Geheimer Krieg im Karibikraum – Trumps Bomben gegen Boote und die Lügen dahinter

VonRainer Hofmann

Oktober 4, 2025

Vier Männer tot, ein brennendes Boot vor der Küste Venezuelas – und eine US-Regierung, die daraus ein Kriegsnarrativ strickt. Verteidigungsminister Pete Hegseth verkündete am Freitag, der Angriff sei in internationalen Gewässern erfolgt, das Ziel habe „substantielle Mengen an Drogen“ transportiert, die Besatzung seien „Narco-Terroristen“ gewesen. Doch jenseits dieser Schlagworte gibt es keine Beweise, keine Namen, keine Zuordnung. Alles, was bleibt, ist eine tödliche Explosion – und eine Administration, die sich ein „bewaffnetes Konflikt“-Szenario zusammenbaut, um ohne Mandat Krieg zu führen.

Es war bereits der vierte Angriff dieser Art seit September. Am 2. September meldete das US-Militär den Tod von elf Menschen auf einem Boot, das Trump in einem Social-Media-Post dem „Tren de Aragua“-Kartell zuordnete. Am 15. und 19. September folgten weitere Attacken, jeweils mit mehreren Toten, auch hier ohne Beweise, wer die Opfer waren. Mit dem jüngsten Schlag vom 3. Oktober summiert sich die Bilanz auf mindestens 21 Tote. Keine unabhängige Untersuchung, keine forensischen Berichte, keine Aufklärung. Stattdessen werden Leichen im Meer zurückgelassen – und die Behauptung, man habe die Amerikaner vor einer tödlichen Bedrohung geschützt.

Präsident Trump erklärte, das Boot habe genug Drogen geladen, „um 25.000 bis 50.000 Menschen zu töten“. Beweise dafür? Keine. Hegseth sprach von „gesicherten Geheimdienstinformationen“ – doch als Senatoren diese Woche im Verteidigungsausschuss nachfragten, konnte das Pentagon nicht einmal eine Liste der angeblichen Terrororganisationen vorlegen, gegen die man angeblich kämpft. Auf dem Capitol Hill sprach ein Beamter offen davon, die Regierung führe „einen geheimen Krieg gegen geheime Feinde – ohne die Zustimmung des Kongresses“.

Juristen schlagen Alarm: Die Gleichsetzung von Schmugglern mit Terroristen, die Einstufung armer Fischer als „unlawful combatants“ und ihre Tötung durch Raketenangriffe erinnern an die dunkelsten Kapitel der Kriege im Irak und in Afghanistan – Guantánamo, Drohnentötungen, endlose Ausnahmezustände. „Boote in die Luft zu jagen, ohne zu wissen, wer an Bord ist, ist eine abscheuliche Politik“, kritisierte Senator Rand Paul. „Wenn sie Krieg wollen, sollen sie ihn im Kongress erklären – nicht heimlich per Notiz.“ Die internationale Reaktion ist unmissverständlich. Venezuelas Vizepräsidentin Delcy Rodríguez sprach von „warlike aggression“ und „extralegalen Hinrichtungen“. Präsident Nicolás Maduro erklärte, sein Land werde seine Souveränität verteidigen – notfalls mit Waffen. Kolumbiens Präsident Gustavo Petro nannte die US-Angriffe beim Namen: Mord. „Auf diesen Booten sind keine Narco-Terroristen, sondern arme karibische Jugendliche“, schrieb er.

Hinzu kommt: Venezuela spielt im globalen Drogengeschäft keine entscheidende Rolle, schon gar nicht beim Fentanyl. Das synthetische Opioid, das in den USA jährlich über 100.000 Menschenleben fordert, stammt aus China und Mexiko – nicht aus der Karibik. Doch Washington baut in der Region eine beispiellose militärische Präsenz auf: Acht US-Kriegsschiffe, über 5.000 Marines, F-35-Kampfflugzeuge und MQ-9-Reaper-Drohnen, stationiert in Puerto Rico. Was als „Anti-Drogen-Einsatz“ verkauft wird, ist in Wahrheit eine geopolitische Machtdemonstration. Die Wahrheit ist schlicht: Es gibt keine öffentlichen Beweise für den Drogentransport, keine Transparenz über die Opfer, keine parlamentarische Kontrolle. Die US-Regierung fabriziert ein Kriegsnarrativ, um militärische Gewalt im Schattenrecht zu normalisieren. Wer die Toten waren, spielt keine Rolle mehr. Sie werden nachträglich zu Terroristen erklärt – und die Schlagzeilen über „Erfolge im Drogenkrieg“ sollen den Rest erledigen.

Das ist nicht Drogenbekämpfung, das ist Staatsterrorismus. Es sind Hinrichtungen ohne Gericht, ohne Beweise, ohne Rechtfertigung – durchgeführt im Namen eines Präsidenten, der seine Macht immer stärker auf autoritäre Ausnahmebefugnisse stützt. Der „Krieg ohne Kriegserklärung“ ist nichts anderes als die systematische Zerstörung völkerrechtlicher Normen. Die USA rechtfertigen extralegale Tötungen inzwischen mit der Formel: „Es sind Narco-Terroristen.“ Doch diese Begriffe sind austauschbar. Heute Fischerboote in der Karibik, morgen Schiffe in Afrika, übermorgen Gegner im eigenen Land? Wenn alles Terror ist, kann alles Ziel sein. Wer den Drogenkrieg ernst meint, muss bei den Pharmafirmen und Geldströmen in den USA beginnen, bei Banken, die Milliarden aus Drogengeschäften waschen, und bei der Nachfrage im eigenen Land. Doch Trump wählt die Bilder von brennenden Booten – weil sie Stärke suggerieren, weil sie Angst verbreiten, weil sie ihm den Krieg geben, den er politisch braucht.

Das Ergebnis: 21 Tote ohne Gesicht, ohne Stimme, ohne Recht. Eine Region in Angst. Ein internationales Recht, das weiter demontiert wird. Und ein Präsident, der die Welt Schritt für Schritt an den Abgrund eines autoritären Dauerkriegs führt. Dieser Krieg ist nicht gegen Drogen gerichtet. Er ist ein Krieg gegen das Recht, gegen die Wahrheit – und letztlich gegen die Demokratie selbst.

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Josef Sanft
Josef Sanft
3 Minuten zuvor

Ich sag ja schon seit langem : wenn einer den Friedensnobelpreis wirklich und wahrhaftig verdient hat, dann dieser großartige , empathische und aussergewöhnliche Präsident.

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