Willkommen in Amerika, aber nur mit sauberem Handy

VonRainer Hofmann

April 6, 2025

Ein Bericht aus der Grenzzone zwischen Freiheit und Willkür.

Man betritt kein Land mehr. Man durchquert eine Prüfung. Eine moralische, elektronische, ideologische Prüfung, und oft genug eine politische.

Am 5. April 2025 wurde es amtlich: Kanadas Regierung warnt ihre Bürgerinnen und Bürger, dass sie bei der Einreise in die Vereinigten Staaten mit „besonderer Kontrolle“ rechnen müssen. Was klingt wie eine Routine-Mitteilung auf einer Reise-Website, ist in Wahrheit das Eingeständnis eines Bruchs, einer tektonischen Verschiebung in den Beziehungen zweier Länder, die sich einst Brüder nannten.

Was steckt dahinter?

Die Grenze zur USA ist nicht länger nur geografisch. Sie ist digital. Sie ist ideologisch. Sie ist unsichtbar, und doch durchdringt sie alles. Wer in die Vereinigten Staaten reist, so warnt Ottawa nun, sollte damit rechnen, dass sein Smartphone durchsucht, seine E-Mails gelesen, seine Social-Media-Posts bewertet werden.

Und wenn die Bewertung negativ ausfällt – etwa, weil man in einer privaten Nachricht Kritik an Präsident Donald Trump geäußert hat –, dann kann aus einem Besuch ein Abschiebefall werden. Oder eine Inhaftierung. Oder elf Tage in einer Betonzelle, wie es Jasmine Mooney aus Alberta erleben musste, nachdem sie an der mexikanischen Grenze ihren Arbeitsvisumstatus klären wollte. Sie wurde festgenommen, festgehalten – wegen eines administrativen Zweifels an ihrer Loyalität.

In den Worten der kanadischen Regierung:

„U.S. authorities strictly enforce entry requirements. Expect scrutiny at ports of entry, including of electronic devices.“

Was früher zwischen liberalen Demokratien ein Handschlag war, ist heute eine digitale Durchsuchung, ohne richterlichen Beschluss, ohne Rechtsbeistand, ohne Entkommen.

Dass nun selbst Ottawa empfiehlt, mit einem „Burner Phone“ zu reisen, oder gleich ganz auf das Mitführen von Geräten zu verzichten, ist keine Reiseempfehlung mehr. Es ist ein Alarmruf. Einer, der auch in Berlin, Kopenhagen und London gehört wird. Auch dort haben die Regierungen ihre Warnungen an Bürger:innen verschärft, insbesondere für queere Reisende, die unter den neuen Bundesrichtlinien in den USA mit besonderer Diskriminierung rechnen müssen.

Und all das ist nicht etwa die Konsequenz aus Krieg oder Terrorismus. Es ist die Konsequenz aus Politik. Aus Trumps zweiter Amtszeit, die ein Land in ein Labor für Machtverschiebung verwandelt hat. Die amerikanische Grenze ist nicht mehr Schutzraum, sie ist Prüfstand für Konformität.

Die Grenzbeamten der CBP benötigen keinen richterlichen Beschluss. Sie brauchen keine Begründung. Der bloße Verdacht, dass ein Facebook-Post, eine WhatsApp-Nachricht, eine Google-Suchanfrage missfällig ist, reicht. Die Geräte sind offen wie Tagebücher, und das Tagebuch entscheidet über deinen Zugang zur freien Welt.

Und Kanada?

Kanada antwortet diplomatisch.

Aber es antwortet.

Premierminister Mark Carney, der erst vor wenigen Wochen den Ton gegenüber Washington verschärfte, hat Schnellwahlen für den 28. April ausgerufen. Der Ton ist gesetzt: Die USA sind nicht mehr der verlässliche Partner, der sie einst waren. Ottawa hat seinerseits Vergeltungszölle gegen die USA angekündigt. Und auf der Straße fragt sich manch eine: Wann beginnt Kanada, eigene Einreisekontrollen für Amerikaner zu verschärfen?

In Washington jedoch herrscht Stille.

Trump golfte am Samstag in Palm Beach, während an der Grenze Menschen durchsucht wurden, als wären sie potentielle Verräter. Und im Weißen Haus wird getwittert, dass die USA ihre „nationale Identität“ verteidigen müssten, eine Floskel, die, übersetzt, nur eins bedeutet: Konformität ist Sicherheit.

Freiheit aber, echte, unbequeme, widersprechende Freiheit – ist Risiko. Ein Risiko, das die Vereinigten Staaten nicht mehr einzugehen bereit sind. Man prüft nicht mehr nur, ob du ein Visum hast. Man prüft, was du denkst.

Welcome to the new world. It’s no longer a country – it’s a filter. And you’re only welcome if you pass through clean.

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