Die Welt dreht sich schneller, aber wohin? Was gestern noch unumstößlich schien, wird heute angezweifelt, verdreht, instrumentalisiert. Die Vergangenheit verschwindet, die Erinnerung wird gelöscht, und am Ende bleibt eine neue Realität – eine, die sich nicht an Fakten, sondern an Interessen orientiert. Orwell hatte es vorhergesehen: „Die Vergangenheit wurde getilgt, die Tilgung wurde vergessen, die Lüge wurde Wahrheit.“
Die politische Landschaft Europas und der USA befindet sich in einem gefährlichen Strudel. In Deutschland erstarkt die AfD, eine Partei, deren Rhetorik von völkischem Nationalismus durchsetzt ist, in den USA spielen Trump und seine Verbündeten ein skrupelloses Spiel mit der Realität. Während Bischof Bätzing noch einmal betont, dass Christentum und Nationalismus unvereinbar sind, haben sich längst Netzwerke etabliert, die mit genau diesen Strukturen arbeiten – in der CDU, in Think Tanks, in Medienhäusern.
Und hier liegt das Problem: Die Wahrheit ist unter Beschuss. Die Grenzen zwischen legitimer konservativer Politik und gezielter rechtsextremer Einflussnahme verschwimmen.
Wer kritisch nachfragt, wer Verbindungen offenlegt, wer Missstände enthüllt, sieht sich sofort dem Vorwurf ausgesetzt, ein „Linksaktivist“ zu sein. Es ist eine gezielte Strategie: Fakten werden relativiert, unliebsame Recherchen diskreditiert, und plötzlich steht jede Enthüllung unter dem Generalverdacht der politischen Agenda. Dabei liegt das eigentliche Problem ganz woanders: Die Grenzen zwischen fundierter Kritik und überzogener Spekulation verschwimmen.
Die AfD feiert Wahlerfolge in fast allen Regionen – ein klares Zeichen für eine ideologische Verschiebung in Teilen der Gesellschaft. Doch bedeutet das automatisch auch, dass sich die CDU bereits unwiderruflich auf einen Trump’schen Kurs begeben hat? Ja, es gibt transatlantische Netzwerke, es gibt gezielte Versuche, ideologische Strömungen aus den USA nach Europa zu tragen. Doch zwischen nachweisbaren Verbindungen und der Behauptung, dass die CDU/CSU von Trump-Strategen ferngesteuert werden könnte, liegen Welten.
Wenn investigative Recherchen sich auf Spekulationen stützen, wenn sie mehr Fragen aufwerfen als beantworten, geben sie genau denen Munition, die jegliche Kritik als „dünn unterlegte News“ abtun. Wer wirklich aufdecken will, muss die eigene Arbeit unangreifbar machen. Denn wer auf Verdacht konstruiert, was sich nicht belegen lässt, der schadet nicht nur der Debatte, sondern spielt am Ende denen in die Hände, die mit Desinformation Politik machen.
Genauso irreführend ist die Vorstellung, dass die Öl- und Gasindustrie als allmächtige Kraft hinter fast jeder konservativen Bewegung und Beziehungen USA zu Deutschland steht. Ja, es gibt belegbare Verbindungen zwischen fossilen Konzernen und bestimmten Netzwerken. Ja, wirtschaftliche Interessen spielen eine Rolle in politischen Entscheidungsprozessen. Aber die Realität ist komplexer als das Narrativ einer allumfassenden Verschwörung. Nicht jede konservative Strömung lässt sich auf finanzielle Einflussnahme durch die fossile Industrie zurückführen – politische Entwicklungen entstehen aus einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, nicht aus einer einzigen, monolithischen Ursache.
Währenddessen sorgt Trump erst vor einigen Minuten dafür, dass die Welt weiter ins Chaos stürzt. „Canada needs America, America does not need Canada.“ Die USA seien keine Freihandelsnation, sondern würden von allen ausgenutzt, verkündet Trump auf Truth Social. „The Entire World is RIPPING US OFF!!!“ Solche Worte sind kein politisches Programm, sondern die kalkulierte Spaltung einer globalisierten Welt. Während Diplomaten mühsam an Handelsabkommen arbeiten, während Experten versuchen, fragile wirtschaftliche Beziehungen zu stabilisieren, fährt Trump die nächste Attacke auf Verbündete.
Sein Ziel ist klar: Abschottung, Nationalismus, maximale Konfrontation. Wer nicht in sein Weltbild passt, wird als Feind erklärt – und das reicht inzwischen weit über China oder Mexiko hinaus. Jetzt trifft es auch Kanada, Großbritannien und die EU. Trumps Verbündete in Deutschland nehmen diesen Tonfall bereits an. Eine Politik, die früher undenkbar war, wird nun Stück für Stück normalisiert.
Es ist das gleiche Prinzip, das Alice Weidel bei der Sondersitzung im Bundestag anwendet: „Klimawandel ist Klima-Wahn“, poltert sie. „Herr Merz, Sie werden nicht Kanzler!“ Die politische Korrektheit? Laut AfD gehört sie „auf den Müllhaufen der Geschichte“. Und Björn Höcke geht noch weiter: „Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt.“
Diese Rhetorik ist nicht mehr nur krude Provokation – sie ist eine Strategie. Stück für Stück wird das Ungeheuerliche in den öffentlichen Diskurs getragen, bis es nicht mehr schockiert, sondern als legitime Meinung durchgeht.
Und auch Friedrich Merz trägt seinen Teil dazu bei. Die CDU drängt sich an den rechten Rand, und Merz bedient sich dabei immer wieder einer Sprache, die bis vor wenigen Jahren undenkbar war. Über Migranten sagt er: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen.“ Und über seine eigene Politik? Er werde wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen, die gerade denke und „alle Tassen im Schrank“ habe – und nicht „für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt“.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Der Mann, der als potenzieller Kanzler gehandelt wird, setzt auf eine Sprache, die nicht nur die eigene Partei nach rechts zieht, sondern die Aushöhlung des demokratischen Diskurses vorantreibt. Was Trump in den USA erfolgreich etabliert hat – das Spiel mit Spaltung, Demagogie und gezielter Eskalation – ist längst in Deutschland angekommen.
Währenddessen führt Wladimir Putin seinen Krieg gegen die Ukraine mit einer Kaltblütigkeit, die die Welt seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat. Seine Armee bombardiert zivile Ziele, Massaker an unschuldigen Menschen werden zu einem täglichen Ereignis, Kriegsverbrechen häufen sich. Folter, Verschleppungen, gezielte Zerstörung ganzer Städte – das sind keine Kollateralschäden, das ist Putins Kriegsstrategie. Er verfolgt eine Agenda der absoluten Zermürbung, eine Politik der verbrannten Erde, bei der jede moralische Grenze längst überschritten wurde. Und während Europa noch immer um den richtigen Umgang mit Russland ringt, zeigt sich: Putin hat nicht nur die Ukraine angegriffen – er testet die Standhaftigkeit des gesamten Westens.
Was bleibt, wenn Wahrheit und Lüge ununterscheidbar werden? Wenn die Grenzen zwischen kritischer Berichterstattung und politischer Manipulation verschwimmen? Orwell hatte auch hier eine Antwort: „Freiheit bedeutet die Freiheit zu sagen, dass zwei und zwei vier ist. Gilt dies, ergibt sich alles übrige von selbst.“
Das Wichtigste in dieser Zeit ist ein klarer Kopf. Nicht alles darf in einen Trump’schen Albtraum verwandelt werden, nicht jede konservative Politik ist automatisch eine Vorstufe zum Faschismus. Aber zugleich muss eines völlig klar sein: Die Nazis und Rechtsextremen müssen aus der politischen Landschaft verschwinden. Wer mit völkischem Nationalismus flirtet, wer sich bewusst an autoritäre Ideologien anlehnt, gehört nicht in ein demokratisches System.
Es ist eine Gratwanderung zwischen Wahrheit und Propaganda, zwischen berechtigter Sorge und Panikmache. Die Demokratie steht auf dem Prüfstand. Wer sie erhalten will, braucht ein unerschütterliches Fundament: Fakten, Klarheit und den Mut, sich gegen jede Form von Extremismus zu stellen.