„Trump kennt nur Loyalität – Wie der Präsident eine Familie begnadigt, die sich selbst die ‘Trumps des Südens’ nennt“

VonRainer Hofmann

Mai 28, 2025

Es war ein Satz wie aus einer Reality-Show – inszeniert, überdreht, doch in seinem Zynismus erschreckend echt: „Eure Eltern werden frei und rein sein – ich hoffe, schon morgen.“ Gesprochen von Donald Trump, dem 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten, in einem Telefonat mit Savannah Chrisley, Tochter eines zu mehrjähriger Haft verurteilten Prominentenpaars. Die Kamera lief mit. Das Internet jubelte. Die Demokratie schwieg.

Todd und Julie Chrisley, bekannt aus der Fernsehserie Chrisley Knows Best, wurden 2022 wegen massiven Bankbetrugs und Steuerhinterziehung verurteilt. Mehr als 30 Millionen Dollar an erschlichenen Krediten, ein Leben in Designermode, Luxuskarren und Villen – und ein Schuldenberg, den Todd Chrisley schlicht für nicht rückzahlbar erklärte, als er Insolvenz anmeldete. Die Justiz sprach klare Worte, die Haftstrafen fielen hart aus: sieben Jahre für sie, zwölf für ihn, dazu knapp 18 Millionen Dollar Wiedergutmachung.

Doch jetzt naht Rettung – ausgerechnet aus jenem Oval Office, das längst zur Bühne eines persönlichen Gnadenregimes geworden ist. Trump, der sich selbst als Opfer eines „korrumpierten, politisierten Justizapparats“ sieht, setzt seine Macht ein, um andere „Verfolgte“ zu erlösen: Reality-Stars, Republikanerinnen, konservative Spendengeber. Wer loyal ist, wer passt, wird begnadigt. Wer nicht – bleibt zurück.

Die Begnadigung der Chrisleys fügt sich in eine Serie willkürlicher Gnadenakte ein, die mehr mit Show als mit Recht zu tun haben: Der korrupte Sheriff Scott Jenkins, die wegen Betrugs verurteilte republikanische Politikerin Michele Fiore, der Steuerhinterzieher Paul Walczak – sie alle sind nun wieder frei. Nicht durch Revision, nicht durch neue Beweise – sondern durch das Wort eines Präsidenten, der Gnade mit Gefolgschaft verwechselt.

Die Chrisleys – so heißt es in der Erklärung ihres Anwalts – seien „Opfer eines politisch motivierten Verfahrens“ gewesen. Ihre konservativen Werte hätten sie angreifbar gemacht. Trump habe erkannt, was die Justiz ignoriert habe. Es ist das bekannte Narrativ: Schuld ist der „tiefe Staat“, der demokratische Richter, die Biden-Justiz. Die Tat verschwindet hinter der Identität – und mit ihr die Verantwortung.

Savannah Chrisley hatte bereits auf dem Republikanischen Parteitag 2024 die Erzählung eingeführt. Sie sprach dort, als Tochter politisch Verfolgter, als Zeugin angeblicher Justizwillkür. Ein Staatsanwalt habe ihre Familie „die Trumps des Südens“ genannt. Was als Vorwurf gemeint war, stilisierte sie zur Auszeichnung. Nun trägt sie ihn mit Stolz – und mit dem Rückenwind eines Präsidenten, der sich selbst in dieser Familie erkennt.

Doch was bedeutet es, wenn Justiz zu Inszenierung wird? Wenn Schuld oder Unschuld nicht mehr in Verfahren, sondern in Freundschaften entschieden werden? Wenn der Präsident nicht mehr im Namen des Volkes urteilt, sondern im Namen der Quote?

Trump braucht keine Jury. Er braucht nur ein Publikum.

Er vergibt nicht – er belohnt. Und wer in seiner Welt loyal ist, wer sich öffentlich bekennt, wer sich als Opfer stilisieren lässt und zugleich als Symbol seiner Bewegung hergibt, darf hoffen. Die Gnade ist nicht blind, sondern selektiv. Sie ist nicht neutral, sondern parteiisch. Sie ist nicht Recht – sie ist Rhetorik.

In einer funktionierenden Demokratie wäre die Begnadigung ein Instrument der letzten Gerechtigkeit – vorsichtig, selten, begründet. Unter Trump wird sie zur politischen Währung, zur Auszeichnung für Treue, zur Krönung eines Narrativs, das Schuld nur dort erkennt, wo keine Gefolgschaft besteht.

Die Chrisleys sind nicht die Letzten auf dieser Liste. Sie stehen exemplarisch für ein System, in dem Macht sich selbst erhält – durch Erzählung, durch Empörung, durch die bewusste Umkehr moralischer Kategorien.

„Trump knows best“, schrieb ein Berater des Weißen Hauses nach dem Anruf. Vielleicht stimmt das sogar – in einer Welt, in der Loyalität über Recht steht, und Verurteilte zu Helden werden, wenn sie laut genug rufen: Ich bin einer von euch.

Die Chrisleys sind wieder frei. Die Justiz bleibt zurück.
Und mit ihr das Prinzip, dass alle gleich seien vor dem Gesetz.

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