Die amerikanischen Finanzmärkte haben am Freitag eine seltene Kombination aus Überbewertung, Nervosität und politischer Unberechenbarkeit erlebt. Auslöser war kein makroökonomischer Schock, sondern eine Nachricht des Präsidenten. Donald Trump kündigte an, er erwäge eine „massive Erhöhung der Zölle“ auf chinesische Importe. Binnen Stunden löste die Ankündigung eine Kaskade von Kursverlusten aus, die in ihrer Geschwindigkeit an den August 2019 erinnerte. Der S&P 500 schloss 2,7 Prozent tiefer, der Nasdaq verlor 3,6 Prozent, und die Kapitalmärkte signalisierten das, was Ökonomen seit Monaten befürchteten – eine abrupte Korrektur nach einer überdehnten Aufwärtsphase.
Der Hintergrund ist klar: Nach einer Rally von über 35 Prozent seit April war die Bewertung amerikanischer Aktien auf ein Niveau gestiegen, das sich nicht mehr durch Fundamentaldaten erklären ließ. Die Erwartungen an den Technologiesektor, insbesondere an Unternehmen der künstlichen Intelligenz, hatten sich zu einem spekulativen Narrativ verdichtet, das nur Stabilität in der Handelspolitik voraussetzte. Als Trump mit einem Satz diese Stabilität infrage stellte, brach der psychologische Boden weg, auf dem der gesamte Aufschwung ruhte.
Die Begründung für die neuerliche Zollandrohung ist wirtschaftspolitisch durchsichtig. China hat im September den Export bestimmter seltener Erden eingeschränkt – Materialien, die für Halbleiter, Batterien und Flugzeugturbinen unverzichtbar sind. Trumps Reaktion darauf ist weniger industriepolitisch als symbolisch: Er nutzt das Handelsdefizit als innenpolitisches Druckinstrument, obwohl es in der realen Ökonomie seit Monaten stagniert. Der Effekt aber ist real – Kapital flieht aus Risikoanlagen, und die Volatilität steigt.
Der Markt reagierte nicht isoliert. Die Risikoaversion griff auf Energie- und Rohstoffpreise über. US-Rohöl fiel um 4,2 Prozent auf 58,90 Dollar, Brent um 3,8 Prozent auf 62,73 Dollar – nicht wegen einer Rezession, sondern wegen einer Korrektur im geopolitischen Risiko: Der Waffenstillstand zwischen Israel und Hamas reduzierte die Prämie, die Investoren bislang für Stabilität im Nahen Osten einkalkuliert hatten. Zusammen mit der Aussicht auf sinkende Nachfrage durch mögliche Handelsbarrieren entstand so ein kurzfristiger deflationärer Impuls, der in den Renditen sofort sichtbar wurde. Die Zehnjahresanleihe fiel auf 4,04 Prozent. Makroökonomisch ist die Lage prekär. Die US-Konjunktur zeigt Anzeichen struktureller Ermüdung, die Konsumentenstimmung bleibt laut der Universität Michigan auf Tiefstandsniveau, und die Reallöhne stagnieren. Der Zinsschnitt der Federal Reserve im September hat die Nachfrage kaum stimuliert; gleichzeitig verschärfen Trumps Zölle das Inflationsrisiko. Die Notenbank steht damit in einem klassischen Dilemma: Eine expansive Geldpolitik könnte die Aktienblase erneut nähren, eine restriktive Haltung aber das Vertrauen in die Konjunktur vollends erschüttern.
Bemerkenswert ist die Selektivität der Marktreaktion. Hochkapitalisierte Technologieunternehmen verloren überproportional, während defensive Sektoren – etwa Versorger und Basiskonsum – relativ stabil blieben. Diese Rotation deutet auf eine partielle Flucht in Bewertungslogik hin: Anleger differenzieren wieder zwischen Wachstumserzählung und Ertragskraft. Insofern ist die Korrektur kein Chaos, sondern eine Rückkehr zur Rationalität – ein Markt, der sich gegen politische Übersteuerung wehrt. Doch die politische Komponente bleibt zentral. Dass der Präsident ausgerechnet im Vorfeld seines Treffens mit Südkoreas Regierung die Verhandlungen mit China absagt und die Konfrontation rhetorisch eskaliert, sendet ein Signal weit über die Märkte hinaus. Es unterminiert die Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten als handelspolitischer Akteur. Partnerstaaten, insbesondere in Asien, müssen sich erneut fragen, ob Washington noch in der Lage ist, berechenbare Wirtschaftspolitik zu betreiben.
In der Summe ist dieser Freitag weniger ein Einbruch als eine Offenbarung. Er zeigt, wie eng Psychologie und Politik im derzeitigen Finanzsystem verflochten sind – und wie gefährlich die Abhängigkeit der globalen Märkte von der Stimmung eines Einzelnen geworden ist. Die Wall Street hat nicht auf China reagiert, sondern auf den Verlust von Planbarkeit.
Für Investoren ist dies kein kurzfristiges Phänomen, sondern ein Symptom einer tiefer liegenden Erosion: einer politischen Ökonomie, in der wirtschaftliche Rationalität regelmäßig dem taktischen Impuls geopfert wird. Und so endet dieser Tag nicht mit Panik, sondern mit einer ernüchternden Erkenntnis: Die größte Unsicherheit der Weltwirtschaft ist nicht mehr das Risiko aus Peking – sondern die Hand, die sie in Washington führt.
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Dazu passt die Entwicklung des Goldpreises. Es ist ein barbarisches Metall, das Bedeutung gewinnt in einer barbarisch agierenden Welt. Mit WTO-Regeln,Handelsabkommen und stabiler Aussicht auf Frieden sollte das Halten oder Besitzen von Gold nicht nötig sein.
Wie oft noch?
Heute Zölle androhen, dann die Frist verlängern, dann zurück nehmen, wieder neu drohen.
Eine Endlosschleife.
Wer verdient? Die, die wissen, wann man kaufen muss… wohlwissend, dass Trump es wieder zurück nimmt und man mit Verkauf viel Geld macht.
Auch das passiert nicht zum ersten Mal.
Ich erinnere mich da an einen guten Bericht von Euch.
Und über den „in kürze fixen TikTok Deal“?
Hört man auch nichts mehr davon.
Hauptsache man füllt sich selbst die Taschen und lenkt von den Epstein Files ab.