Die Grenzen des Krieges – Trumps zögerliches Nein zu den Tomahawks für die Ukraine

VonRainer Hofmann

Oktober 18, 2025

Es war ein Bild von äußerer Höflichkeit und innerer Spannung: Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj, nebeneinander im Kabinettsraum des Weißen Hauses, flankiert von Vizepräsident J. D. Vance und Finanzminister Scott Bessent. Der ukrainische Präsident sprach von einem „Vorschlag“ – die USA sollten ihm Tomahawk-Marschflugkörper verkaufen, im Gegenzug könne Kiew Washington seine modernsten Drohnen überlassen. Doch Trump, der in den vergangenen Tagen selbst noch angedeutet hatte, den Verkauf zu prüfen, ließ nun Zweifel erkennen. „Ich habe die Verpflichtung, sicherzustellen, dass unser Land vollständig ausgerüstet ist“, sagte er, „denn man weiß nie, was in Krieg und Frieden passieren kann.“ Und dann der Satz, der den Ton des ganzen Treffens bestimmte: „Wir hätten lieber, dass sie keine Tomahawks brauchen. Wir hätten lieber, dass der Krieg vorbei ist.“

Die Botschaft war klar – und doppeldeutig. Einerseits stellte sich Trump als Vermittler dar, als jemand, der Krieg beenden will. Andererseits war sein Rückzug von der Idee, Kiew mit weitreichenden Raketen zu versorgen, ein deutliches Signal an Moskau. Noch am Vortag hatte er mit Wladimir Putin ein langes Telefongespräch geführt. Danach klang seine Sprache plötzlich vorsichtiger, beinahe versöhnlich. „Genug Blut wurde vergossen“, schrieb er auf Truth Social. „Sie sollten aufhören, wo sie sind. Beide sollen den Sieg beanspruchen, die Geschichte wird entscheiden.“

Selenskyj, der nach dem Treffen im Lafayette Park vor Journalisten sprach, versuchte die Linie zu halten. „Der Präsident hat recht – wir müssen dort stoppen, wo wir sind, und dann sprechen“, sagte er. Doch seine Worte klangen weniger wie Zustimmung als wie Anpassung an die Realität. Denn was Trump als Chance zur Deeskalation verkauft, ist in Wahrheit eine Anerkennung des Status quo: eine eingefrorene Front, zementierte Besatzung, ein Frieden, der keiner ist.

Für die Ukraine war das Treffen ernüchternd. Noch vor einer Woche hatte Trump angedeutet, dass ein Verkauf der Tomahawks möglich sei – Marschflugkörper mit einer Reichweite von über 1.500 Kilometern, fähig, militärische Infrastruktur tief im russischen Hinterland zu treffen. Selenskyj hatte gehofft, diese Drohung könnte Putin zu ernsthaften Verhandlungen bewegen. Doch nach dem Telefonat mit Moskau wich die Entschlossenheit. Laut Putins außenpolitischem Berater Juri Uschakow habe der Kremlchef Trump gewarnt, eine Lieferung würde „die Lage auf dem Schlachtfeld nicht ändern, aber der Beziehung zwischen unseren Ländern erheblichen Schaden zufügen“.

Trump scheint die Warnung verstanden zu haben. Statt Stärke zu zeigen, inszeniert er Geduld. Statt Druck aufzubauen, wirbt er für Nachsicht – ausgerechnet gegenüber einem Gegner, der jeden Waffenstillstand bislang als Atempause zum Nachladen genutzt hat. In Washington nennt man das Realpolitik. In Kiew nennt man es Verrat. Selenskyj bemühte sich, den Besuch dennoch als Erfolg erscheinen zu lassen. Er gratulierte Trump zum jüngsten Waffenstillstand in Gaza und sprach von „Momentum“, das der Präsident nun habe, um auch den Krieg in Europa zu beenden. „Präsident Trump hat jetzt eine große Chance, diesen Krieg zu beenden“, sagte er – höflich, aber sichtlich müde. Denn die Realität ist, dass Trump die Ukraine in ein Vakuum der Erwartungen führt.

Viermal haben sich Trump und Selenskyj seit Januar getroffen, zuletzt vor kaum vier Wochen. Zwischenzeitlich hatte der amerikanische Präsident erklärt, die Ukraine könne „all ihr Territorium zurückgewinnen“ – ein Satz, der selbst in Kiew für Überraschung sorgte. Doch die Linie wechselt, je nachdem, wer am Telefon ist. Nach jedem Gespräch mit Putin verschiebt sich der Ton, die Entschlossenheit verdampft. Nun spricht Trump von „beiden Siegern“, von Grenzen, die durch „Krieg und Mut“ definiert seien. Es ist die Sprache eines Mannes, der Frieden als Verhandlungstrophäe begreift – nicht als moralische Verpflichtung.

Eine recht unglückliche Wahl der Krawatte durch Kriegsminister und Ex-Fox-Moderator Pete Hegseth bei den Gesprächen mit Selenskyj.

Er kündigte an, Putin bald in Budapest zu treffen, um „Wege zum Ende des Krieges“ zu besprechen. Ob Selenskyj an diesen Gesprächen beteiligt sein wird, ließ er offen. „Zu bestimmen“, sagte Trump, und fügte hinzu, ein „Doppeltreffen“ mit beiden Staatschefs sei wohl „die produktivste Option“. Man solle es „für alle bequem machen“. Die Wortwahl war bezeichnend: Ein Krieg, der Hunderttausende Tote gefordert hat, wird hier zu einer Frage der Bequemlichkeit.

Trump, der seit seiner Rückkehr ins Amt Frieden als Teil seiner politischen Marke verkauft, wirkt dabei zunehmend wie ein Mann, der glaubt, Diplomatie sei ein Spiel. „Ich bin mein ganzes Leben von den Besten ausgetrickst worden – und ich bin ziemlich gut rausgekommen“, sagte er, als ihn ein Reporter fragte, ob Putin ihn vielleicht an der Nase herumführe. „Ich glaube, ich bin ganz gut in so was.“ Es war ein Satz zwischen Arroganz und Selbstbetrug, gesprochen in einem Moment, in dem die Welt zusieht, wie sich Geschichte wiederholt. Selenskyj, der einst mit großem Vertrauen in Trumps Rückkehr nach Washington reiste, steht nun vor der bitteren Erkenntnis, dass Amerikas neue Außenpolitik weniger von Prinzipien als von Launen gesteuert wird. Trump redet von Frieden, aber er meint Kontrolle. Er spricht von Zurückhaltung, aber er meint Einfluss. Und während er die Lieferung von Tomahawks verweigert, liefert er Putin etwas weit Wertvolleres: Zeit.

Vielleicht wird man eines Tages sagen, dass der 17. Oktober 2025 der Moment war, in dem der Krieg nicht endete, sondern neu definiert wurde – nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Oval Office, zwischen zwei Männern, von denen keiner bereit war, das Wort „Kapitulation“ auszusprechen. Der eine, weil er sie fürchtet. Der andere, weil er sie verkauft.

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Ela Gatto
Ela Gatto
11 Stunden zuvor

Ehrlich, hat irgendjemand bei klarem Verstand geglaubt, dass Krasnov seinem Buddy Putin auf die Füße tritt?

Zigmal hat er was angedeutet, genau so oft einen Rückzieher gemacht.

Genau wie Deutschland mit den Taurus.

Selensky und das ukrainische Volk müssen sich von der gesamten Welt verraten fühlen.

Butscha… Empörung und Mahnungen… das war es von der westlichen Welt.
Und Butscha folgten viele weitere Massaker, die in den westlichen Nachrichten nicht einmal Erwähnung fanden.

Stattdessen rollt die russische Propaganda um Selensky zu diffamieren und Täter Opfer Umkehr zu betreiben.

Und die Schlipswahl von Hegseth, kein Ausrutscher, sondern sicher ein Statement

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