Die erfundene Rebellion – Wie eine Bundesrichterin Trumps Portland-Fantasien zerschlägt

VonRainer Hofmann

November 3, 2025

Portland, Oregon – In einem Land, das sich an die ständige Rhetorik von Chaos und Aufruhr gewöhnt hat, hat eine Bundesrichterin den Lärm gestoppt. Karin Immergut, eine von Donald Trump selbst ernannte Richterin, hat der Regierung untersagt, die Nationalgarde in Portland einzusetzen – zumindest vorerst. In ihrer Entscheidung fand sie „keine glaubwürdigen Beweise“, dass die Proteste in der Stadt jemals außer Kontrolle geraten seien. Damit stellt sich eine Richterin, die aus Trumps eigenem Lager stammt, offen gegen die Darstellung des Präsidenten. Wochenlang hatte das Weiße Haus Portland als „Kriegsgebiet“ beschrieben, als Stadt in Flammen, die nur mit militärischer Härte zu bändigen sei. Immerguts Urteil ist das genaue Gegenteil: nüchtern, präzise, faktenbasiert – und ein Schlag gegen die politische Dramaturgie, die auf Angst und Übertreibung baut.

Hier die Links zu unseren damaligen Recherchen und Artikel: „Die große Lüge von Portland – Wie Fox News Trump füttert und eine Stadt zum Feindbild macht unter dem Link: https://kaizen-blog.org/die-grosse-luege-von-portland-wie-fox-news-trump-fuettert-und-eine-stadt-zum-feindbild-macht/ und der Artikel: „Die große Lüge von Portland II – Trumps Drohung, Fox’ Bilder und die Wahrheit auf der Straße“ unter dem Link: https://kaizen-blog.org/die-grosse-luege-von-portland-ii-trumps-drohung-fox-bilder-und-die-wahrheit-auf-der-strasse/

„Von den apokalyptischen Bildern, die das Weiße Haus zeichnete, war in Portland nichts zu finden“

In dem dreitägigen Prozess, den Stadt und Bundesstaat Oregon angestrengt hatten, ging es um die Frage, ob die nächtlichen Demonstrationen vor einem Gebäude der Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) einen Einsatz des Militärs rechtfertigten. Die Regierung argumentierte, sie müsse „Rebellion“ und „Gefahr der Aufruhr“ bekämpfen – zwei Begriffe, die das Bundesrecht für den innerstaatlichen Militäreinsatz kennt. Immergut sieht das anders. In einem 16-seitigen Beschluss schrieb sie, die Beweise zeigten kein Muster unkontrollierter Gewalt, sondern „vereinzelt und sporadisch auftretende Vorfälle“. Es habe keine ernsthaften Verletzungen gegeben, keine Zerstörung von Bundesgebäuden, keine Anzeichen für einen Aufstand. Der angebliche Ausnahmezustand, den Trump im Herbst ausgerufen hatte, sei „nicht durch Fakten gedeckt“. Die Richterin verwies ausdrücklich auf den Umfang der Beweisaufnahme: mehr als 750 eingereichte Beweisstücke und eine Vielzahl von Zeugenaussagen. Aufgrund dieser Materialfülle kündigte sie an, am Freitag, dem 7. November 2025, eine endgültige Anordnung zu erlassen.

Bis zur Veröffentlichung ihrer endgültigen Entscheidung über den Antrag des Bundesstaates Oregon auf eine dauerhafte einstweilige Verfügung – spätestens am 7. November 2025 um 17 Uhr pazifischer Zeit – untersagte Richterin Karin J. Immergut Verteidigungsminister Pete Hegseth vorläufig, mehrere Anordnungen zur Föderalisierung und Entsendung von Nationalgardeeinheiten nach Oregon umzusetzen. Betroffen sind das Memorandum vom 28. September 2025 zur Föderalisierung und Entsendung der Oregon National Guard, das Memorandum vom 5. Oktober 2025 zur Entsendung der Texas National Guard, soweit diese in Oregon eingesetzt werden sollte, sowie das Memorandum vom 16. Oktober 2025, das Truppen der Nationalgarden von Kalifornien und Texas nach Oregon verlegen wollte. Auch alle weiteren Befehle, die sich auf dieselben rechtlichen Voraussetzungen stützen, dürfen bis auf Weiteres nicht umgesetzt werden. Zugleich setzte das Gericht einen Teil der einstweiligen Verfügung aus – nämlich jenen, der die reine Föderalisierung einzelner Bundesstaaten-Garden betrifft – bis zur Veröffentlichung der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache.

„Die Gewalt und die Aggressionen gingen nicht von den Demonstrierenden, sondern von staatlichen Kräften aus“

Zeugen sagten aus, die Proteste hätten sich seit Juni deutlich abgeschwächt. Ein hochrangiger Beamter des Federal Protective Service, der aus Sicherheitsgründen nur mit seinen Initialen R.C. genannt wurde, sagte vor Gericht, er sei „überrascht“ gewesen, als er von der geplanten Truppenentsendung erfuhr. Er habe sie weder beantragt noch befürwortet. Ein anderer Beamter gab zu, dass die Demonstranten gelegentlich aggressiv gewesen seien, doch die Polizei der Stadt habe die Lage unter Kontrolle gehabt.

Für Oregon und Portland ist das Urteil ein Wendepunkt. Seit Trumps zweiter Amtszeit haben mehrere demokratisch regierte Städte – darunter Chicago und Seattle – vor Gericht gegen die Militarisierung der öffentlichen Ordnung geklagt. Sie alle argumentieren, der Präsident überschreite seine verfassungsmäßigen Befugnisse und verletze die Souveränität der Bundesstaaten. Immergut hatte bereits im Oktober 2025 zweimal ähnliche Anordnungen erlassen. Damals befand sie, Trump habe die rechtlichen Voraussetzungen für die Mobilisierung der Nationalgarde nicht erfüllt. Seine Beschreibungen von Portland als „vom Krieg verwüstet“ und „überall brennend“ bezeichnete sie als „nicht an die Tatsachen gebunden“. Eine Richterin, die sonst als konservativ gilt, entlarvte die Rhetorik ihres eigenen Präsidenten als politische Erfindung.

Das Berufungsgericht hob seine eigenes Urteilper en-banc-Beschluss wieder auf; der Einsatz der Truppen bleibt bis zur Hauptentscheidung blockiert. Immergut ließ die bloße Föderalisierung vorläufig zu, untersagte aber jede Entsendung bis zum 7. November 2025, 17:00 Uhr PT (Pacific Time). Siehe unseren Artikel „Berufungsgericht kippt sein eigenes Urteil zum Portland-Einsatz der National Garde“ unter dem Link: https://kaizen-blog.org/berufungsgericht-kippt-sein-eigenes-urteil-zum-portland-einsatz-der-national-garde/

Die juristische Auseinandersetzung ist auch ein demokratischr Test. Sie zeigt, wie dünn die Grenze zwischen Sicherheitsversprechen und Machtmissbrauch geworden ist. Bundesrichterin Immergut hat festgehalten, dass die Regierung keine „Rebellion“ bekämpft, sondern Bürgerinnen und Bürger, die demonstrieren. In einer Zeit, in der die politische Sprache von Übertreibung lebt, wirkt dieses Urteil wie ein Dokument der Realität. Es erinnert daran, dass Justiz kein Resonanzraum für Propaganda ist, sondern ein Schutzwall gegen sie. Trumps Regierung kann weiter von Aufständen sprechen – doch im Gerichtssaal gelten Beweise, nicht Schlagzeilen.

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Ela Gatto
Ela Gatto
8 Stunden zuvor

Klasse Richterin!
Hoffentlich bleibt sie am Freitag bei dieser Entscheidung.

Aber wahrscheinlich geht Trump dann eine Instanz höher und gewinnt wieder.

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