Donald Trump spricht gerne von „Deals“. Als seien Kriege bloß zähe Verhandlungen über Quadratmeter, Leid ein Kollateralschaden der Diplomatie. Jetzt also Russland. Und wieder: kein Wort über Tote, keine Mahnung an den Aggressor. Nur eine nüchterne Rechnung im Oval Office: „Wenn ich denke, dass ich kurz davor bin, ein Abkommen zu erzielen, will ich das nicht durch so etwas vermasseln.“
Gemeint ist damit: Sanktionen. Gemeint ist damit: Russland nicht zu stören, während es weiter mordet, foltert, verschleppt – in Butscha, in Mariupol, in Charkiw. Und während Wladimir Putin jeden Tag erneut beweist, dass sein Krieg nicht verhandelt, sondern geführt wird – mit Raketen, mit Propaganda, mit kaltem Kalkül.
Und Trump? Er sieht sich als Dirigent eines Friedens, dessen Melodie nur er versteht. Der Präsident, der in seiner zweiten Amtszeit längst nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheidet, sondern zwischen Nützlichen und Störenden. Putin fällt dabei – wie so oft – in die erste Kategorie.
Die Gnade der Starken, das Schweigen der Schwachen
Es ist ein Muster, das sich verdichtet: Wer Gewalt ausübt, wer droht oder hasst, wird nicht etwa zur Rechenschaft gezogen – sondern hofiert. Man erinnere sich: Erst wenige Tage zuvor hatte Trump erklärt, er ziehe ernsthaft in Erwägung, Adam Fox und Barry Croft Jr., die rechtskräftig verurteilten Männer hinter dem Entführungsplan gegen Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer, zu begnadigen. Terroristen also – im wahrsten Sinne des Wortes.
Nun also Russland. Der Staat, der die UN-Charta mit Füßen tritt, der zivile Infrastruktur gezielt zerstört, der Hunger als Waffe einsetzt und systematisch Kinder aus der Ukraine verschleppt. Ein Staat, dessen Handlungen vor dem Internationalen Strafgerichtshof verhandelt werden sollten – nicht im Westflügel des Weißen Hauses.
Doch für Donald Trump ist das offenbar nebensächlich. Er will nicht „stören“. Als wäre Diplomatie ein empfindlicher Teig, der bei zu viel Druck zusammenfällt. Dabei ist es nicht Diplomatie, was hier praktiziert wird – es ist Duldung. Es ist ein Freifahrtschein für das Böse, solange es in strategische Erwägungen passt.
Eine Moral der Zweckmäßigkeit
In Trumps Weltbild ist nicht das Recht die Leitlinie, sondern die Opportunität. Menschenrechte gelten als hinderlich, Völkerrecht als lästige Etikette, Wahrheit als verhandelbar. Wer nützt, wird geschützt. Wer stört, wird geopfert.
Dass in dieser Welt ein Putin ungestraft weitermorden darf, ist keine Panne. Es ist Prinzip. Genauso wie es Prinzip ist, dass die eigene Macht über allem steht. Deshalb wird das FBI diskreditiert, deshalb werden Richter und Staatsanwälte bedroht, deshalb werden Kriminelle zu Märtyrern erklärt, wenn sie im Namen Trumps agieren.
Und deshalb wird auch Russland verschont – nicht aus Hoffnung, sondern aus Berechnung. Weil man sich von Putin keinen Frieden erwartet, sondern Einfluss, Macht, geopolitische Schachzüge. Auf dem Rücken derer, die heute in zerbombten Krankenhäusern sterben.
Das Aussterben der Wirklichkeit
Doch wie lange lässt sich ein solches Weltbild halten? Wie lange kann ein Präsident so tun, als sei Mitgefühl Schwäche und Rechenschaft Ballast? Wie lange kann ein Land sich das leisten?
Die Wahrheit ist: Nicht mehr lange. Denn Trumps Vision einer Weltordnung – geprägt von Deals mit Despoten und Gnadenakten für Gewalttäter – ist nicht nur moralisch bankrott, sondern gefährlich. Sie zerstört die Idee der Demokratie von innen heraus. Sie macht Täter zu Helden und Opfer zu Randfiguren.
Wer wie Trump Sanktionen gegen Russland zurückhält, während Bomben auf ukrainische Städte fallen, begeht keinen diplomatischen Balanceakt – er vollzieht eine moralische Kapitulation.
Und wer glaubt, dass Frieden durch Schweigen gegenüber dem Mörder erreicht werden kann, der lebt nicht in der Realität.
Er lebt in einem Spiegelkabinett, in dem die Wahrheit sich verbiegt – bis sie ihm gefällt.