Gekauftes Schweigen – Wie Apple und Google vor Trumps ICE-Kreuzzug einknickten

VonRainer Hofmann

Oktober 4, 2025

Apple und Google haben in dieser Woche ein deutliches Signal gesetzt – und damit weit mehr als nur eine App aus ihren Stores verbannt. Beide Konzerne blockierten Anwendungen, die es Menschen ermöglichten, Sichtungen von ICE-Agenten in den USA zu melden und so frühzeitig vor Razzien gewarnt zu sein. Offiziell geschah dies auf Druck der Trump-Regierung. Inoffiziell markiert es jedoch einen Bruch mit den Prinzipien, auf die sich die Tech-Industrie einst berief: Offenheit, Innovation und der Schutz der freien Kommunikation.

Im Zentrum steht die App ICEBlock, die seit April mehr als eine Million Nutzerinnen und Nutzer gewann. Sie funktionierte ähnlich wie Navigationsdienste, bei denen Autofahrer Polizeikontrollen oder Radarkameras melden. In diesem Fall konnten Menschen über eine Crowdsourcing-Funktion ICE-Präsenz in der Nähe markieren. Für viele migrantische Familien war dies ein Rettungsanker, ein Instrument, um die eigene Sicherheit im Alltag ein Stück weit zu bewahren. Doch als US-Justizministerin Pam Bondi öffentlich Druck auf Apple machte und ICEBlock als Gefahr für Bundesbeamte bezeichnete, reagierte der Konzern innerhalb weniger Stunden. Auch Google zog nach und entfernte ähnliche Apps.

Die Argumentation der Regierung: Solche Tools gefährdeten die Sicherheit von ICE-Mitarbeitern und könnten zu Gewalt beitragen – ein Hinweis, der besonders nach dem Schusswaffenangriff auf eine ICE-Einrichtung in Dallas Gewicht erhielt. Doch Belege, dass die Apps in diesem Fall überhaupt genutzt wurden, liegen bis heute nicht vor. Entwickler Joshua Aaron wies den Vorwurf zurück. „Man braucht keine App, um zu wissen, dass ICE an einem ICE-Gefängnis steht“, sagte er. Für ihn ist das Vorgehen von Apple nichts weniger als ein Einknicken vor einem autoritären Regime.

Immigrationsanwälte und Bürgerrechtsgruppen teilen diese Einschätzung. Kica Matos vom National Immigration Law Center sprach von einem „erschreckenden Beispiel, wie Tech-Konzerne sich der Trump-Regierung beugen“. Harvard-Juristin Alejandra Caraballo warnte vor einem gefährlichen Präzedenzfall: Wenn die Regierung diktieren kann, welche Apps in den Stores erlaubt sind, sei der Weg zu gezielter Informationskontrolle geebnet. Sie zog Parallelen zu China, wo Apple 2019 auf Druck Pekings eine App entfernte, mit der Hongkonger Protestierende Polizeibewegungen verfolgten.

Während ICE und das Justizministerium argumentieren, es gehe um den Schutz von Beamten, sehen Aktivisten eine gezielte Zensur, die Communities entrechtet. Plattformen wie StopICE.Net, die nicht über Apps, sondern über Textnachrichten oder Online-Karten ICE-Aktivitäten dokumentieren, berichten bereits von staatlicher Gegenwehr. Meta erhielt eine Vorladung des Heimatschutzministeriums, um Daten zu den Accounts der Gruppe herauszugeben – ein Vorgang, der derzeit juristisch blockiert ist. Für Gründer Sherman Austin ist klar: „Wir stehen einer Regierung gegenüber, die jede Information kontrollieren will, die sie gefährlich findet.“

Für Journalistinnen und Journalisten ist diese Entwicklung ein weiteres Alarmsignal. Wer über ICE und die Eskalation der Razzien berichtet, muss davon ausgehen, dass die Regierung nicht nur Migrantengemeinschaften, sondern auch die Berichterstattung ins Visier nimmt. Apps, die dokumentieren, was ICE im Verborgenen tut, sind nicht nur Werkzeuge für Betroffene, sondern auch wertvolle Quellen für die Presse. Werden sie entfernt, erhöht sich das Risiko, dass Reporter im Feld unvorbereitet in gefährliche Situationen geraten – und dass ICE unbeobachtet agiert.

Damit stellt sich eine grundsätzliche Frage: Was ist von den Versprechen der Tech-Giganten geblieben, Räume für freie Innovation und unabhängige Kommunikation zu sein? In der Realität lassen sich ihre Prinzipien offenbar kaufen – von politischen Drohungen, von Marktinteressen, vielleicht sogar von der Angst, aus Washington ins Visier genommen zu werden. Was bleibt, ist ein bitterer Eindruck: Selbst das Gewissen ist käuflich geworden. Und genau darin liegt die eigentliche Gefahr – für Migrantinnen, für Communities, für Journalistinnen und für jede Form von freier Gesellschaft.

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Ela Gatto
Ela Gatto
1 Monat zuvor

Tech-Giganten waren immer schon nur auf Gewinn aus.
Gewissen war leider auch schon immer käuflich, es ist nur eine Frage des Preises.

Die Verbannung dieser App, innerhalb kurzer Zeit, zeigt deutlich, dass die USA keine Demokratie mehr sind.
Die Tech Giganten wollen nicht ins Visier beraten und möglichst lange „unentbehrlich“ sein und möglichst lange ein Stück vom Kuchen abbekommen.

Sie vergessen, dass es die User waren und sind, die sie groß gemacht haben.
Nun geben sie den Menschen einen Yritt. Wohlwissend, dass ein Boykott ihrer Produkte nicht im großen Stil möglich ist.

Es wird Zeit, dass Europa sich ein eigenes Netz an Anwendungen erarbeitet.

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