„Die Nacht der Drohnen – Russland eskaliert, während der Wahnsinn regiert“

VonRainer Hofmann

Mai 26, 2025

Es war eine Nacht, in der der Himmel über der Ukraine kein Versprechen mehr trug – nur noch ein Dröhnen, ein Pfeifen, ein Tod aus der Ferne. Über 350 russische Drohnen rasten durch die Dunkelheit, aufgeschickt von einem Regime, das längst den Maßstab verloren hat, den Begriff der Verhältnismäßigkeit, vielleicht auch die Sprache der Vernunft. Es war die schwerste Drohnenattacke seit Beginn des Krieges – ein Krieg, der mittlerweile länger wütet, als viele Kriege zuvor – und doch scheint mit jeder neuen Angriffswelle eine neue Dimension der Verzweiflung aufgerissen zu werden.

Von Freitag bis Sonntag sollen es über 900 Drohnen gewesen sein, dazu Raketen, Marschflugkörper, ballistische Geschosse. Die Welt schaut auf Wetterberichte, Börsenkurse, Wahlanalysen – doch in der Ukraine zählen sie Nächte in Einschlägen und Morgen in Trümmern. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nennt es, was es ist: eine Eskalation aus einem Gefühl der Straflosigkeit. Es gebe keine militärische Logik mehr, nur noch politische Symbolik. Russland wolle kein Ziel treffen – es wolle zerstören, zermürben, zerbrechen.

Und während die Welt friert vor dem Bildschirm, schreibt Donald Trump in Großbuchstaben: “Putin has gone absolutely CRAZY!“ Der Präsident der Vereinigten Staaten, der sich einst rühmte, ein besonderes Verhältnis zu Wladimir Putin zu pflegen, wirkt nun überrascht von der Raserei seines einstigen Gegenübers. Doch was ist dieser Ausruf? Empörung? Hilflosigkeit? Späte Einsicht? Oder nur ein weiteres Kapitel im endlosen Theater seiner Widersprüche? Große Worte, doch kein Schritt folgt ihnen. Sanktionen? Angekündigt. Getan? Nichts. Der Zorn verpufft zwischen Wahrheit und Taktik. Auch Selenskyj bekommt sein Fett weg – er tue „seinem Land keinen Gefallen mit seiner Wortwahl“. Als sei Sprache gefährlicher als Sprengstoff.

Währenddessen bereitet Russland den nächsten Schritt vor. Eine Sommeroffensive. Neue Truppen, neue Ziele. Die Frontlinie zieht sich über tausend Kilometer – wie ein Riss durch Europas Osten. Und die Drohnen sind nur das sichtbare Gesicht eines Krieges, der sich längst in die Strukturen, die Seelen, die Zeit selbst hineingefressen hat.

Und doch geschah da etwas Seltsames inmitten des Schreckens: Ein Gefangenenaustausch. Dreimal, in drei Tagen. Über 1.000 Menschen – Soldaten, Zivilisten, Kämpfer. Ein Flackern von Menschlichkeit inmitten des Maschinenlärms. Istanbul, nicht Brüssel oder Washington, war der Ort, wo dies geschah – nicht als Hoffnung, sondern als Ironie: Während Europa weiter redet, tauschen die Kriegsparteien Gefangene. Ein Wunder oder ein Ablenkungsmanöver? Niemand weiß es. Nur die Zahlen bleiben.

Und Putin? Schweigt nicht. Sein Sprecher Dmitri Peskow erklärt, die Angriffe seien eine „Antwort“ auf ukrainische Offensiven – als wären Städte, Schulen, Kindergärten strategische Ziele. Als könnte man Frieden erzwingen durch Lärm. Als wäre Vernichtung eine Form von Sicherheitspolitik.

Der Krieg hat längst seine Masken abgelegt. Es geht nicht mehr um Land. Es geht nicht mehr um Geschichte. Es geht nicht mehr um Gasleitungen, Grenzen oder Ethnien. Es geht um einen Mann, der gefallen ist – und ein System, das mit ihm fällt. Doch mit ihm fallen auch Häuser, Stimmen, Leben. Das Irre ist nicht mehr am Rand – es regiert von oben. Und wer zusieht, sollte sich nicht fragen, ob er Partei ergreifen will – sondern ob er morgen noch das Rückgrat dazu haben wird.

Denn wenn der Himmel über Europa sich wieder verdunkelt, dann beginnt es mit einem Sirenenton – und endet vielleicht mit Schweigen.

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