunft. Vielen Dank!
