Es ist empörend, dass Präsident Trump weißen Südafrikanern sofortige Einreise in die USA als „unterdrückte Minderheit“ gewährt

VonRainer Hofmann

Mai 27, 2025

Ein Gespräch mit Jonathan Turner, ehemaliger Flüchtlingshelfer in Südafrika und Mitarbeiter der USAID.

Vermont/Washington – Als das Weiße Haus am 15. Februar 2025 seine neue Sonderverordnung zur bevorzugten Aufnahme weißer Südafrikaner veröffentlichte, blieb es international zunächst still. Präsident Donald Trump, umgeben von Beratern der „White Protection Initiative“, rechtfertigte das Dekret mit angeblichen „gezielten Tötungen“ an der weißen Minderheit der Afrikaaner. In Südafrika, so Trump, herrsche ein „stilles Massaker“, das von den Medien verschwiegen werde.

Tatsächlich handelt es sich dabei um eine längst widerlegte Erzählung, die seit Jahren von rechtsextremen Netzwerken gestreut wird – und über Fox News, Telegram-Kanäle und MAGA-nahe Radioshows ihren Weg ins Weiße Haus gefunden hat.

Die Folgen sind real: Innerhalb weniger Wochen wurden über tausend Visa an weiße Südafrikaner vergeben – ohne eingehende Prüfung, ohne Bedarfsanalyse. Währenddessen verlängert sich die Wartezeit für afghanische Ortskräfte, lateinamerikanische Oppositionelle oder syrische Dissidenten um Monate.

Jonathan Turner, 46, hat zehn Jahre lang als Flüchtlingshelfer in Südafrika gearbeitet – für den Peace Corps, für USAID, später als Gutachter für Menschenrechte. Heute lebt er zurückgezogen in Vermont – aber er schweigt nicht.

„Ich war von 2015 bis 2017 Freiwilliger im Peace Corps in Südafrika. Das Dorf, in dem ich diente, war eines der sogenannten ‚Tribal Homelands‘. Dorthin wurden Schwarze während der Apartheid zwangsweise umgesiedelt – aus den Regionen vertrieben, in denen sie über Generationen gelebt hatten.“

Er schildert Orte ohne fließendes Wasser, ohne sanitäre Infrastruktur, ohne Aussicht auf Besserung. Extreme Armut. Kaum Bildung. Kaum Jobs. Kein Recht auf Teilhabe. Dann kam Trumps Ankündigung – und für Turner war es, als würde jemand die Geschichte umdrehen.

„Es ist empörend, dass Präsident Trump weißen Südafrikanern sofortige Einreise in die USA als ‚unterdrückte Minderheit‘ gewährt. Diese Menschen leben in modernen Städten mit Einkaufsmalls, Klimaanlagen, Privatkliniken – sie sind nicht verfolgt. Sie sind privilegiert.“

Besonders bitter ist für ihn der Vergleich mit jenen, die wirklich Schutz suchen – und denen die USA die Tür verschließen.

„Viele mutige Menschen, die an der Seite unseres Militärs im Irak und in Afghanistan gearbeitet haben, sitzen weiterhin in Lagern. Ihre Anträge versanden. Und dann kommen gut situierte Weiße aus Südafrika und werden mit offenen Armen empfangen. Das ist ein Schlag ins Gesicht.“

Zwischen dem Mythos von der weißen Verfolgung in Südafrika und der Wirklichkeit liegen Welten. Doch in Amerika blüht die Lüge – genährt durch rechte Medien und Schweigen im Zentrum der Macht.

„Die meisten Amerikaner haben keine Vorstellung davon, wie komplex die soziale Realität in Südafrika ist. Ja, es gibt Kriminalität – aber sie betrifft alle. Dass Weiße systematisch ermordet werden, ist eine Lüge, die Opfer sind immer die Schwarzen. Und Trump weiß das. Er benutzt diese Lüge für seine Politik.“

Dann erzählt Turner, wie er die USA heute erlebt – und was es für ihn bedeutet, Amerikaner zu sein. Ein stiller Protest gegen das, was aus seinem Land geworden ist.

„Ich bin nicht der Typ Nachbar, der gerne Streit sucht mit denen, die um ihn herum wohnen. Ich sage einfach, was ich denke – von Bürger zu Bürger. Ich möchte dir sagen, wie ich mich wegen der amerikanischen Flagge fühle – derjenigen, auf der Donald Trump abgebildet ist. Was diese Flagge für mich aussagt, ist: ‚Trump ist Amerika, Amerika ist Trump.‘ Das ist gefährlich und falsch. Wenn du jetzt versucht bist zu sagen: ‚Ganz genau!‘ – dann denk bitte über Folgendes nach: Auf der berüchtigten NSDAP-Kundgebung 1933 in Nürnberg sagte einer von Hitlers Handlangern: ‚Hitler ist Deutschland, Deutschland ist Hitler!‘

Das Problem, das ich mit dieser Flagge habe, ist folgendes: Die Flagge der Vereinigten Staaten soll uns alle repräsentieren – dich, mich, und ja, auch Trump – aber eben nicht nur Trump. Wenn man wirklich ein Patriot ist, was das auch bedeuten soll – vielleicht jemand, der an das glaubt, wofür dieses Land stehen soll: ein Land des Volkes, durch das Volk, für das Volk – dann nimmt man diese Flagge ab und hisst stattdessen eine normale Sterne-und-Streifen-Flagge, die uns alle repräsentiert.“

Doch es geht Turner längst nicht mehr nur um Symbolik. Es geht um das Klima, das sich verändert hat.

„Trumps Präsidentschaft hat das Miteinander verändert. Viele Menschen verhalten sich wie unter Hypnose. Es ist teilweise gespenstisch. Man redet leiser. Man beobachtet mehr. Man sieht ein Polizeiauto und bekommt Panikgefühle – obwohl man nichts getan hat. Es ist, als ob man sich immer wieder selbst sagt: Versteck dich gut. Schütze deine Familie. Sag lieber nichts.“

Ich frage ihn: Wie wird das enden?

„Du hattest mich gefragt: Wie wird das mit Trump ausgehen? Ich weiß es nicht. Ich hoffe, es wird sich friedlich klären lassen – das hoffe ich so sehr.“

Und die Demokraten?
„Was ist los mit den Demokraten? Deinen Demokraten?“ – er lächelt schief.

„Viele Menschen sind bereit zu kämpfen. Doch in der Führung gibt es Probleme. Trotzdem: Ich bin mir sicher, dass die Demokraten Trump und die MAGA-Bewegung bekämpfen werden. Für das Land. Für die Verfassung.“

Warum helfen so wenige, wenn Menschen von ICE mitten in Wohngebieten abgeführt werden?

„Weißt du“, sagt Jonathan, „jedes falsche Wort dazu kann dich in das Gefängnis bringen. Oder du bekommst eine Fußfessel. Und wenn du Ausländer bist – wirst du einfach abgeschoben. Sofort. Ich höre das immer wieder.“

Er hebt den Blick, seine Stimme bleibt klar.

„Aber viele, selbst hier in den USA, bekommen das gar nicht mit. Sie leben in einer anderen Welt. Fahr nach Missouri – die Leute dort glauben, alles sei in Ordnung. Aber es ist nicht in Ordnung. Und in Arkansas? Da zählst du die Tage nicht nach vorne. Du zählst sie rückwärts.“

Was bleibt, ist keine Antwort – sondern eine Mahnung:
„Ich habe Flüchtlinge gesehen, die alles verloren haben – und dennoch Würde bewahrten.

Die Frage ist: Haben wir noch genug davon übrig, um uns selbst wiederzufinden?“

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